Seuchen der Welt
'SCHLECHTE-LUFT-KRANKHEIT'
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Das Sumpffieber oder auch Wechselfieber ist uns als eine von einzelligen Parasiten der Klasse Plasmodium ausgelöste, lebensbedrohliche Tropenkrankheit bekannt. Von einem Menschen auf den anderen wird sie durch den Stich der Plasmodien-tragenden weiblichen Anopheles-Mücke übertragen. Rund 300 bis 500 Millionen Personen sind weltweit betroffen, noch immer sterben jedes Jahr etwa ein- bis zwei Millionen Menschen an Malaria, vielfach Kinder.
Der Erreger – die Symptome Sticht eine weibliche Mücke, die Plasmodien in sich trägt, einen Menschen, gelangen die Parasiten ins Blut. Sie nisten sich in Leberzellen ein und verwandeln sich in eine neue Form, die in die roten Blutkörperchen eindringt. Alle 48 oder 72 Stunden – je nach Art – durchlaufen die Parasiten dann einen Vermehrungszyklus in den roten Blutkörperchen. Diese platzen und setzen die Parasiten frei.
Dabei kommt es zu für die Malaria typischen Fieberschüben (hohes, wiederkehrendes bis periodisches Fieber), Schüttelfrost mit Ausbrüchen von kaltem und heißem Schweiß, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden und Krämpfen. Die Sterblichkeitsrate unter nicht behandelten Kindern und nicht immunen Erwachsenen liegt bei zehn bis vierzig Prozent. Unter den Plasmodienarten ist Plasmodium falciparum der klinisch bedeutsamste und bedrohlichste Erreger.
Die ersten Epidemien Schon sehr lange verbreitet die Krankheit ihren Schrecken: Die frühesten Berichte von Malariaepidemien stammen von den alten Ägyptern. In zwei Mumien aus Theben, die circa 3500 Jahre alt sind, haben Münchener Pathologen die bis heute ältesten DNS-Funde (Plasmodien-DNS in Knochen) entdeckt.
Auch das 2700 v. Chr. entstandene Standardwerk der traditionellen chinesischen Medizin „Nei Ching“ enthält eine Krankheitsbeschreibung, die wohl Malaria betrifft. Die Chinesen hatten sogar schon ein Gegenmittel. Sie nutzten die Pflanze „Artemisia annua“, einjährigen Beifuß, aus dem Forscher in der Neuzeit tatsächlich ein wirksames Anti-Malaria-Mittel isolieren konnten: das Artemisinin.
Überblick
In unserer Serie „Seuchen der Welt“ stellen wir Ihnen in den nächsten Ausgaben folgende Themen vor:
+ Pocken
+ Masern
+ Polio
+ Grippe
+ AIDS
+ SARS
In der Vergangenheit war die Krankheit weltweit verbreiteter als heute. In der Antike bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war sie rund um das Mittelmeer heimisch. Einer der berühmtesten Ärzte des Altertums, Hippokrates von Kos (460 bis 370 v. Chr.), beschrieb die Symptome sehr genau, klassifizierte auch die unterschiedlichen Fieberschübe. Da er erkannte, dass Menschen aus Sumpfgebieten besonders häufig erkrankten, vermutete er allerdings, das Trinken von abgestandenem Sumpfwasser bringe die Körpersäfte in ein Ungleichgewicht (Hippokratische Humoralpathologie, Körper-Säfte-Lehre).
Auch das Römische Reich, so auch das Gebiet um die Pontinischen Sümpfe südöstlich von Rom oder die Poebene, wurde regelmäßig von schweren Malariaepidemien heimgesucht. Es gibt sogar Historiker, die behaupten, die Malaria sei für den Untergang des Römischen Reiches mit verantwortlich gewesen. Eroberer fielen allerdings auch häufig der Krankheit zum Opfer: So ist erwiesen, dass der Westgotenkönig Alarich I. nach der Plünderung Roms 410 n. Chr. und auch der Ostgotenkönig Theoderich der Große in Ravenna 526 n. Chr. an Malaria starben.
Mittelalter bis heute Auch in Mitteleuropa verbreitete sich die Malaria. Noch im 18. Jahrhundert waren einige Gebiete Hollands verseucht. Und auch in Deutschland und England (Sümpfe von Kent und Essex) kam es zu vereinzelten Epidemien. Bekannte europäische Patienten waren beispielsweise Albrecht Dürer, Oliver Cromwell oder Friedrich Schiller. Da die Krankheit sich vor allem in der Nähe fauliger, stehender Sümpfe verbreitete, bestand lange die Vorstellung, das „Wechselfieber“ Malaria (lateinisch: Schlechte Luft) würde von aus den Gewässern aufsteigenden Dämpfen ausgelöst. Die Rolle der Mücke und ihres Parasiten wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts enträtselt.
Nach Süd- und Nordamerika kam die Malaria wohl erst durch die europäischen Siedler im 16. Jahrhundert. Und der organisierte Sklavenhandel aus Afrika schleppte wohl insbesondere den gefährlichen Parasit Plasmodium falciparum in die Neue Welt ein.
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Die Bekämpfung
Aus Südamerika, genauer von peruanischen Indianern, stammt allerdings das erste wirksame Mittel zur Behandlung der Malaria: die Rinde des Chinarindenbaums. Von Jesuiten 1630 nach Europa gebracht, konnten die meisten Ärzte allerdings mit dem „Jesuitenpulver“ genannten fremdartigen Medikament nichts anfangen. Erst als das Interesse der Wirtschaft nach einem wirksamen Mittel gegen Malaria geweckt worden war, wurde die Chinarinde und das aus ihr gewonnene Alkaloid Chinin (1820) so wertvoll wie Gold. Zahlreiche andere Kampagnen zur Mücken- und Parasitenbekämpfung – außer das konsequente Nutzen von Moskitonetzen – blieben weitgehend erfolglos.
In den 1930er und 40er-Jahren wurden eine Reihe neuer synthetischer Medikamente gegen die Malaria entwickelt, darunter Artebrin und Chloroquin. Erst die Trockenlegung von Sumpfgebieten und der systematische Insektizid-Einsatz (DDT) konnte die Malaria in den 1960er Jahren in Europa weitgehend ausrotten. Das weltweite Malaria Ausrottungsprogramm der Weltgesundheitsorganisation (WHO) scheiterte jedoch in vielen Ländern Asiens, Süd- und Mittelamerikas sowie in Afrika. DDT-resistente Anopheles-Mücken, Chloroquin-resistente Plasmodien sowie ein anderweitiger Einsatz der bereitgestellten Gelder und Mittel in vielen Ländern, trugen dazu bei.
Noch immer stellt die Malaria eine der größten Gesundheitsprobleme weltweit dar. Heute kartieren Wissenschaftler die Malaria-Risikogebiete, um ein möglichst genaues Bild von der geographischen Verbreitung zu gewinnen. Die medikamentöse Behandlung erfolgt je nach Malariaart unterschiedlich, häufig mit Chloroquin, Mefloquin, Primaquin, Lumefantrin, Sulfadoxin-Pyrimethamin und Kombinationspräparaten mit Atovaquon, Proguanil und Artemisinin (Artemisia-Abkömmlinge), bei Schädigung des Nervensystems (zerebrale Malaria) auch mit Chinin und Doxyzyklin. Impfstoffe gegen Malaria werden zwar entwickelt und getestet, aber bisher noch in keiner großen Menge produziert.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/13 ab Seite 50.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin