Thema | Kopfschmerzen und Migräne
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Die Werbung hat uns darüber aufgeklärt, dass es 37 Arten von Kopfschmerzen gibt, die man selbst behandeln kann. Insgesamt sind es sogar noch sehr viel mehr, nämlich weit über 200. Klassifiziert wurden sie erstmalig 1988 durch die International Headache Society, der Dachvereinigung aller nationalen Kopfschmerzfachgesellschaften. Aktuell gültig ist die zweite überarbeitete Auflage der Internationalen Klassifikation der Kopfschmerzerkrankungen, die ICHD-2.
Hier werden sämtliche Kopfschmerzerkrankungen in drei Kategorien, dort Teile genannt, mit insgesamt 14 Hauptgruppen und zahlreichen Untergruppen klassifiziert. Der erste Teil befasst sich mit primären Kopfschmerzerkrankungen. Das Charakteristische an ihnen ist, dass sich kein Zusammenhang mit einer anderen Erkrankung finden lässt, der als Ursache für die Schmerzen in Frage käme. Sie stellen also ein eigenes Krankheitsbild dar. Unter den primären sind auch zugleich die häufigsten Kopfschmerzerkrankungen zu finden, es sind die verschiedenen Arten der Migräne, des Kopfschmerzes vom Spannungstyp und des Clusterkopfschmerzes.
Daneben zählen hierzu einige weniger bekannte Kopfschmerzarten mit teilweise eindrucksvoll klingenden Namen, wie beispielsweise der primäre Donnerschlagkopfschmerz. Insgesamt machen die primären über 90 Prozent aller Kopfschmerzerkrankungen aus. Im zweiten Teil finden sich die sekundären Kopfschmerzarten. Sie lassen sich im Gegensatz zu den primären auf eine andere Erkrankung zurückführen, auch wenn die Symptome denen eines Spannungskopfschmerzes oder einer Migräne gleichen können.
Hierzu zählen beispielsweise jene Schmerzen, die durch Kopf- oder Halswirbelsäulentraumata oder Gefäßstörungen im Bereich des Kopfes oder des Halses ausgelöst werden oder sich auf eine Infektion zurückführen lassen. Letzteres kennt jeder, der schon mal an einer Sinusitis gelitten hat. Auch Kopfschmerzen, die durch Medikamenten- oder Drogeneinnahme beziehungsweise durch deren Entzug ausgelöst werden, lassen sich hier einordnen. Im dritten Teil werden unter anderem Gesichtsschmerzen sowie Schmerzarten aufgeführt, die nicht in die ersten beiden Teile klassifiziert werden können.
MIGRÄNE IN SCHWANGERSCHAFT UND STILLZEIT
In der Schwangerschaft bessern sich die Symptome oftmals oder die Attacken bleiben vorübergehend ganz aus. Dies berichten etwa 50 Prozent der betroffenen Frauen. Nur eine Minderheit erfährt während der Schwangerschaft eine Verschlechterung. Ausgesprochen selten ist ein Erstauftreten in dieser Zeit. Die Verbesserung tritt in der Regel nach den ersten drei Monaten ein und hält dann die ganze Schwangerschaft über an. Häufig treten dann aber wenige Tage nach der Geburt erneut Anfälle auf. Der plötzlich fallende Estrogenspiegel dürfte die Ursache dafür sein. Der Einfluss des Stillens auf die Migräne ist nicht gut untersucht. Da die jungen Mütter aber vermehrt möglichen Triggerfaktoren wie einem verschobenen Schlaf-Wach-Rhythmus oder veränderten Ernährungsgewohnheiten unterworfen sind, kann auch die Migräne verstärkt auftreten.
Migräne Der Schweregrad, der die Lebensqualität und die Produktivität der betroffenen Menschen stark beeinträchtigt sowie die Häufigkeit, mit dem das Leiden auftritt, machen die Migräne mit Abstand zur bedeutendsten Kopfschmerzerkrankung. Die Weltgesundheitsorganisation WHO zählt sie zu den 20 Erkrankungen, die das tägliche Leben am meisten einschränken. In Deutschland leiden etwa 12 bis 14 Prozent der weiblichen und 6 bis 8 Prozent der männlichen Bevölkerung daran.
Der leichte Vorsprung der Frauen ist vermutlich hormonell bedingt, denn bis zur Pubertät ist der Anteil an Jungen und Mädchen gleich. Die typische Migräne im Erwachsenenalter äußert sich durch periodisch auftretende Attacken von heftigen, pulsierenden oder pochenden Kopfschmerzen und zahlreichen Begleiterscheinungen. In zwei Dritteln der Fälle tritt der Schmerz einseitig auf, worauf auch der Name Migräne hinweist. Das Wort kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet „halber Schädel“.
Der Schmerz kann aber auch beidseitig vorkommen oder während eines Anfalls die Seite wechseln. Bei den meisten Patienten hat die Migräne eine bevorzugte Seite. Ein Anfall dauert mindestens vier Stunden, in der Regel aber nicht länger als drei Tage. Begleitet wird er von Übelkeit, Erbrechen sowie Licht- und Geräuschempfindlichkeit. Körperliche Aktivität verstärkt die Schmerzen, sodass sich die Betroffenen am liebsten in ein abgedunkeltes Zimmer zurückziehen und hinlegen.
Gerade die Kombination aus Schmerz und Übelkeit ist es, die die Migräne so schwer erträglich macht. Die Aura ist ein neurologisches Symptom, unter dem 15 bis 20 Prozent der Migränepatienten leiden und das der Kopfschmerzphase in der Regel vorangeht oder sie begleitet. Laut Definition dauert sie 5 bis 60 Minuten. Gelegentlich werden auch Fälle einer Aura ohne nachfolgende Kopfschmerzen beschrieben. Vor allem jenseits des 50. Lebensjahres bleibt von der Migräne oftmals nur noch die Aura übrig und die Kopfschmerzen bleiben aus.
Charakteristisch dafür sind Wahrnehmungsstörungen, die meist visueller oder sensorischer Art sind. Erstere sind beispielsweise das Sehen gezackter Figuren, Flimmern oder helle Punkte vor den Augen, der Verlust des räumlichen Sehens oder unscharfes Sehen. Von einigen Künstlern, wie zum Beispiel von Vincent van Gogh, weiß man, dass sie an Migräne litten und dass einige ihrer Bilder während einer Aura entstanden sind. Sensibilitätsstörungen, wie Kribbelempfindungen in Armen, Beinen oder dem Gesicht sind Beispiele für sensorische Störungen.
Während einer Aura darf man übrigens nicht selbst Auto fahren. Darauf sollte man Kunden in der Apotheke, die an Migräne mit Aura leiden, hinweisen, denn nicht alle wissen das. Einige Patienten berichten auch über eine Vorbotenphase, die den Kopfschmerz bereits Stunden oder sogar Tage vorher ankündigt. Sie kann sich unter anderem durch Hyper- oder Hypoaktivität, depressive Verstimmung, Gähnanfälle und Heißhunger auf bestimmte Speisen zeigen. Diese können dann fälschlicherweise als Auslöser angesehen werden.
Die Ursache der Vorboten ist noch nicht aufgeklärt, man darf sie auf jeden Fall nicht mit der Aura verwechseln. Kinder sind mit fünf bis sieben Prozent gar nicht so selten von einer Migräne betroffen. Bei ihnen stehen jedoch gastrointestinale Beschwerden und weniger Kopfschmerzen im Vordergrund. Meist sind es episodisch wiederkehrende Attacken mit starker Übelkeit und Erbrechen, die üblicherweise immer nach dem gleichen Schema ablaufen und mit Blässe und Lethargie einhergehen.
Sehr häufig tritt die Migräne während der Pubertät zum ersten Mal auf, der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Völlig aufgeklärt ist der Pathomechanismus des Migräneanfalls bis heute nicht. Es existieren verschiedene Hypothesen. Die vaskuläre beruht auf der Beobachtung, dass die Blutgefäße während eines Migräneanfalls erweitert sind. In den Wänden dieser Blutgefäße sind Dehnungs- und Schmerzrezeptoren, die aktiviert werden, worauf bestimmte Bereiche im Gehirn reagieren.
Klar ist, dass es nicht nur einen Mechanismus der Migräneentstehung gibt. Hier sind viele Faktoren beteiligt. Offensichtlich scheint es auch eine genetische Prädisposition zu geben, denn die Erkrankung tritt familiär gehäuft auf. Die Diagnose Migräne ist nicht immer ganz einfach zu stellen. Es kann sogar sein, dass jemand an Migräne und Spannungskopfschmerz gleichzeitig leidet oder dass sich neben der Migräne ein Kopfschmerz durch Medikamentenübergebrauch entwickelt hat.
Akuttherapie der Migräne Man unterscheidet die Akut- oder Anfallsbehandlung und die Prophylaxe. Da den Patienten in der Regel während einer Attacke gleichzeitig übel ist, sollte die Akuttherapie mit der Bekämpfung der Übelkeit beginnen. Sonst wird das Schmerzmittel eventuell wieder erbrochen und kann nicht wirken. Mittel der Wahl sind die verschreibungspflichtigen Substanzen Metoclopramid und Domperidon.
Bei Kleinkindern und Schwangeren verordnet der Mediziner eher Dimenhydrinat. Etwa zehn Minuten nach der Einnahme kann dann das Schmerzmittel gegeben werden. Falls der Patient trotzdem erbricht, ist die Gabe als Zäpfchen sinnvoll. Der Arzt kann das Medikament in schweren Fällen auch intravenös applizieren. Als Schmerzmittel kommen zunächst die üblichen Analgetika in Frage – Acetylsalicylsäure (ASS), Paracetamol, Ibuprofen und Diclofenac in Monotherapie.
Als sehr wirksam hat sich auch die Kombination von ASS, Paracetamol und Koffein erwiesen. Während der Schwangerschaft hat sich Paracetamol als am wenigsten problematisch gezeigt. Andere nichtsteroidale Analgetika dürfen im ersten und letzten Trimenon ohnehin nicht gegeben werden. Während der Stillzeit ist neben der Gabe von Paracetamol auch Ibuprofen bis 800 Milligramm möglich.
Bei etwa der Hälfte der Betroffenen kann man mit den genannten Analgetika den Migräneanfall durchbrechen, die andere Hälfte benötigt einen anderen Ansatz. Hier kommen die Triptane zum Einsatz. Nach Naratriptan in einer Packungsgröße von zwei Tabletten mit jeweils 2,5 Milligramm, das 2006 aus der Verschreibungspflicht entlassen wurde, ist seit 2011 auch Almotriptan in Form zweier Tabletten in einer Konzentration von 12,5 Milligramm rezeptfrei zu bekommen. Weitere verschreibungspflichtige Triptane sind Sumatriptan, Zolmitriptan, Rizatriptan, Eletriptan und Frovatriptan.
Triptane sind selektive Agonisten an 5-HT1-Rezeptoren. Sie führen zu einer Verengung der bei einem Migräneanfall erweiterten zerebralen Blutgefäße, hemmen die Ausschüttung entzündlicher Peptide und die Ausbreitung des Schmerzreizes über die Hirnrinde. Die verschiedenen Triptane unterscheiden sich vor allem in ihrer Wirkdauer, aber auch in ihrer Wirkstärke und dem Auftreten von Nebenwirkungen. Sie haben keine prophylaktische Wirkung, sondern helfen nur im akuten Anfall. Sie sind indiziert bei Migräne mit und ohne Aura.
Diese lässt sich dadurch allerdings nicht verkürzen. Es wird geraten, das Medikament erst nach dem Abklingen der Aura, aber auf alle Fälle zu Beginn der Kopfschmerzphase zu nehmen. Zu warten, bis sich der Kopfschmerz aufgebaut hat, ist falsch. Auch eine Unterdosierung ist unsinnig. Die Erstdosis muss ausreichend sein. Da ein Migräneanfall länger dauern kann als das Medikament wirkt, ist es aber legitim, dann nachzudosieren. Eine potenziell lebensbedrohliche Wechselwirkung der Triptane ist das Serotoninsyndrom, das bei gleichzeitiger Einnahme von SSRI (Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) auftreten kann.
Ausreichende Erfahrungen über die Anwendung in der Schwangerschaft liegen noch nicht vor, daher sind Triptane für die Anwendung an Schwangeren nicht zugelassen. Allerdings wird in schweren Fällen gelegentlich Sumatriptan, das als erstes auf dem Markt war und über das die meisten Dokumentationen vorliegen, unter strenger Indikationsstellung in der Schwangerschaft verordnet. Auch der Tierversuch ergab keine Hinweise auf ein embryotoxisches oder teratogenes Risiko. Triptane gelten insgesamt als sehr wirkungsvolle und sichere Migränemittel. Etwa 80 Prozent der Migräneanfälle lassen sich damit durchbrechen.
Die meisten Triptane sind dennoch verschreibungspflichtig, weil sie einen medikamenteninduzierten Kopfschmerz im Sinne einer Zunahme der Migräneattackenhäufigkeit auslösen können, wenn man sie zu oft nimmt. Auch sie sollen daher nicht häufiger als an zehn Tagen im Monat genommen werden. Dies ist auch der Grund für die Limitierung der Packungsgröße der rezeptfreien Varianten von Naratriptan und Almotriptan. Die kleine Packungsgröße und der relativ hohe Preis sollen als Warnzeichen aufgefasst werden, die Triptane nicht in großen Mengen einzunehmen.
TRIPTANE IN DER SELBSTMEDIKATION
Wünscht ein Kunde gezielt ein Triptan gegen Migräne, dann muss die erste Frage – nachdem geklärt wurde, für wen das Arzneimittel ist – lauten: Wurde die Migräne bereits vom Arzt diagnostiziert? Wenn nicht, dann dürfen Triptane nicht ohne Rezept abgegeben werden. Sie können aber natürlich ein anderes Analgetikum empfehlen. Triptane sind bei den meisten anderen Arten von Kopfschmerzen nicht wirksam, es besteht dann nur das Risiko von Nebenwirkungen. Die Frage ist tatsächlich von Bedeutung, wenn man bedenkt, dass rund zwei Drittel der von Migräne Betroffenen mit ihren Beschwerden noch gar nicht beim Arzt waren.
Für die Selbstmedikation gilt außerdem eine Altersbeschränkung von 18 bis 65 Jahren.
Kontraindiziert sind Triptane generell bei koronarer Herzkrankheit, Hypertonie und Gefäßerkrankungen sowie in der Selbstmedikation in Schwangerschaft und Stillzeit. Klären Sie das unbedingt, bevor Sie das Triptan abgeben!
Migräneprophylaxe Hiermit soll begonnen werden, wenn die Attacken häufig auftreten – darunter versteht man bereits mehr als drei Attacken im Monat, außerdem bei sehr heftigen Anfällen beziehungsweise bei nicht ausreichendem Ansprechen oder nicht tolerablen Nebenwirkungen der Akuttherapie. Die Prophylaxe umfasst medikamentöse und nicht-medikamentöse Maßnahmen, die die Häufigkeit, die Schwere und die Dauer der Migräneattacken deutlich reduzieren können.
Arzneistoffe zur Migräneprophylaxe der ersten Wahl sind wegen der guten Evidenzlage die Betablocker Metoprolol, Propranolol und Bisoprolol, der Kalziumkanalblocker Flunarizin sowie die Antiepileptika Topiramat und Valproinsäure. Alle diese Substanzen müssen vom Mediziner verordnet werden. Als Arzneistoffe der zweiten Wahl gelten Amitriptylin, Venlafaxin, Gabapentin, Naproxen, ASS, Pestwurz, Magnesium, Vitamin B2 und Koenzym Q10. Da einige der Arzneistoffe deutliche Nebenwirkungen haben, werden sie in kleinen Schritten aufdosiert.
Ihre volle Wirkung entfalten sie aber erst einige Zeit nachdem die volle Tagesdosis erreicht wurde. Hierüber müssen die Betroffenen aufgeklärt werden, denn für eine effektive Prophylaxe ist die regelmäßige Einnahme der Medikamente entscheidend. Ein exakt geführter Kopfschmerzkalender, mit dem man am besten schon etwa einen Monat vor Beginn der Prophylaxebehandlung beginnt, hilft, den Erfolg der Therapie auszuwerten. Seit Herbst 2011 ist zusätzlich das Nervengift Botulinumtoxin A für die Behandlung von chronischer Migräne zugelassen.
Therapiert werden dürfen Erwachsene, die an mindestens 15 Tagen im Monat unter Migräne-Kopfschmerzen leiden und bei denen bisherige Medikamente nicht gewirkt haben. Die Behandlung sollte allerdings nur in spezialisierten Kopfschmerzzentren durchgeführt werden. Zu den nicht-medikamentösen Prophylaxemaßnahmen zählt zunächst die Kontrolle der Auslöse- oder Triggerfaktoren. Häufig hilft ein streng eingehaltener Tagesrhythmus mit ausreichend Schlaf, regelmäßigen Mahlzeiten, der Vermeidung von Stress und wenig Koffein, die Zahl der Attacken zu reduzieren.
Stressbewältigungstraining, aber auch Entspannungsverfahren, wie die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, wirken sich ebenfalls günstig aus. Auch regelmäßiger Ausdauersport mittlerer Intensität ist eine gute Migräneprophylaxe. Geeignete Sportarten sind Nordic-Walking, Joggen, Radfahren und Schwimmen – natürlich nicht während einer Migräneattacke. Da eine sehr intensive sportliche Aktivität auch Migräneanfälle triggern kann, sollte man es mit dem Sport aber nicht übertreiben.
Ungeeignet bei allen Kopfschmerzerkrankungen sind Kraftsportarten, wie Gewichtheben, da sie durch den hohen Druck, der dabei im Körper entsteht, selbst schon Kopfschmerzen auslösen können. Unklar ist, ob Ausdauersport spezifische Effekte hat oder ob das Training einfach eine Art Stressabbau und Entspannung darstellt. Belegt ist nur, dass regelmäßiger Ausdauersport hilft. Auch Akupunktur wird mit Erfolg prophylaktisch eingesetzt. Welche der vorbeugenden Maßnahmen ausgewählt wird, muss individuell entschieden werden.
Die Schwere der Anfälle, der Bedarf und die Verträglichkeit der Analgetika fließen ebenso in die Entscheidung ein wie eventuelle Vorerkrankungen. Da die zur Verfügung stehenden Mittel und Methoden jedoch sehr vielfältig sind, sollte sich eigentlich für jeden Migränepatienten etwas finden lassen. Üblicherweise werden medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapien miteinander kombiniert.
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Kopfschmerzen vom Spannungstyp ist der am häufigsten auftretende primäre Kopfschmerz. Je nach Studie leiden bis zu 78 Prozent mindestens ein Mal in ihrem Leben daran. Gleichzeitig ist dieser Kopfschmerztyp im Vergleich zur Migräne relativ schlecht untersucht. Treffen kann es im Prinzip jeden, Männer wie Frauen, junge wie alte Menschen. Treten die Kopfschmerzen an maximal zwölf Tagen im Jahr auf, spricht man vom sporadisch auftretenden episodischen Kopfschmerz vom Spannungstyp.
Die einzelnen Episoden dauern 30 Minuten bis 7 Tage. Der Schmerz ist meist beidseitig zu spüren, fühlt sich drückend und beengend an und wird als leicht bis mittelschwer beschrieben. Er verstärkt sich nicht durch körperliche Aktivität in normalem Rahmen. Entsprechend melden sich weniger Arbeitnehmer krank als bei der Migräne. Es besteht auch keine begleitende Übelkeit. Licht- und Geräuschempfindlichkeit können jedoch vorhanden sein. Steigert sich der Schmerz auf 15 Tage im Monat oder mehr, dann handelt es sich um einen chronischen Kopfschmerz vom Spannungstyp.
Bis es so weit kommt, ist der Kopfschmerz meist schon viele Jahre sporadisch und im Laufe der Zeit auch häufiger aufgetreten. Vom chronischen Spannungskopfschmerz sind ältere Menschen häufiger betroffen als junge. Die genaue Ursache und auch die pathophysiologischen Vorgänge sind nicht bekannt. Einig ist man sich allerdings darüber, dass es sich um ein multifaktorielles Geschehen handelt. Früher ging man davon aus, dass Verspannungen an der Halswirbelsäule dafür verantwortlich sind – daher auch der Name Spannungskopfschmerz.
Muskelverspannungen sind aber offensichtlich nur eine von vielen möglichen Auslösern. Auch Stress und Überforderung können eine Rolle spielen, denn dies verändert den Hirnstoffwechsel und fördert unter anderem den Abbau von Serotonin. Dadurch sinkt die Schmerzschwelle und das Gehirn reagiert empfindlicher auf Schmerzreize. Im chronischen Stadium kommen die Kopfschmerzen dann auch ohne Anlass, sie haben sich verselbstständigt.
Therapie des Spannungskopfschmerzes Zur Akuttherapie können die gleichen Analgetika wie zur Migränebehandlung verwendet werden. Auch hier gilt die Regel, dass Schmerzmittel nicht häufiger als an zehn Tagen pro Monat genommen werden dürfen. Neben ASS, Paracetamol, Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen hat sich zehnprozentiges Pfefferminzöl in einer alkoholischen Lösung bewährt.
Es wird großflächig auf Stirn und Schläfen aufgetragen. Auch Entspannungsübungen wirken sich günstig auf den Kopfschmerz aus. Triptane wirken beim Spannungskopfschmerz nicht. Ist die Erkrankung chronisch geworden, kann der Arzt trizyklische Antidepressiva, wie Amitriptylin, Doxepin, Imipramin, Nortriptylin und Desipramin verordnen. Dadurch lassen sich die Spannungskopfschmerzen lindern und die Lebensqualität des Geplagten wird verbessert. Auch beim Kopfschmerz vom Spannungstyp hat sich moderater Ausdauersport als Prophylaxe bewährt.
Wichtig ist ebenso, für einen guten Schlaf zu sorgen und Stress möglichst zu vermeiden. Zudem lohnt es sich, die Organisation des Arbeitsplatzes im Büro zu analysieren und gegebenenfalls neu zu gestalten, um Muskelverspannungen durch verkrampftes Sitzen zu vermeiden. Zum Arzt gehen Kopfschmerzpatienten mit ihren Beschwerden eher selten. Gerade wenn die Schmerzen im jugendlichen Alter neu auftreten, sollte aber unbedingt ein Experte konsultiert werden. Zu groß ist die Gefahr, dass der Spannungskopfschmerz chronisch wird und dann nur noch schwierig zu behandeln ist.
Analgetika sollten nicht häufiger als an zehn Tagen im Monat und maximal an drei Tagen hintereinander genommen werden. Anderenfalls kann sich ein analgetikabedinger Kopfschmerz entwickeln.
Clusterkopfschmerz In ihrer Stärke übertreffen diese Kopfschmerzen sogar die schlimmsten Migräneanfälle. Clusterkopfschmerzen zählen zu den stärksten Schmerzsyndromen des Menschen überhaupt. Etwa ein Viertel der Betroffenen berichtet sogar von Selbstmordabsichten während einer solchen Attacke. Zum Glück ist die Erkrankung eher selten. Höchstens ein Promille der Deutschen leidet an den wiederkehrenden Anfällen. Sie beginnen meist um das 30. Lebensjahr herum, können aber auch in jedem anderen Alter auftreten.
Männer und Frauen sind im Verhältnis 3 : 1 betroffen. Die Schmerzen sind in oder über der Augenhöhle oder in der Schläfe und zwar stets einseitig lokalisiert. Eine Attacke dauert zwischen 15 Minuten und 3 Stunden. Die Anfälle kommen in bestimmten Perioden, beispielsweise im Frühjahr und Herbst, gehäuft vor. Die Bezeichnung Cluster (englisch für Gruppe oder Häufung) bezieht sich darauf, dass die Erkrankung periodisch gehäuft auftritt, während sich dann für einige Monate oder sogar Jahre beschwerdefreie Intervalle anschließen können.
In einer aktiven Clusterperiode, die in der Regel vier bis zwölf Wochen dauert, kommt es immer wieder zu heftigen Attacken – manchmal nur jeden zweiten Tag, in schweren Fällen aber auch bis zu acht Mal am Tag. Die Schmerzen beginnen immer wieder zur gleichen Uhrzeit, vorwiegend nachts zwischen ein und drei Uhr oder am frühen Nachmittag. Viele Betroffene können quasi die Uhr danach stellen. Manchmal kündigt sich die Attacke vorher durch ein Brennen oder Kribbeln auf einer Gesichtsseite an, meistens werden die Erkrankten jedoch wie aus heiterem Himmel davon überfallen.
Gleichzeitig tritt mindestens eines der folgenden Begleitsymptome auf: Das Auge tränt auf der betroffenen Seite. Es ist stark gerötet und das Lid fällt nach unten. Auf der schmerzenden Seite ist die Nase entweder verstopft oder sie läuft. Auf Stirn und Gesicht bricht Schweiß aus, manchmal stellen sich auch Übelkeit und Schwindel ein. Nur in Einzelfällen kommt es zu Licht- und Geräuschempfindlichkeit. Während sich ein Migränepatient in einen abgedunkelten Raum zurückzieht, laufen Menschen mit Clusterkopfschmerzen unruhig im Raum umher und suchen die Bewegung. Die Pathophysiologie ist noch nicht abschließend geklärt.
Vermutlich werden die Schmerzen durch Stimulation parasympathischer und trigeminaler Kerngebiete initiiert. Die einzelnen Anfälle werden teilweise durch Dinge ausgelöst, die ansonsten problemlos vertragen werden. So weiß man, dass während einer Clusterperiode Alkohol eine Rolle spielen kann. Menschen, die unter derart heftigen Kopfschmerzen leiden, müssen auf jeden Fall einen Arzt aufsuchen. Ohne adäquate Behandlung ist diese Erkrankung fast nicht zu ertragen. Da der Clusterkopfschmerz vielen gar nicht bekannt ist, halten sie es für Migräne.
Allerdings gibt es eine Reihe von Unterscheidungskriterien, beispielsweise die Unruhe und das tränende Auge während des Anfalls, die dem Arzt rasch zur richtigen Diagnose verhelfen. Man unterscheidet auch eine episodische und eine chronische Form. Während die Perioden beim episodischen Clusterkopfschmerz stets von schmerzfreien Zeiten, die mindestens einen Monat lang dauern, unterbrochen werden, gibt es bei der chronischen Form gar keine Unterbrechung oder sie hält kürzer als einen Monat an.
MEDIKAMENTÖS INDUZIERTER KOPFSCHMERZ
Kopfschmerzen können ein eigenständiges Krankheitsbild darstellen, Symptom einer anderen Erkrankung sein, aber auch als Nebenwirkung einer Arzneimitteltherapie auftreten. Ein ganz besonderer Fall ist der Übergebrauch von Analgetika, denn hier werden die Kopfschmerzen verursachenden Medikamente ja gerade genommen, um den zuvor bestehenden Kopfschmerz zu behandeln. Arzneistoffe, die relativ häufig zu Kopfschmerzen als Nebenwirkung führen sind: Betablocker, Dipyridamol, das Antiepileptikum Felbamat, die 5-HT3-Antagonisten Ondansetron, Granisetron und Tropisedron, die zur Behandlung von Übelkeit im Rahmen einer Chemotherapie oder postoperativ eigesetzt werden, Immunglobuline, Immunsuppressiva wie Cyclosporin und Tacrolimus, Interferone, Kalziumantagonisten, Nitroglyzerin und andere Nitrate, Phosphodiesterasehemmer, wie Sildenafil, Protonenpumpenhemmer, Xanthinderivate und Zytostatika.
Therapie des Clusterkopfschmerzes Gegen die Attacken helfen keine der üblichen Schmerzmittel. Selbst Opioide kommen dagegen nicht an. Triptane sind prinzipiell wirksam, oral genommen entfalten sie ihre Wirkung aber zu spät. Sumatriptan kann entweder subkutan gespritzt oder als Nasenspray genommen werden, Zolmitriptan als Nasenspray. Unter die Haut gespritzt entfaltet Sumatriptan seine Wirkung am schnellsten. Über die Nasenschleimhaut tritt die Wirkung innerhalb von 15 Minuten ein.
Fast drei Viertel der Patienten werden durch die Triptane schmerzfrei. Der Arzt kann Betroffene auch reinen Sauerstoff inhalieren lassen. Dies hilft ebenfalls innerhalb von 15 Minuten, die Attacke zu durchbrechen und den Schmerz zu lindern oder sogar völlig zu unterbinden. Durch die Anreicherung des Blutes mit dem Sauerstoff werden vermutlich die Gefäße im Gehirn verengt. Wichtig ist dabei, die Therapie sofort nach Einsetzen der Schmerzen zu beginnen, sonst kann keine volle Wirkung mehr erreicht werden.
Es gibt spezielle Flaschen mit Sauerstoff samt Atemmaske, die für zu Hause gedacht sind sowie kleinere Geräte für unterwegs. Der Sauerstoff darf keinesfalls länger als 30 Minuten inhaliert werden, sonst sind Schädigungen an der Lunge möglich. Zur Prophylaxe werden Verapamil in einer Retardformulierung und Glukokortikoide eingesetzt. Wird Verapamil regelmäßig genommen, kann es bei zwei Dritteln der Betroffenen die Schmerzanfälle verhindern. Wenn nicht, ist Kortison eine Alternative.
Allerdings müssen dabei über lange Zeit hohe Dosen gegeben werden – mit dem Risiko der typischen Nebenwirkungen. Lithium und Topiramat sind prinzipiell besser verträglich, zählen aber nicht zu den Mitteln der ersten Wahl, da ihre Wirkung weniger zuverlässig ist. Die Entspannungsmethoden, die bei Migräne und Spannungskopfschmerz gute Erfolge erzielen, sind beim Clusterkopfschmerz wirkungslos, ebenso Akupunktur. Wichtig ist, dass Clusterpatienten akzeptieren, auf Medikamente angewiesen zu sein.
Sie müssen gut eingestellt sein und sollten auch möglichst genau über ihr Leiden informiert werden. Falls Sie in die Situation kommen sollten, einen von Clusterkopfschmerz betroffenen Kunden zu beraten, empfehlen Sie ihm auch, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen. Hier kann er Informationen aus erster Hand erhalten.
Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER SCHULE 2017 ab Seite 18.
„Schmerz lass‘ nach!”