Eibisch © LianeM / iStock / Getty Images
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Heilpflanzen

SCHLEIM WIRKT

Früher wurden aus den Kohlenhydraten der Eibischwurzel Süßigkeiten hergestellt. Heute weiß man, dass die Schleimdroge den Rachen schützt und Reizhusten lindert. Die Wirkung ist mit Codein vergleichbar, doch der Effekt ist lokal begrenzt.

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Marshmallow – was wir als schaumige Süßigkeit kennen, bedeutet übersetzt wortwörtlich: Sumpfmalve. Die typisch amerikanischen Marshmallows gehen auf eine Erfindung französischer Zuckerbäcker zurück: pâte de guimauve – Schaumzucker aus Eibisch. Für die Herstellung war tatsächlich die Sumpfmalve nötig, Althaea officinalis. Die krautige, dichtbehaarte Pflanze stammt aus der Familie der Malvaceae und ist mit der Baumwolle und der Stockrose verwandt. Alle Blüten weisen die typischen fünfzähligen, rosafarbenen Kronblätter auf, die um eine Säule aus verwachsenen Stempeln und Staubblättern gruppiert sind. Althaea steht unter Naturschutz, sodass die Pflanzen im Kulturanbau gewonnen werden.

Blüten und Blätter erntet man im Juli und August. Von Oktober bis November sind dann die Wurzeln erntebereit, denn im Herbst ist der Schleimgehalt am höchsten. Und wirklich, die zu den Schleimdrogen gehörenden Wurzeln enthalten 10 bis15 Prozent Schleim, darunter hauptsächlich Galacturonorhamnan und Arabinogalactan. Enthalten sind außerdem jeweils zehn Prozent Saccharose und Pektin und ein Drittel Stärke. Gering konzentriert sind Asparagin, Betain, Lecithin, Eiweiße, Enzyme, Phosphate, Gerbstoffe und Öl. Verwendet wird Althaea radix getrocknet, ungeschält oder geschält, ganz oder zerschnitten.

Schutzschicht im Rachen Die vielfältigen Inhaltsstoffe wirken reizmildernd und entzündungshemmend und bilden eine schützende Schicht im Rachenbereich. Dadurch verbessert sich die Barrierefunktion des Schleimhautepithels und die mukoziliäre Aktivität wird gehemmt. Eibisch steigert auch die Phagozytose, so die Angaben in der Monographie der Kommission E. Entsprechend verwendet man Aufgüsse als Mucilaginosa bei Schleimhautentzündungen im Mund- und Rachenraum und bei Reizhusten. Die Tagesdosis als Infus beträgt sechs Gramm Droge, als Sirup liegt die Einzeldosis bei zehn Gramm. Während synthetische Antitussiva durch zentrale Hemmung des Hustenreflexes wirken, überziehen Schleimdrogen die entzündeten Atemwege mit einer Schutzschicht.

Neben Eibisch wirken auch isländisch Moos, Malvenblüten oder die Blüten der Königskerze durch ihren Schleim hustenreizlindernd. In einer Studie wurde deutlich, dass die Polysaccharide des Eibisch den Hustenreflex dosisabhängig hemmen. Unter Entzündungsbedingungen zeigte sich, dass die antitussive Aktivität von Codein mit höheren Dosen von Galacturonorhamnan vergleichbar ist. Eine vorausgegangene Untersuchung hatte ergeben, dass die Wirkungsweise von Eibisch womöglich mit der Funktion des 5-HT2-Serotonin-Rezeptors zusammenhängt. Dieser Rezeptor ist typisch für die glatte Muskulatur der Lunge und bewirkt dort eine Kontraktion.

Schleimstoffe schirmen die Hustenrezeptoren im Rachen für eine gewisse Zeit ab. Wichtig ist daher, dass sie in einer geeigneten Darreichungsform angeboten werden, beispielsweise als Saft. Tipp für Ihr Beratungsgespräch: Hustensaft auf Basis von Schleimstoffen möglichst lange im Mund lassen und nicht sofort herunterschlucken.

Besondere Zubereitung Schleimstoffe zersetzen sich, wenn sie zu stark erwärmt werden. So muss Altaeae radix immer in kaltem Wasser angesetzt werden. Dazu übergießt man zwei Teelöffel der fein zerschnittenen Wurzeldroge mit einem viertel Liter kaltem Wasser und lässt den Ansatz mindestens eine halbe Stunde stehen, dabei häufig umrühren. Dann abseihen und auf Trinktemperatur erwärmen. Eibischwurzel wird auch als Sirup zubereitet, von dem man mehrmals täglich ein bis zwei Teelöffel einnimmt, oft gemeinsam mit Fenchelhonig und Spitzwegerichsirup. Von der Eibisch-Tinktur werden dreimal täglich 20 bis 30 Tropfen empfohlen. Die Europäische Zulassungsbehörde befürwortet die Anwendung aufgrund des traditionellen Einsatzes von Eibisch.

Die Effektivität wird als plausibel eingeschätzt, da die Wurzeln seit über 30 Jahren sicher verwendet werden, davon mindestens 15 Jahre in der Europäischen Union. Geeignet ist Eibischwurzel zur Linderung von Rachenirritationen und Reizhusten bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern ab drei Jahren. Eine Interaktion ist allerdings zu beachten: Eibisch sollte nicht gleichzeitig mit anderen Medikamenten eingenommen werden, da die Schleimstoffe die Resorption verzögern. Diabetiker müssen den Zuckergehalt berücksichtigen. Auch bei leichten Magen-Darm-Beschwerden ist Altaeae radix wirksam. Die Wurzel kann gemäß der Europäischen Zulassungsbehörde bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren eingesetzt werden.

Das Mazerat wird auch für Spülungen entzündeter Hautausschläge verwendet. Die äußerliche Anwendung hat vermutlich eine lange Tradition, wenn man alten Geschichten Glauben schenkt: Der Legende nach sollen die Priesterinnen des Apollo-Tempels auf dem Palatin in Rom ihre Fußsohlen mit Eibischsalbe bestrichen haben, bevor sie über glühende Kohlen liefen. Auf jeden Fall besitzt die Heilpflanze, die möglicherweise schon in der Antike verwendet wurde, schützende Wirkungen.

Den Artikel finden Sie auch in unserem Sonderheft „Phytotherapie und alternative Heilmethoden“ ab Seite 54.

Dr. rer. nat. Christine Reinecke, Diplom-Biologin

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