Wissen intensiv – Teil 1
RICHTIGES WÄGEN – JUSTIEREN, KALIBRIEREN, EICHUNG
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Zu den wichtigsten Arbeitsmitteln in der Apotheke zählt die Waage. Täglich wird sie bei der Herstellung von Rezepturarzneimitteln für das korrekte Abwiegen der verordneten Wirk- und Hilfsstoffe benötigt. Werden jedoch die seitens der Waagenhersteller gemachten Vorgaben zum Umgang mit der Waage nicht beachtet, kann es in der Folge leicht zu Fehlern kommen, die zur Herstellung qualitativ minderwertiger Arzneimittel führen.
Daher müssen insbesondere bei der Einwaage von Rezepturbestandteilen aber auch bei anderen Wägevorgängen, wie beim Abfassen von Rohstoffen oder Teedrogen für einen Kunden oder bei der Einwaage von Chemikalien im Rahmen der Prüfung von Ausgangsstoffen, die Besonderheiten der zum Einsatz kommenden Waage beachtet werden. Die Fehleranfälligkeit des Wägevorgangs zeigt sich regelmäßig bei der Auswertung der bundesweiten Ringversuche des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker zur Qualitätssicherung von in Apotheken hergestellten Rezepturen.
Häufig sind Unter- oder Überdosierungen der Wirkstoffe auf ein nicht korrektes Arbeiten mit der Waage zurückzuführen. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass sich jeder Waagenbenutzer mit den individuellen Eigenschaften der von ihm verwendeten Waage vertraut macht.
Waagen Gemäß ihrer Definition ist eine Waage ein Messgerät zur Bestimmung der Masse eines Körpers auf der Grundlage der auf diesen Körper wirkenden Schwerkraft. Dabei wird entweder die Masse direkt bestimmt oder mit der Gewichtskraft einer anderen bekannten Masse verglichen. Grundsätzlich können zwei Typen unterschieden werden – mechanische und elektronische Waagen.
Mechanische Waagen Sie bedienen sich der beiden oben genannten Arbeitsprinzipien, also der direkten Gewichtskraftmessung oder dem Massenvergleich. Die direkte Gewichtskraftmessung erfolgt in ihrer einfachsten Form mithilfe einer Feder. Bei dieser so genannten Federwaage wird das Wiegeobjekt an eine Schraubenfeder gehängt und die Verlängerung gemessen. Je schwerer die Masse desto größer die Ausdehnung der Feder. Über einen Zwischenschritt kann dann die Masse des Körpers auf der Messskala angezeigt werden.
Neben der Federwaage gibt es weitere Messprinzipien, die ebenfalls auf einer Verformungsmessung basieren. Allen gemeinsam jedoch ist, dass die Waagen auf ihren Standort hin justiert werden müssen. Würde der Ortsfaktor nicht berücksichtigt, besäße derselbe Körper bei Wägung mit derselben Waage abhängig von deren Standort eine unterschiedliche Masse. Innerhalb Europas ist dieser Unterschied jedoch nur gering, sodass der Ortsfaktor kaum Auswirkung auf das Messergebnis hat. Waagen, die das Prinzip der Direktmessung verwenden, kommen als Küchen-, Personen-, Baby-, Brief-, aber auch als Präzisionswaagen für Labore zum Einsatz.
Das zweite Messprinzip, nach dem mechanische Waagen arbeiten, ist das des Massenvergleichs. Hierbei wird das Gewicht eines Körpers durch den Vergleich mit Standardgewichten bestimmt. Ihr Vorteil ist, dass sie nicht auf die unterschied lichen örtlichen Bedingungen eingestellt werden müssen. Das bekannteste Beispiel hierfür ist die Balkenwaage.
Elektronische Waagen Heutzutage sind mechanische Waagen weitgehend durch elektronische ersetzt, da sie viele Vorteile besitzen. Aufgrund ihres Gehäuses sind elektronische Waagen in der Regel robuster und weniger stark den sie umgebenden Luftbewegungen ausgesetzt. Demzufolge arbeiten sie meist genauer, sind zudem schneller ablesbar und häufig preiswerter.
Elektronische Waagen können die Gewichtskraft nicht direkt messen. Vielmehr muss diese umgeformt werden, zum Beispiel in eine Verformung einer Feder. Die Stärke der Verformung der Feder wird dann wiederum von einem Dehnungsmessstreifen aufgenommen, der schon bei geringen Verformungen seinen elektrischen Widerstand ändert. Die meisten der heute in Apotheken zum Einsatz kommenden Waagen sind elektronisch. In Apotheken verwendete Analysen- oder Feinwaagen (Klasse I), die nach diesem Prinzip arbeiten, ermöglichen Substanzmengen auf bis zu ± 0,1 Milligramm (mg) genau einzuwiegen.
Um letztlich jedoch eine so minimale Abweichung von der angestrebten tatsächlichen Solleinwaage auch erreichen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Neben der Beachtung der Angaben auf dem Kennzeichnungsschild – dies soll im zweiten Beitrag dieser Reihe näher beschrieben werden – müssen die Waagen justiert sein sowie regelmäßig kalibriert und geeicht werden.
Justieren Unter einer Justierung versteht man das möglichst exakte Einstellen der Messgröße eines Messgerätes auf die Umgebungsbedingungen durch einen fachmännischen Eingriff. Ziel ist es die Abweichung zwischen dem angezeigten und dem wahren Messwert, wie sie beispielsweise bei der Kalibrierung festgestellt werden kann, möglichst zu beseitigen. Ein Spezialfall der Justierung ist das Nivellieren der Libelle, also das bekannte Ausbalancieren der Waage durch ein Drehen an den Stellfüßen, bis sich die Luftblase der Libelle vergleichbar einer Wasserwaage in der Mitte befindet.
Ist die Nivellierung der Libelle abgeschlossen, schließt sich die Justierung im eigentlichen Sinne an, die ent weder durch Auflegen eines externen Prüfgewichtes oder durch eine interne Justierautomatik erfolgen kann. Die interne Justierung mit einem internen motorisierten Justiergewicht kann manuell gestartet werden oder sie wird durch eine so genannte Auto-Cal Funktion aktiviert. Bei vielen elektronischen Waagen, gerade bei älteren Modellen, erscheint während des internen Justiervorgangs die irreführende Anzeige „Cal“ (Calibrate) im Display, was fachlich gesehen nicht korrekt ist.
Für die externe Justierung sind Prüfgewichte definierter Masse zu verwenden, die in Abhängigkeit von der Ablesbarkeit sowie der Eichklasse der Waage ausgewählt werden müssen. Die Prüfgewichte sind gemäß den Festlegungen der Organisation Internationale de Métrologie Légale (OIML) in unterschiedliche Fehlergrenzenklassen eingeteilt, die einer tabellarischen Übersicht entnommen werden können. Eine Waage kann nur so genau sein, wie das Prüfgewicht, mit dem sie eingestellt wurde.
Eine Justierung ist notwendig bei der Veränderung von Umgebungsbedingungen wie Temperatur, Ort, etc. In der Praxis bedeutet dies, dass eine Waagenjustierung erfolgen muss, sobald der Standort der Waage verändert wurde (z. B. auch nach einem Verrutschen oder Anstoßen beim Reinigen der Arbeitsfläche), wenn eine Nivellierung der Libelle durchgeführt wurde oder sich die Raumtemperatur geändert hat. Die interne Justierung sollte aber mindestens ein Mal arbeitstäglich erfolgen; bei Temperaturschwankungen auch mehrmals täglich.
Kalibrieren Im Unterschied zum Justieren erfolgt beim Kalibrieren kein Eingriff in das Messsystem. Es handelt sich vielmehr um eine Überprüfung der Messgröße – in unserem Fall der Waagenanzeige. Es wird durch das Auflegen eines Prüfgewichtes mit bekannter Masse die Abweichung der Anzeige vom wahren Wert festgestellt und dokumentiert. Die zulässigen Grenzen für die Abweichung sowie die Häufigkeit der Kalibrierung (Kalibrierungsintervall) können vom Anwender – je nach Sicherheitsbedürfnis – selbst festgelegt werden.
Wenn bei dieser Kontrolle bemerkt wird, dass die Abweichung unzulässig hoch ist, so kann im Anschluss daran, um den Fehler zu minimieren, eine Justierung durch einen Fachmann – also eine Neueinstellung der Waage – erfolgen. In Prüflaboratorien ist es beispielsweise üblich, Waagen von zugelassenen Servicetechnikern entsprechend den Richtlinien der Deutschen Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) überprüfen zu lassen. Die Ergebnisse der Kalibrierung werden dann in Form eines Zertifikates (Kalibrierschein) zusammengefasst.
Um sicher zu gehen, dass die Waage korrekt arbeitet, empfiehlt sich für Apotheken das ein Mal arbeitstägliche morgendliche Auflegen eines externen Prüfgewichtes bekannter Masse im relevanten Wägebereich. Der im Display angezeigte Wert muss mit der Masse des Prüfgewichtes übereinstimmen. Die Dokumentation des Kalibriervorganges ist für die Nachvollziehbarkeit der Messung im Nachhinein von großer Wichtigkeit. Bei Fein- oder Analysenwaagen (Klasse I) liegt der relevante Wägebereich in Abhängigkeit von der Mindestlast der Waage zwischen 0,01 und 100 Gramm, bei Präzisionswaagen (Klasse II) zwischen 1 Gramm und 500 bis 1000 Gramm.
Eichen In der Regel müssen elektronische Waagen alle zwei Jahre geeicht werden. Die Eichung ist ein Spezialfall der Kalibrierung und vor allen Dingen in Deutschland gebräuchlich. Sie stellt eine vom Gesetzgeber vorgeschriebene Prüfung eines Messgerätes auf Einhaltung der zugrundeliegenden eichrechtlichen Vorschriften dar, insbesondere der Eichfehlergrenzen nach dem Eichgesetz.
Im Allgemeinen dient das Eichgesetz dem Verbraucherschutz. Der Eichpflicht unterliegen alle Messgeräte, deren Messgenauigkeit im öffentlichen Interesse liegt, das heißt, deren Ergebnisse zur Festsetzung von Preisen (auch Gebühren, Zölle oder Buß gelder) verwendet werden wie zum Beispiel Zapfsäulen an der Tankstelle, Waagen auf dem Wochenmarkt oder eben Messgeräte, die im Bereich der Arzneimittelherstellung und -prüfung zum Einsatz kommen.
Während eine Kalibrierung von jedem qualifizierten Labormitarbeiter durchgeführt werden darf, ist die Eichung eine hoheitlich behördliche Amtshandlung und darf nur von einem Eichbeamten vollzogen werden. Am überprüften Gerät wird durch das Eichsiegel die ordnungs gemäße Eichung dokumentiert. Nicht jede Waage ist eichfähig. Hierfür müssen bestimmte bautechnische Voraussetzungen eingehalten werden. Eichfähige Waagen werden in vier Genauigkeitsklassen eingeteilt: Klasse I (Feinwaagen), Klasse II (Präzisionswaagen), Klasse III (Handelswaagen) und Klasse IV (Grobwaagen). In Apotheken werden Waagen der Klassen I und II verwendet.
Mitmachen und punkten!
Lesen Sie alle drei Teile unserer Fortbildung WISSEN INTENSIV zum Thema Richtiges Wägen, die wir Ihnen in Zusammenarbeit mit dem Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) e.V. anbieten.
Heft 01/12 – Teil 1: Basiswissen – Justieren, Kalibrieren, Eichung
Heft 02/12 – Teil 2: Umgang mit der Waage – Kennzeichnung
Heft 03/12 – Teil 3: Spezialfall: Einwaagekorrektur bei Mindergehalt
Zusammen mit Teil 3 finden Sie dann den Fragebogen zur Fortbildung und haben die Möglichkeit, einen Fortbildungspunkt zu bekommen.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 01/12 ab Seite 78.
Lisa Schlegel, Apothekerin | Dr. Holger Latsch, Apotheker Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) e.V.