Frau mit Schmetterlingen auf der Schulter © RedSquirrel / stock.adobe.com
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Hauterkrankungen

SCHMETTERLINGSKINDER

Empfindlich wie der Flügel eines Schmetterlings – so ist die Haut von Menschen mit Epidermolysis bullosa. Bei der kleinsten Berührung entstehen Blasen, die Haut löst sich ab. Ursache ist ein Gendefekt.

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Epidermolysis bullosa (EB) ist eine Hautkrankheit, bei der sich die oberste Hautschicht, die Epidermis, sehr leicht von der darunterliegenden Dermis ablöst. In fast allen Fällen wird die Erkrankung dominant oder rezessiv vererbt, wobei mittlerweile rund 18 beteiligte Gene bekannt sind. Sie kodieren für Proteine, die die Hautschichten stabilisieren und zusammenhalten, wie Keratine, Kollagene oder Laminine. Je nachdem, welche Gene mutiert sind, unterscheidet man die Formen EB simplex, EB junctionalis und EB dystrophica. Alle drei können milde bis schwere Verläufe aufweisen, bei manchen sind die Schleimhäute beteiligt, bei anderen der Zahnschmelz oder die Haare. Manchmal kommt es auch zu Verengungen der Speiseröhre oder Muskelschwund.

Schwere Verläufe mindern Lebenserwartung Etwa 70 Prozent der Betroffenen können mit ihrer Krankheit ein relativ uneingeschränktes Leben führen. Die anderen 30 Prozent leiden unter den schwereren Formen, die ihre Lebensqualität extrem einschränken und auch die Lebenserwartung verringern. So zum Beispiel, wenn sie von der sehr aggressiven EB junctionalis betroffen sind, bei der es zu Blasenbildung in Rachen und Speiseröhre kommt. Die Kinder können dann innerhalb der ersten zwei Jahre an Anämie oder Unterernährung sterben.

Bei der Dystrophica-Form gibt es ein hohes Risiko, vor dem 35. Lebensjahr Plattenepithelkarzinome zu entwickeln, die bei Schmetterlingskindern sehr schwer zu ent​decken sind – auch das ist eine häufige Todesursache. Manche Kinder sterben auch frühzeitig, wenn bakterielle Infektionen der großflächig zerstörten Haut nicht mehr in den Griff zu bekommen sind. Wegen der empfindlichen Haut und weil die Krankheit schon kurz nach der Geburt Symptome zeigt, wurde der Begriff „Schmetterlingskinder“ geprägt. In Europa gibt es etwa 35 000 von ihnen.

Jede Berührung schmerzt Durch das Fehlen der wichtigen Proteine ist die Epidermis nicht mit der Dermis verbunden, sodass sie sich schon bei einer leichten Berührung nicht wie sonst gemeinsam bewegen können. Somit entstehen Reibe- und Scherkräfte zwischen den Hautschichten und es bilden sich Blasen. Bei stärkeren Traumata wird die Haut verletzt, sodass auch direkt Wunden entstehen können, die in der Regel nur langsam verheilen, was mitunter Monate dauern kann. Sehr stark sind meist Hände und Füße betroffen, weil die Kleinkinder mit ihnen die Welt entdecken.

Aber auch das Strampeln beim Liegen kann auf dem Rücken oder der Brust schwere Blasen verursachen. Daher sind schon nach kurzer Zeit Wundpflege und Verbände unabdingbar. Häufig resultieren die Wunden und Hautbildungsstörungen auch in einer Verwachsung von Zehen und Fingern. Das Schlimmste für die Kinder ist aber der ständige Wundschmerz und die extrem eingeschränkte Bewegungsfreiheit. Denn jedes Trauma, sei es auch noch so klein, muss bei Schmetterlingskindern vermieden werden. Ein zu festes Anfassen führt bereits zur Zerstörung der Haut und weiteren Läsionen. Natürlich steigt damit auch die Infektionsgefahr, schützt eine intakte Haut doch vor eindringenden Erregern.

Keine unbeschwerte Kindheit Schmetterlingskinder haben kein normales Leben, von Geburt an müssen sie quasi in Watte gepackt werden. Nicht nur, dass Berührungen und Traumata schmerzhafte Läsionen auslösen können, auch Sonnenlicht ist gefährlich und kann die Haut zusätzlich schädigen. Wasser fühlt sich an wie Nadelstiche auf der Haut. Eine normale, kindliche Sozialisation ist extrem schwierig, was für Schmetterlingskinder sehr belastend ist, aber auch für die Eltern, die keinen normalen Körperkontakt mit ihren Kindern haben können.

EB ist nicht ansteckend, aber der Anblick der Kinder mit ihren dick verbundenen Händen und Füßen und der zerstörten Haut löst bei vielen Menschen Angst und Abscheu aus – wird man doch an Bilder von Lepra-Opfern erinnert. Kinder und Eltern spüren also zusätzlich zur Beeinträchtigung durch die Krankheit die Ablehnung der Umgebung. Das führt bei vielen Kindern zusätzlich zu starker seelischer Belastung, sodass psychische Folgeschäden nicht selten sind.

Neue Therapiehoffnung Bisher gibt es für betroffene Kinder keine ursächliche Therapie. Man kann lediglich versuchen, zu starke Berührungen und Traumata auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Zudem müssen die verletzten Hautstellen mehrmals täglich desinfiziert und verbunden werden. Die einzige Möglichkeit, Schmetterlingskindern ein neues Leben zu ermöglichen, besteht in der Gentherapie, das heißt dem Ersatz des mutierten Gens durch ein normales. Bereits 2008 gab es dahingehend Vorstöße. So wurden Patienten gentechnisch veränderte Hautstücke transplantiert, wodurch an den behandelten Stellen keine Symptome mehr auftraten. Doch diese Therapien konnten immer nur an kleinen Hautstellen durchgeführt werden – ein Tropfen auf den heißen Stein.

Fast die komplette Haut verpflanzt 2015 schaffte man jedoch einen Durchbruch, der Hoffnung gibt. Ärzte im Bochumer Krankenhaus nahmen einen Siebenjährigen auf, dessen Haut bereits stark zerstört war: Über 60 Prozent der Körperoberfläche hatten überhaupt keine Epidermis mehr, ein weiterer großer Teil war bereits blasig. Die Haut war zudem durch eine bakterielle Infektion großflächig entzündet – eine lebensbedrohliche Situation, denn die ständig benötigten Antibiotika drohten ihre Wirkung zu verlieren. Ähnlich wie bei einem Brandopfer konnte nur noch eine großflächige Hauttransplantation helfen.

In diesem Fall wäre jedoch auch die neue Haut rasch wieder zerstört gewesen. Daher entschied man sich in Zusammenarbeit mit der weltweit ersten EB-Spezialklinik in Salzburg und italienischen Forschern für eine experimentelle Gentherapie. Die Ärzte suchten eine Stelle, die noch keine Blasenbildung aufwies und entnahmen dem Jungen dort vier Quadratzentimeter Haut. Daraus isolierten sie epidermische Stammzellen, also Zellen, aus denen neue Epidermiszellen hervorgehen. In die Stammzellen schleusten sie ein gentechnisch verändertes Retrovirus ein, das die gesunde Variante des defekten Gens trug und es in das Zellgenom einbaute. Hierdurch waren die Zellen nun in der Lage, auch das normale Protein herzustellen.

Aus den genveränderten Stammzellen züchtete das italienische Labor neue Oberhaut, die dem kleinen Patienten nach und nach transplantiert wurde. Der ganze Prozess dauerte über ein Jahr. Danach hatte der Junge 80 Prozent genveränderte, gesunde Haut am Körper – Haut, die bleibt und mitwächst. Im Februar 2016 wurde das Kind entlassen, im März ging er bereits wieder zur Schule – und hatte zum ersten Mal ein kindgerechtes Leben. Er spielt Fußball, konnte sogar in einem Vergnügungspark Gokart fahren. Die Biopsien, die man seither an ihm durchführte, zeigen: Alle Hautzellen weisen das intakte Gen auf. Die transplantierten Stellen sind geheilt. Bis die Gentherapie für alle Betroffenen zugänglich ist, werden noch einige Jahre vergehen. Doch zum ersten Mal gibt es Hoffnung für Schmetterlingskinder und ihre Eltern.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/18 ab Seite 94.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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