Cannabis
ES GEHT AUCH LEGAL
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Als eine Art Diskussionsanstoß hat die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Februar das sogenannte Cannabiskontrollgesetz eingebracht. Danach durfte jeder Bundesbürger 30 Gramm Cannabis für den Eigenbedarf besitzen oder aber drei Pflanzen halten. Es wurde von der Mehrheit des Hauses abgelehnt. Doch zuvor hatte ein Richter am Verwaltungsgericht Köln im Juli 2014 fünf chronisch kranken Menschen den Anbau und die Ernte von Hanfpflanzen erlaubt, da die zuständigen Krankenkassen die Kosten einer Cannabis-Therapie nicht übernehmen wollten. Das heißt für den Gesetzgeber: Kümmert euch um die medizinische Nutzung.
Richter zeigen auf Auch das Bundesverfassungsgericht hat dazu eine Meinung: Schon 1994 verneinten die Richter zwar das “Recht auf Rausch”, machten aber den Weg frei für folgende Handlungsmöglichkeit: Cannabis gehört zwar weiterhin zur Anlage 1 des Betäubungsmittelgesetzes, ist somit nicht verkehrsfähig und stellt Besitz und Erwerb für Privatpersonen unter Strafe – aber es darf Ausnahmen geben.
»Wer bestimmte Erkrankungen hat, der kann von der Einnahme eingestellter Cannabis-Produkte profitieren.«
Deshalb ist es seit 2011 für die Herstellung zu medizinischen Zwecken in Deutschland erlaubt. Schwerkranke können es sich in begründeten Ausnahmefällen vom Arzt verschreiben lassen. „Ein cannabishaltiges Fertigarzneimittel kann zu Kassenlasten verordnet werden, wenn andere Anti-Spastik-Medikamente nicht zum gewünschten Therapieerfolg geführt haben“, erläutert Daniel Freudenreich von der BEK-Pressestelle Berlin-Brandenburg. Andere, nicht in Deutschland zugelassene, aber im Ausland erhältliche, würden per Einzelfallentscheidung plus Apotheker-Expertise geprüft.
Die Chemie Tetrahydrocannabinol (THC) ist chemisch gesehen ein psychoaktives Cannabinoid. So ganz genau weiß man nicht wie es wirkt. Es dockt an bestimmte Rezeptoren an, die überwiegend in zentralen und peripheren Nervenzellen sitzen. Es ist eng verwandt mit dem Cannabidiol (CBD), das allerdings weniger psychoaktiv wirkt. Auch der Körper produziert bei Bedarf so genannte Endocannabinoide. Beide erzeugen über die Rezeptoren Glücksgefühle, wirken entspannend und schmerzlindernd.
Der Hippie mit der Tüte Cannabis hat einfach ein Imageproblem. Zu lange wurde es mit Blumenkindern und Hippiekommunen, mit dick gedrehten Tüten am WG-Küchentisch und dem Einstieg in die harte Drogenszene assoziiert. Wo die Haschzigarette glimmt, da sind auch Koks und Heroin nicht weit, folgert der Volksmund. Doch Fakt ist: „Unkenntnis und falsche Informationen über die tatsächlichen Risiken des Konsums sowie deren Verallgemeinerung sind der Grund für einen oft hilflosen und unsicheren Umgang mit Cannabiskonsumenten“, schreibt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auf ihrer Internetseite.
SHIT, GRAS – ODER WAS?
Im Volksmund wird Cannabis oft „Hasch“ genannt. Doch das ist nur eine Zubereitungsform.
Es gibt davon drei:
+ Marihuana („Gras“) sind die klein geschnittenen, weiblichen Blüten der Hanfpflanze
+ Haschisch („Shit“ oder „Dope“) ist das gepresste Harz
+ Haschischöl ist das Öl aus dem Harz mit einem THCGehalt von bis zu 80 Prozent
Das heißt: Zu viel des Guten ist nicht gesund, das gilt aber für alle Genussmittel. Ansonsten zählt Cannabis zu den meistkonsumierten illegalen Drogen in Deutschland. „Kiffer“ zählen vor allem auf die stimmungssteigernde Wirkung, zu denen sich Gefühle von erhöhter Einsicht gesellen; die Wirkung eines Joints zeigt sich nach knapp 30 Minuten.
Dass es auch legal geht, beweisen die Niederlande seit Jahren: In lizensierten Coffee-Shops können die Hanf-Blüten auch ohne medizinische Notwendigkeit gekauft und entweder dort oder zu Hause geraucht werden. Dies ist seit jeher das Argument derer, die die Einnahme straffrei gestalten wollen: Eine liberalere Gesetzgebung führe nicht zu einem Anstieg des Cannabisgebrauchs, härtere Strafen bei dessen Konsum nicht zu einem Rückgang desselben.
Lindert Symptome Wer bestimmte Erkrankungen hat, der kann von der Einnahme eingestellter Cannabis- Produkte profitieren. Dazu zählen neuropathische Schmerzen, Spasmen, Übelkeit und Erbrechen insbesondere als Nachwirkung von Chemotherapien, erhöhter Augeninnendruck, Schlafstörungen und Appetitlosigkeit. Beste Erfahrungen hat man beispielsweise bei Multipler Sklerose, einer chronisch-entzündlichen Erkrankung des zentralen Nervensystems, gemacht. Sie verläuft in Schüben und geht häufig einher mit Spasmen.
Durch die muskelentspannende Wirkung von Cannabis beziehungsweise dessen Inhaltsstoffen Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol können diese gelindert und dadurch die allgemeine Beweglichkeit der Patienten erhöht werden: Sie leiden deutlich weniger unter Spastiken, Krämpfen und Schmerzen.
Auch Menschen, die unter dem Tourette-Syndrom leiden, verspüren eine deutliche Linderung der Symptome, wenn sie Cannabis inhalieren oder als Haschischöl zu sich nehmen. Chronische neuropathische Schmerzen verringern sich, Parkinson-Symptome ebenfalls. AIDS-Patienten verspüren bei Einnahme von THC weniger Schmerzen. Die andere Seite der Medaille: Bei Cannabis-Einnahme kann es zu Rauschzuständen kommen und es kann die Aufmerksamkeit beeinträchtigen. Diese Nebenwirkungen gelten aber als reversibel, Cannabis macht nicht abhängig. Vorsicht ist geboten bei Schwangeren, Kindern und Älteren sowie bei Herz-Kreislauf- Erkrankungen, Psychosen oder bei Hepatitis C.
Die Fakten Rund 300 Menschen in Deutschland haben laut der Huffington Post die offizielle Genehmigung, sich in der Apotheke Cannabis per Rezept zu besorgen. Die gesetzlichen Krankenkassen lehnen die Kosten dafür oft ab – und damit muss der Patient monatlich je nach verordnetem Bedarf zwischen 250 und 600 Euro aufbringen. Gleichzeitig steigt die Akzeptanz in der Öffentlichkeit: 82 Prozent der Deutschen sind für eine Freigabe des Stoffes als Schmerzmittel.
Auch die Justiz hat längst eingesehen, dass Cannabis-Konsumenten nicht per se Verbrecher sind: „Egal, ob wir Cannabis kriminalisieren oder nicht, es wird sowieso genommen. So schaffen wir Hunderttausende Kriminelle, die keine sind“, sagt der Berliner Jugendrichter Andreas Müller. 150 000 Verfahren werden pro Jahr gegen Cannabis-Konsumenten eingeleitet, verurteilt werden aber nur 45 000.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/15 ab Seite 112.
Alexandra Regner, PTA und Journalistin