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Eichenprozessionsspinner

REIZENDE RAUPEN

Hinter dem Namen Eichenprozessionsspinner verbirgt sich ein äußerst unbeliebtes Insekt. Wer mit den giftigen Brennhaaren der kleinen Raupen in Berührung kommt, muss mit heftigen Hautreaktionen rechnen.

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Sein wissenschaftlicher Name „Thaumetopoea processionea“ klingt bedeutsam. Wer würde da vermuten, dass der Eichenprozessionsspinner nur ein unscheinbarer, graubrauner Nachtfalter ist? Vermutlich würde man ihm kaum Beachtung schenken, wären da nicht seine kleinen, gemeinen Raupen: Sie schlüpfen im Frühling und machen bis zur Verpuppung sechs Entwicklungsstadien durch. Ab dem dritten Stadium wird’s für den Menschen brenzlig: Denn jetzt entwickeln die kleinen Tierchen ihre giftigen Brennhaare, die leicht abbrechen und – bei günstiger Witterung – über weite Strecken getragen werden können.

Mit bis zu 600 000 dieser Härchen ist eine Raupe ausgestattet. Zum Vergleich: Auf dem menschlichen Kopf sprießen bis zu 150 000 Haare. Das Problem: Die mikroskopisch kleinen Brennhaare der Schmetterlingslarven enthalten das Nesselgift Thaumetopoein, ein Histamin-​freisetzendes Protein. Die Härchen können leicht in menschliche Haut und Schleimhaut eindringen und sich hier mit ihren winzigen Widerhaken regelrecht festkrallen.

Vorsicht Gifthärchen! Wer mit den toxischen Raupenhärchen in Berührung kommt, muss mit heftigen Hautreaktionen rechnen. Vor allem an Körperstellen wie Gesicht, Hals, Dekolleté und Armen, die nicht von Kleidung bedeckt sind. Typischerweise jucken die betroffenen Hautareale stark, es kommt zu Rötungen, Quaddelbildung und Knötchen. Die Symptome erinnern an eine allergische Reaktion – auch wenn die sogenannte Raupendermatitis keine echte Allergie ist. Unbehandelt können Juckreiz und Hauterscheinungen bis zu zwei Wochen anhalten. Aber nicht nur unserer Haut können die Brennhaare der Raupen Schaden zufügen: Werden sie eingeatmet, drohen entzündliche Reaktionen der Atemwege mit Husten und Luftnot.

Gelangen sie ins Auge, kann daraus eine Bindehautentzündung resultieren. Auch generalisierte Beschwerden wie Schwindel, Fieber, Übelkeit und Schüttelfrost sind denkbar, ebenfalls, wenn auch sehr selten, ein allergischer Schock. Die Auflistung der Beschwerden verdeutlicht, warum ein Arztbesuch ratsam ist, bei schweren Symptomen wie Atemnot und allergischem Schock muss der Rettungsdienst gerufen werden. Die Behandlung richtet sich nach Art und Ausmaß der Beschwerden. Hautreaktionen können, so Kontraindikationen ausgeschlossen sind, mit Cortisonhaltigen Salben oder Gelen behandelt werden, für die systemische Therapie kommen unter anderem Antihistaminika infrage.

Auf dem Vormarsch Lange Zeit spielte der Eichenprozessionsspinner bei uns so gut wie keine Rolle, Mitte der 1980er Jahre galt der Nachtfalter beinahe als ausgestorben. Doch seit den 1990er Jahren ist der Schmetterling wieder auf dem Vormarsch. Warme, trockene Sommer und milde Winter begünstigen seine Verbreitung. Bevorzugt legen die Falterweibchen ihre Eier in Eichenkronen ab. Sobald die Raupen im Frühjahr geschlüpft sind, begeben sie sich nachts in großen Kolonnen auf Nahrungssuche. Dem mitunter viele Meter langen Prozessionszug entlang des Eichenstamms und der Äste verdankt der Eichenprozessionsspinner seinen Namen.

Auf den befallenen Bäumen fressen die Insekten die frisch ausgetriebenen Blätter meist vollständig bis auf die Mittelrippe ab. Der Kahlschlag an den Bäumen sieht dramatisch aus. Doch die beruhigende Nachricht lautet: Experten zufolge verursacht ein einmaliger Raupenfraß bei vitalen Eichenbeständen keine Langzeitschäden. Tagsüber und zur Häutung ziehen sich die Raupen in ihre Nester, die sogenannten Gespinste, zurück.

Abstand halten Auch wenn die nächtliche Prozession der Raupen ein durchaus interessantes Spektakel ist: Aus der Nähe sollte man sich die Nahrungssuche der Tiere auf keinen Fall ansehen. Vielmehr ist es unbedingt ratsam, einen weiten Bogen um befallene Eichen und Waldgebiete zu machen. Raupenbefall erkennt man recht gut an kahl gefressenen Ästen und den weiß-grauen Gespinsten. Diese Raupennester, die optisch an Zuckerwatte erinnern, dürfen – ebenso wie die Tiere selbst – keinesfalls berührt werden.

Auch, wenn die Insekten ihre Nester längst verlassen haben, bleiben die giftigen Härchen noch lange zurück. Vielerorts weisen entsprechende Warnschilder (Vorsicht! Eichenprozessionsspinner) auf die giftigen Tierchen hin, mitunter werden befallene Gebiete vorübergehend vollständig abgesperrt. In der Natur schützt lange Kleidung vor Hautkontakt mit den Brennhaaren. Wer versehentlich doch damit in Berührung gekommen ist, sollte unbedingt duschen und sich die Haare waschen. Die Kleidung muss gleich gewechselt und bei 60 °C gewaschen werden.

Professionell entfernen Nimmt die Verbreitung der unbeliebten Raupen überhand und besteht dadurch ein hohes gesundheitliches Risiko für den Menschen, müssen rasch Maßnahmen zur Beseitigung ergriffen werden. Wichtig zu wissen ist, dass die Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners, sprich die Entfernung von Raupen und Gespinsten, ausnahmslos in die Hände professioneller Schädlingsbekämpfer gehört, die sich mit entsprechender Schutzausrüstung ans Werk machen.

Abhängig vom Entwicklungsstadium der Larven, aber auch von Ort und Ausmaß des Befalls, stehen unterschiedliche Bekämpfungsmethoden zur Verfügung – biologische, chemische, mechanische und thermische. Häufig zum Einsatz kommt ein mechanisches Absaugverfahren, das als ökologisch schonende und gleichzeitig effektive Technik gilt. Das Prinzip: Die Gespinstnester werden inklusive der Raupen, Gifthaare und Häutungsreste verklebt und dann mit speziellen Hochleistungssauggeräten entfernt.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/2020 ab Seite 108.

Andrea Neuen, freie Journalistin

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