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Seuchen der Welt

'SCHMUTZKRANKHEIT'

Ist Perikles (490 bis 429 v. Chr.), einer der führenden Staatsmänner der griechischen Antike, etwa an Pest, Fleckfieber oder Typhus gestorben? Gewiss ist: Das Zeitalter der Industrialisierung war auch das Zeitalter von Typhus.

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Die schwere Allgemeininfektion Typhus – auch Typhus abdominalis, Bauchtyphus oder typhoides Fieber genannt – wird durch Bakterien, Salmonella typhi und paratyphi verursacht. Der Name Typhus leitet sich vom griechschen „typhos“ ab und bedeutet „Rauch“, „Dampf“, im übertragenen Sinne auch „nebelumnachtet sein“ und bezieht sich damit auf die neurologischen Symptome der Krankheit.

Hohes Fieber, was letztlich zu Bewusstseinstörungen führt, ist nämlich neben Bauchschmerzen, starken Kopfschmerzen und Ausschlag eines der Hauptsymptome. Im 19. Jahrhundert führte die Erkrankung häufig zum Tod, da sie nicht angemessen behandelt werden konnte.

Fleckfieber gleich Typhus? Typhus gibt es mit Sicherheit schon seit Jahrhunderten. Die Erkrankung jedoch von anderen „Fiebern“ der Vergangenheit zu unterscheiden, ist schwierig und immer wieder einmal Anlass für medizinhistorische Diskussionen. Vor allem im 19. Jahrhundert war Typhus eine Seuche. Im Englischen heißt aber Fleckfieber „typhus“. Auch im Deutschen wird diese benebelnde, mit Ausschlag einhergehende Fiebererkrankung gelegentlich „Flecktyphus“ genannt.

1829 prägte der französische Arzt Pierre Louis den Begriff typhoid (wie Typhus). Die Krankheit, die Louis damit bezeichnete, war in Paris weit verbreitet und unterschied sich in den Augen einiger Wissenschaftler vom in Großbritannien bekannten Fleckfieber, auch Typhus levissimus, Typhus ambulatorius, Hunger- oder Kriegstyphus genannt. Dass es sich beim Fleckfieber tatsächlich um eine eigenständige Erkrankung handelt, wurde erst in den Jahren 1835 bis 1874 nach und nach wissenschaftlich bewiesen.

„Gestank“ als Ursache? Doch was war derAnlass für die seuchenhafte Ausbreitung von Typhus (und Fleckfieber)? Viele Ärzte waren aufgrund des schrecklichen Gestanks der in den Städten des 19. Jahrhunderts herrschte, der Meinung, der Grund für die meisten Fieber liege in den fauligen Dämpfen, die aus Abfall, Jauchegruben, Abwässern und Flüssen emporstiegen. „Jeder Geruch ist eine Krankheit“, behauptete etwa der englische Sozialreformer Edwin Chadwick (1880 bis 1890).

Die weit verbreitete „Miasmatheorie“ wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts durch die schon 1865 von dem französischen Mikrobiologen Louis Pasteur (1822 bis 1895) aufgestellte Keimtheorie verdrängt. Diese heute als Selbstverständlichkeit angesehene Theorie vertrat die Auffassung, dass Mikroorganismen, die durch Husten, Niesen (Tröpfcheninfektion), Küssen, Abfälle, verunreinigte Nahrungsmittel oder Wasser übertragen werden, Ursache seien.

Überall vervielfachte sich mit der Urbanisierung die Bevölkerung in den Städten seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Städte wuchsen, doch die Kanalisation wurde den neuen Lebensverhältnissen nicht angepasst. So konnten sich Erkrankungen wie Typhus vor allem bei den Bewohnern schnell verbreiten. In manchen Städten waren ganze Wasserreservoire durchseucht. Wie bei der Cholera bildeten die miserablen hygienischen Verhältnisse also den Nährboden der Krankheit – dementsprechend verschwanden die Typhusepidemien mit dem Ausbau der Kanalisation.

„Typhus-Mary“ 1884 isolierten und züchteten deutsche Wissenschaftler, darunter Georg Gaffky (1850 bis 1918), ein Schüler des Mediziners und Mikrobiologen Robert Koch (1843 bis 1910), den Typhusbazillus. 1896 entwickelte der französische Bakteriologe Fernard Widal (1862 bis 1929) den Widal-Test zur Diagnose des Typhus. Im Jahr 1897 stellte der britische Mikrobiologe Almroth Edward Wright (1861 bis 1847) den ersten wirksamen Typhusimpfstoff vor.

Überblick
In unserer Serie „Seuchen der Welt“ stellen wir Ihnen in den nächsten Ausgaben folgende Themen vor:
+ Malaria
+ Pocken
+ Masern
+ Polio
+ Grippe
+ AIDS
+ SARS

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der fäkal-orale Übertragungsweg erkannt. Beim Typhuskreislauf wandert der Erreger aus dem Darm eines Kranken in Kot oder Urin, durch unzureichende Hygiene werden Wasser oder Nahrungsmittel verunreinigt und so gelangt er schließlich in den Mund des nächsten Opfers. Das Problem von „Dauerausscheidern“, also Personen, die ohne selbst noch Krankheitszeichen zu zeigen, viele Jahre später noch ansteckend wirken, wurde schon 1902 von Robert Koch erkannt.

Es erreichte mit der irischen Köchin Mary Mallon („Typhus Mary“), die wo immer sie hinkam, Personen massenweise mit Typhus infizierte, traurige Berühmtheit – „Die harmloseste und doch gefährlichste Frau Amerikas“, titelte die New York Times 1909.

Neue Erkenntnisse Heute gehört Typhus in den Industrienationen größtenteils der Vergangenheit an. Weltweit jedoch wird die jährliche Erkrankungszahl auf 17 Millionen geschätzt, die Zahl der Toten auf 600 000. Sorgfältige Trinkwasser- und Nahrungsmittelhygiene, gründliches Händewaschen zur Vermeidung von Schmierinfektionen, das Beachten der Grundregel „cook it, boil it, peel it or forget it!“ (kochen, braten, schälen oder vergessen!) sind die beste Vermeidungsstrategie.

Bei Tropenreisen kann eine vorbeugende Impfung, die allerdings maximal 60 bis 70 Prozent Schutz bietet, sinnvoll sein. Gegen die Typusinfektion selbst helfen Antibiotika. Als Mittel der Wahl gelten neuere Chinolone wie Ciprofloxacin oder Ofloxacin, nachdem lange auch Cotrimoxazol oder Chloramphenicol gute Dienste leisteten.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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