Ernährung als Medizin
SCHLEMMEN BIS DIE GICHT KOMMT
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Gicht tritt gehäuft bei Patienten mit dem Metabolischen Syndrom auf, welches im Volksmund auch als „Wohlstandssyndrom“ bekannt ist. In Wohlstandsgebieten kann mit einer Erkrankungshäufigkeit von mehr als drei Prozent gerechnet werden, wobei zu 95 Prozent Männer, meist zwischen 40 und 60 Jahren, betroffen sind. Nach aktuellen Erkenntnissen scheint das Hormon Estrogen einen präventiven Effekt zu haben, denn die Erkrankungsrate nimmt bei Frauen in der Postmenopause signifikant zu.
„Zipperlein“ mit schmerzhaften Folgen Das was früher darunter im Volksmund bezeichnet wurde, ist eine Störung des Purinstoffwechsels, der zu einem dauerhaft erhöhten Harnsäurespiegel im Blut Harnsäure pro 100 Milliliter (ml) Blutplasma) führt. Können die Nieren diese nicht mehr ausscheiden, kommt es zu Ablagerungen scharfer und kantiger Salzkristalle in Gelenken sowie Knorpel, Knochen, Schleimbeuteln, Sehnenscheiden und in der Niere.
Bei einem akuten Gichtanfall schwellen die Gelenke an und es bilden sich Hautrötungen. In den meisten Fällen ist das Großzehengrundgelenk betroffen, was auch als Fußgicht oder Podagra bezeichnet wird. Auch an den Sprung- und Fingergelenken können die Ablagerungen Schmerzen verursachen und ausstrahlen. Begleitende Symptome wie allgemeines Krankheitsgefühl, Fieber, erhöhter Puls, Kopfschmerzen und Erbrechen sind dabei keine Seltenheit.
Derartige Anfälle dauern meist drei Tage an, gefolgt von längeren symptomfreien Intervallen. Diese werden jedoch im Verlauf dieser chronischen Krankheit zunehmend kürzer. Unbehandelt lagern sich immer mehr Kristalle im Nierenmark ab (Gichtniere).
Hauptauslöser Neben dem Alter, Geschlecht und wenigen anderen Faktoren ist vor allem das Ess- und Trinkverhalten Hauptauslöser der Krankheit, denn: Ein zu hoher Konsum an Alkohol und purinreichen Lebensmitteln treibt die Harnsäurewerte in die Höhe. Nicht nur zur Weihnachts- und Osterzeit häufen sich die Fälle von Gichtgeplagten in den Arztpraxen, auch die Biergarten- und Grillsaison stellt ein erhöhtes Risiko für Betroffene dar. Die beste Gichtvorbeugung: Vermeidung von extremen Exzessen mit viel Fett und Alkohol sowie anschließenden Radikaldiäten.
Oberstes Gebot Neben der eventuell notwendigen medikamentösen Gichtbehandlung empfehlen Ärzte und Ernährungsmediziner eine möglichst „purinarme Ernährung“. Der Betroffene soll dafür die Zufuhr von Harnsäure auf etwa 400 bis 500 mg pro Tag (3000 mg pro Woche) reduzieren. Um diesen Wert nicht zu überschreiten, sollten höchstens ein Mal am Tag 100 Gramm (g) Fleisch, Wurst oder Fisch verzehrt werden.
Sanft das Gewicht reduzieren
Die Normalisierung des Körpergewichtes (BMI < 25) ist weiterer sinnvoller Baustein zur Senkung des Gichtrisikos. Jedoch ist von allzu radikalen Fastenkuren und Crashdiäten abzuraten, da diese sich auch negativ auf den Harnsäurepool auswirken. Bei einem starken Verlust von Körpersubstanz werden vermehrt Ketonkörper gebildet, welche die Ausscheidung der Harnsäure über die Niere hemmen. Somit ist eine kontinuierliche, aber langsame Gewichtsreduktion anzustreben, damit der Harnsäureabbau nicht beeinträchtigt wird. Dieses Ziel erreicht man am besten durch eine langfristige Ernährungsumstellung plus Bewegung. Die tägliche Fettaufnahme sollte 70 Gramm somit nicht übersteigen und insgesamt bei maximal 30 Energieprozent liegen.
Zur „Purinfalle“ werden vor allem die fetten Wurst- und Fleischsorten wie Schweineschwarte sowie Innereien, Rinderfilet, Schweineschnitzel und die Haut von Geflügel (z. B. Brathähnchen). Unter den Fischsorten sind besonders die purinreichen Sprotten, Hering, Ölsardinen, Sardellen, Meeresfrüchte und Krustentiere zu meiden. Eine Umstellung auf Proteine aus Milch, Milchprodukten und Eier ist sehr empfehlenswert, denn diese Quellen sind nicht nur purinfrei beziehungsweise sehr purinarm, sie fördern sogar die Harnsäureausscheidung über die Niere.
»Die beste Gichtvorbeugung: Vermeidung von viel Fett und Alkohol sowie von radikalen Fastenkuren.«
Auch einige pflanzliche Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Kohl und Spinat sind purinreich. Diese sollten zwar wegen ihrer ansonsten positiven Eigenschaften nicht komplett gemieden werden. Ein wohldosierter Einsatz ist jedoch von Nöten, damit es nicht zu schmerzhaften Nebenwirkungen kommt. So sollten beispielsweise im Eintopf nicht Hülsenfrüchte und Fleisch/Wurst kombiniert werden. In einigen Fällen kann sogar eine „streng purinarme Ernährung“ angezeigt sein, beispielsweise, wenn der Patient die harnsäuresenkenden Medikamente nicht verträgt. Dafür schraubt er seine Zufuhr auf 2100 mg pro Woche herunter – aufgeteilt auf ein bis zwei Portionen pro Woche.
Viel trinken, aber keinen Alkohol Ein weiteres Ziel ist es, den Konsum auf ein Glas Wein oder Bier pro Tag einzuschränken. Bei Letzterem ist neben den Auswirkungen des Alkohols auf den Harnsäurespiegel auch der an sich schon hohe Puringehalt zu berücksichtigen (15 mg/100 ml). Alkoholfreies Bier enthält etwa die gleiche Menge Purine. Wein hingegen ist purinfrei und wirkt sich nur über seinen vergleichsweise hohen Alkoholgehalt negativ aus. Bei einer streng purinarmen Lebensweise stehen alkoholische Getränke komplett auf der Tabuliste.
Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr von mindestens zwei Litern pro Tag ist grundsätzlich für alle Menschen sehr wichtig, bei einer Neigung zu Harnsäuresteinen kommt dem Trinken jedoch noch ein medizinischer Aspekt zu: Nur wer seinen Harn ausreichend verdünnt, der kann die Bildung neuer Steine in Schach halten. Basis sollte Mineralwasser sein. Wer ein solches mit hohem Hydrogencarbonatgehalt wählt (HCO3-Gehalt > 1300 mg/l), der nutzt auch noch dessen natürlich puffernden und somit steinpräventiven Effekt. Durch Schorlen, Tees und antialkoholische Cocktails kann auch hier Abwechslung hineingebracht werden.
Nach neuesten Erkenntnissen treibt auch ein Zuviel an Softdrinks und reinen Fruchtsäften die Harnsäurewerte durch die enthaltene Fruktose oder mit Fruktose angereichertem Maisstärkesirup nach oben. Da Fruchtsäfte zum Beispiel in Form von Schorlen jedoch auch die Mischkost sinnvoll bereichern, ist lediglich auf eine moderate Dosis zu achten. Softdrinks links liegen zu lassen, hat dagegen sicher auch viele weitere gesundheitliche Vorteile.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/13 ab Seite 66.
Andrea Pütz, Dipl. Oecotrophologin