No-Go’s in der Apotheke
PFLICHT UND KÜR: DIE BERATUNG
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Da weiter nichts passiert – kein Lächeln, kein Blickkontakt – geht er nach Hause, der Kunde. Wieder eine Chance vertan, eine Bindung zu ihm aufzubauen, nach seinen weiteren Beschwerden zu fragen und ihm eventuell Zusatzempfehlungen zu geben.
Zögernde Signale erkennen Eine PTA ist dafür ausgebildet, Menschen bei gesundheitlichen Problemen zu beraten. Sie kennt die apothekenpflichtigen OTC-Produkte aus dem Effeff, weiß alles über Erkältung, Verstopfung, Allergien oder Hämorrhoiden. Sie weiß, dass nach Antibiotikagaben bei Frauen ein Scheidenpilz auftreten kann oder das Darmmikrobiom komplett durcheinandergerät, dass nach Erkältungen und dem Gebrauch eines Nasensprays die Nasenscheidewand eine befeuchtende Salbe vertragen kann; dass Hämorrhoiden innerlich und äußerlich auftreten können und dass es Allergie-Präparate gibt, die etwas mehr oder etwas weniger müde machen.
Ob das bei ihrem Kunden der Fall ist, erfährt sie allerdings nicht, wenn sie nicht danach fragt oder die zögernden Signale des Kunden nicht wahrnimmt. Denn mancher Kunde wird über seinen Fußpilz nicht gern reden. Und es hat auch schon solche gegeben, die eine Calendula-Salbe auf nicht bestimmungsgemäße Körperteile auftragen wollten, da man sich nicht traute, über eine juckende Scheidenschleimhaut zu reden. Sicher, es gibt auch jenen Menschenschlag, der gern und laut über seine zahlreichen Beschwerden informiert. Doch er ist eher selten.
Informationsbedarf erheben Beratungsprofis haben für die typische OTC-Situation eine Checkliste im Kopf. Zum einen erheben sie zuallererst den Informationsbedarf des Kunden und daraufhin den Kundennutzen; je nach Kundentyp kann das ein bisschen dauern. Denn da gibt es den zögernden, ängstlichen oder den gelassenen, selbstbewussten Kunden, den Kontrollfreak, auch Erbsenzähler genannt, und den Konservativen, der alles genau erklärt haben will. Natürlich gibt es auch diejenigen, die sich bereits im Internet genau informiert haben und alles zu wissen glauben; auch diese muss eine PTA möglichst sachlich und fundiert beraten können – und darf sich nicht aus der Ruhe bringen lassen.
Beispiel Allergie „Das Nasenspray, das Sie mir gestern gegeben haben, wirkt überhaupt nicht!“ sagt der Kunde und knallt schwungvoll die Packung auf den Tisch. „Da! Ich will’s nicht!“ Der Kunde gehört erkennbar zum selbstbewussten Typ und der braucht jetzt Informationen. Die PTA erinnert sich, dass sie wegen erwiesener allergischer Beschwerden das Mometason-haltige Spray empfohlen hat. „Stimmt! Es wirkt nicht sofort, denn es ist ein cortisonhaltiges Präparat. Ihr Arzt hat eine Pollenallergie festgestellt und ich habe Ihnen deshalb zu diesem Spray geraten. Das kann ein paar Tage dauern – aber dann wirkt es gut und zuverlässig. Im Unterschied zu einem abschwellendem Spray dürfen Sie es dann die ganze Saison über verwenden. Sie sollten es weiterhin benutzen und werden feststellen, dass es Ihnen guttut.“
Husten und Erkältung Beispiel: Husten, Schnupfen, Heiserkeit. Hier gibt es eine schier unendliche Palette von Mitteln, die die Erkältung ein wenig leichter machen können. Ein Hustenlöser für den Tag, ein Hustenstiller für die Nacht. Eine Lutschtablette mit Hyaluronsäure für die Stimme des Call-Center-Mitarbeiters, ein Kombinationspräparat mit Pseudoephedrin und/oder Dextromenorphan für die Examenskandidatin, Lindenblütentee für diejenigen, die alle „Chemie“ ablehnen. Die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden bekommt man nur heraus, indem man fragt und sich einspürt. Für Zusatzempfehlungen rund um seine Beschwerden gibt es übrigens eine Verhaltensweise, bei der PTA in Apotheken ohne Kommissionierer klar im Vorteil sind: Indem sie dem Kunden die entsprechenden Verpackungen vorlegen und sie dabei empfehlen („Die Lutschtablette gibt es mit Johannisbeer- oder Honiggeschmack, welche möchten Sie lieber?“) steigt der Kaufanreiz enorm.
Beratungschance ergreifen Die PTA aus dem Beispiel ganz oben hat eine Riesen-Chance vertan – indem sie nichts tat. Da das Thema Menschenkenntnis in der Ausbildung nicht gelehrt werden kann, gilt es, diese Fertigkeit im Selbststudium Tag für Tag zu erwerben und schnell ein Gespür dafür zu entwickeln, mit welchem Menschen- beziehungsweise Kundentyp Sie es hier zu tun haben. Denn mit eingehender Beratung stärkt jede PTA die Kernkompetenz einer jeden Apotheke – hier stehen Menschen, die keine beliebige Ware verkaufen, sondern durch ihre Fachkenntnisse auf den Punkt beraten können.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/19 ab Seite 70.
Alexandra Regner, PTA und Journalistin