Repetitorium
PARKINSON UND DEMENZ – TEIL 3
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Beispiele für Demenz-Tests
Uhrentest
Dieser Test gibt sowohl Aufschlüsse über die Fähigkeiten des Patienten, komplexe Formen oder Muster zu erkennen und zu reproduzieren, als auch über seine Fähigkeiten zur Problemlösung. Dazu wird er aufgefordert, das Ziffernblatt einer Uhr mit einer bestimmten Uhrzeit zu zeichnen, zum Beispiel 13:30. Je nach Richtigkeit der Zeichnung erhält er Punkte von 1 bis 6, eine Punktzahl größer gleich 3 (z.B. nur ein Zeiger oder gar keine Uhrzeit eingezeichnet, aber korrekte Darstellung des Ziffernblattes) deutet auf eine Demenz hin.
DemTect
Die Abkürzung steht für Demenz-Detektion. Der Test gehört zu den jüngeren Testverfahren (Jahr 2000). Die Testperson erhält fünf Aufgaben zu den Funktionen des verbalen Gedächtnisses, der Wortflüssigkeit, der intellektuellen Flexibilität und der Aufmerksamkeit. Diese muss sie schnell (8-10 Minuten) lösen. Die erhaltenen Punkte werden addiert. Möglich sind Ergebnisse zwischen 0 und 18 Punkten, wobei Werte ab 13 Punkten für eine angemessene Kognition und Werte unter 8 für eine Demenz sprechen.
Multimodale Therapie Ist die Diagnose gestellt, ist das für viele ein Schock – was Angehörige bereits länger beobachtet oder vermutet haben, ist auf einmal auch für den Betroffenen Realität. Verlorene Gehirnmasse kann nicht wiederhergestellt werden, die Symptome werden in den meisten Fällen langsam, aber stetig zunehmen. Daher ist ein früher Einstieg in die Therapie besonders wichtig und die besteht nicht unbedingt primär aus Medikamentengabe. Wichtig ist eine stabile Stoffwechsellage mit gesunder, ausgewogener Ernährung und ausreichender Trinkmenge.
Bei vorliegenden Störungen sollten Blutdruck, Gewicht und Blutfette normalisiert sowie für Schmerzfreiheit gesorgt werden – im optimalen Fall. Denn alle Demenzkranken verfügen nur über eingeschränkte Reserven. Daneben steht natürlich die Pharmakotherapie im Vordergrund. Die regelmäßige Einnahme der verschriebenen Medikamente sollte klar sein, wobei Defizite im Bereich der Gedächtnisleistung fast gar nicht beeinflusst werden können. Eine positive Beeinflussung der sozial-emotionalen Einschränkungen und der Aufmerksamkeit kann jedoch erreicht werden. Und das wird von Betroffenen, aber auch von deren Angehörigen als Erleichterung empfunden.
Um im Alltag weiterhin zurechtzukommen – und dies auch möglichst lange selbstständig – sind nichtmedikamentöse Therapien allerdings ebenso wichtig wie Medikamente. Dazu zählen kognitives Training (z. B. Sudokus oder Bilderrätsel, aber auch das Training der Sinneswahrnehmung durch das Betrachten von Fotos oder Riechen altbekannter Gerüche), Ergotherapie, Logopädie, Musik-, Tanz- oder Gesangstherapie sowie in einigen Fällen auch Psychotherapie. Je nach Schweregrad der Erkrankung oder des fortgeschrittenen Stadiums sollten Betroffene, Angehörige und die behandelnden Ärzte gemeinsam über die optimale Aufstellung der Therapie entscheiden.
Antidementiva, Antidepressiva und Neuroleptika Je nach vorliegender Form setzen medikamentöse Therapien an unterschiedlichen Punkten an, um auftretende Symptome zu lindern. So wird bei sekundären demenziellen Syndromen die Grunderkrankung behandelt, wodurch die Demenz-Symptomatik vollständig verschwinden kann. Bei primären Demenzen kommt es auf den Auslöser an: Erneut auftretende Durchblutungsstörungen bei vaskulären Demenzen können durch Thrombozytenaggregationshemmer wie ASS oder Clopidogrel vorgebeugt werden. In einigen Fällen kommen auch Cumarine zum Einsatz.
Daneben sollten Blutfettwerte, Blutdruck und Blutzucker optimal eingestellt werden, um weitere Hirninfarkte zu verhindern. Bestehende Schäden können jedoch durch eine Verbesserung der Durchblutung nicht wieder behoben werden. Der Großteil der Antidementiva sind für die degenerative Demenz-Form Morbus Alzheimer zugelassen. Bei Mischformen aus vaskulärer und Alzheimer-Demenz kann ein Therapieversuch ebenfalls erwogen werden. Durch den Verlust von Nervenzellen kommt es, wie bei allen neurodegenerativen Erkrankungen, zu einem Ungleichgewicht der Neurotransmitter.
Bei Morbus Alzheimer ist hierbei vor allem eine verminderte Ausschüttung von Acetylcholin aufgrund von Neuronenverlusten im basalen Vorderhirn messbar. Der Botenstoff ist an Denk- und Konzentrationsprozessen ebenso beteiligt wie am Lernen, Wahrnehmen und Erinnern. Bei leichten bis mittelschweren Stadien der Alzheimer-Demenz können daher Acetylcholin-Esterasehemmer (AchEi) zum Einsatz kommen. Sie verhindern den Abbau von Acetylcholin und erhöhen so dessen Konzentration im synaptischen Spalt. Gängige Arzneistoffe sind Donepezil, Rivastigmin und Galantamin.
Durch den erhöhten Acetylcholinspiegel kann es allerdings zu unerwünschten Wirkungen wie Übelkeit, Gewichtsverlust, körperlicher Unruhe (z. B. Tremor), krankhaften vegetativen Effekten (z. B. verstärktes Schwitzen, Bradykardie) oder Erhöhung der Leberwerte kommen. Daher sollten die Wirkstoffe nur langsam aufdosiert werden. Auch wenn die auftretenden Nebenwirkungen sehr belastend sein können, raten Sie vom eigenständigen und sofortigen Absetzen unbedingt ab – die Nebenwirkungen können sich zum Teil im Therapieverlauf auch wieder abschwächen.
Ab einem mittelschweren Grad der Erkrankung empfiehlt sich der Einsatz von NMDA-Rezeptor-Antagonisten. Gute Erfahrungen zeigt hierbei die Substanz Memantin, sie blockiert den glutamatergen NMDA-Rezeptor nicht-kompetitiv und schwächt dadurch überschießende Glutamat-Wirkungen, die durch das Neurotransmitter-Ungleichgewicht zustande kommen, ab. Als unerwünschte Wirkungen können motorische Unruhe, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Verwirrtheit, Halluzinationen, Verstopfung, Schwindel und Übelkeit auftreten.
Für die klinische Praxis hat sich die Kombination von Memantin mit einem AchEi bewährt, synergistische Effekte auf beide Neurotransmittersysteme zeigen gute Auswirkungen auf die Symptomatik und den Krankheitsverlauf. Selegilin, ein MAO-B-Hemmer, der gegen Morbus Parkinson eingesetzt wird, und Piracetam, ein GABA-Derivat, werden vereinzelt auch bei Demenzen eingesetzt. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie empfiehlt den Einsatz der Substanzen in ihrer Leitlinie „Demenz“ allerdings nicht, die Studienlage ist nicht ausreichend. Ein Versuch kann aber im Einzelfall durch den Arzt erwogen werden.
Auch für pflanzliche Präparate aus Extrakten des Ginkgo biloba gilt keine generelle Empfehlung, dennoch sind hochdosierte Präparate mit einer täglichen Gabe von 240 mg standardisiertem Ginkgo-Extrakt zur unterstützenden Behandlung der Demenz leichten Grades zugelassen und daher erstattungsfähig durch die Krankenkasse. Die Gehirn-Durchblutung soll durch die regelmäßige Einnahme verbessert und Nervenzellen geschützt werden. Trotz des sehr guten Nebenwirkungsprofils sollten Betroffene die Einnahme mit dem behandelnden Arzt besprechen, da Ginkgo-Präparate mit vielen anderen Wirkstoffen wechselwirken können. So wird zum Beispiel die gerinnungshemmende Wirkung von ASS verstärkt.
Adressen für Betroffene und Angehörige
Webseite der Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V.:
www.deutsche-alzheimer.de
Aktionsseite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
www.wegweiser-demenz.de
Netzwerkstelle „Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) e.V.:
www.bagso.de/aktuelle-projekte/netzwerkstelle-lokale-allianzen-fuer-menschen-mit-demenz.html
Adressen lokaler Selbsthilfegruppen, nach Postleitzahlengebiet aufgeteilt; bereitgestellt durch die Hirnliga e.V.:
www.hirnliga.de/selbsthilfegruppen
Stiftung Demenzpaten für Angehörige und Patienten:
www.demenzpaten.de
Denn genau das ist die Demenz – ein psychiatrisches Syndrom. Es betrifft im Besonderen Menschen ab dem 65. Lebensjahr und beschreibt eine chronische, langsam fortschreitende Gehirnveränderung, die mit einem zunehmenden Verlust der geistigen, aber auch emotionalen und sozialen Fähigkeiten einhergeht. Zumeist ist das Kurzzeitgedächtnis betroffen, aber auch das Denkvermögen an sich, die Sprache, die Motorik und bei einigen Ausprägungen auch die Persönlichkeit. Darauf deutet auch die Bezeichnung Demenz hin: Das Wort leitet sich vom lateinischen Begriff „demens“ ab, was sich mit unvernünftig oder ohne Verstand/Denkkraft übersetzen lässt.
Überblick Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD 10) unterscheidet in verschiedene Demenz-Formen, die häufigste ist die Alzheimer-Demenz, die zu den neurodegenerativen Demenzen zählt. Weiterhin gibt es noch die vaskuläre Demenz, bei der Durchblutungsstörungen im Gehirn zu wiederholt auftretenden Infarkten führen, wodurch die Nervenzellen stark geschädigt werden. Ungefähr 15 bis 25 Prozent aller Betroffenen leiden unter diesem Typ. Zu den selteneren Demenzen zählen unter anderem die Demenz bei Morbus Parkinson oder die Lewy-Körperchen-Demenz, ebenso können auch Mischformen auftreten.
In manchen Fällen leiden Betroffene auch unter einer Grunderkrankung, die ein demenzielles Syndrom mit sich bringt, so zum Beispiel bei Epilepsie, Vitamin-B12-Mangel, Tumoren oder Multipler Sklerose. Man spricht dann von einem sekundären demenziellen Syndrom, allerdings sind rund 90 Prozent aller Demenzen als primär anzusehen. Aber aus diesem Grund gelten einige wenige Formen der Demenz als reversibel, bei einigen sind Verzögerungen oder Veränderungen im Verlauf durch therapeutische Maßnahmen möglich. Ebenso sind manchmal die Ursachen der Entstehung geklärt, bei anderen steckt die Forschung noch in den Kinderschuhen.
Auch kann man nicht pauschal sagen, dass Demenzen nur bei neurodegenerativen Prozessen auftreten wie beispielsweise bei Morbus Alzheimer oder Morbus Parkinson. Auch nichtdegenerative Erkrankungen können ein demenzielles Syndrom auslösen. Dazu zählen zum Beispiel vaskuläre Demenzen, wie bei Morbus Binswanger. Prinzipiell lassen sich Demenzen je nach Symptomatik und Fortschritt der damit verbundenen Einschränkungen in drei Stadien unterteilen:
Frühes Stadium: Es liegen vor allem Störungen des Kurzzeitgedächtnisses vor.
Mittleres Stadium: Nach und nach haben Betroffene immer mehr Schwierigkeiten bei alltäglichen Aufgaben.
Spätes Stadium: Der Betroffene leidet auch unter gravierenden Einschränkungen der Sprache und ist in allen Bereichen auf Hilfe angewiesen. Er kann zum Beispiel nicht mehr alleine essen oder zur Toilette gehen. Die Angehörigen werden nicht mehr erkannt.
Zurzeit sind in Deutschland etwa 1,5 Millionen Menschen von einer Demenz betroffen, der Großteil ist über 75 Jahre. Und die Tendenz ist steigend – Prognosen sprechen von geschätzten 3 Millionen Betroffenen im Jahr 2050, alleine in Deutschland.
Diagnose und Demenz-Tests Neben einem hohen Lebensalter zählen aber auch das weibliche Geschlecht, eine genetische Disposition, Diabetes, Depressionen oder Bluthochdruck zu den Risikofaktoren einer Demenz. Außer einem gesunden und aktiven Lebensstil kann man daher leider nicht viel gegen die Entwicklung einer Demenz tun, Hauptrisikofaktor ist und bleibt das Alter. Erste Symptome beginnen meist schleichend und treten oft in Form von Gedächtnisproblemen auf, die schnell auf das Alter geschoben werden: Betroffene verlieren in Gesprächen den roten Faden, den Überblick bei Bezahlvorgängen oder der Zubereitung von Speisen, verlegen häufiger Gegenstände oder leiden unter Konzentrationsproblemen.
Allerdings ist nicht jeder, dessen Kurzzeitgedächtnis manchmal auf die Sprünge geholfen werden muss, gleich von einer Demenz betroffen. Dennoch ist es ratsam, den Betroffenen bei auffälliger Symptomatik für einen Arztbesuch zu sensibilisieren – in manchen Fällen können neurologische Erkrankungen wie auch ein demenzielles Syndrom dahinterstecken, wobei eine frühzeitige Diagnostik mit anschließender therapeutischer Intervention den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen kann.
Bevor jedoch eine Demenz diagnostiziert wird und je nach Symptomatik in eine bestimmte Form oder gegebenenfalls Mischform eingeteilt wird, sollten folgende kognitive und neurologische Einschränkungen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten bestehen:
- Amnesie (Gedächtnis- und Orientierungsstörung),
- Aphasie (Sprachstörung/Störung des Sprachverständnisses),
- Apraxie (Unfähigkeit, erlernte Handfertigkeiten auszuführen),
- Agnosie (Unfähigkeit, Dinge zu erkennen),
- Abnahme der Urteilsfähigkeit und des Denkvermögens.
Die Symptomatik ist dabei sehr individuell, manche Probleme müssen auch gar nicht auftauchen oder sind unterschiedlich stark ausgeprägt. Im Vordergrund stehen daher zunehmende Denkschwierigkeiten mit Gedächtnisproblemen und Orientierungsschwierigkeiten (räumlich, zeitlich, sozial). Neben einer umfassenden Labordiagnostik (z. B. Blutzuckerwert, Schilddrüsenfunktion, Vitamin B12-Spiegel), um andere Grunderkrankungen auszuschließen, stehen dem Arzt auch verschiedene Fragebögen oder Testverfahren zur Verfügung. Zudem wird das Gehirn untersucht, eine Aufnahme im MRT oder die Darstellung von möglichen Stoffwechseldefiziten (z. B. ein verminderter Glucosestoffwechsel) mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) durchgeführt.
Eine Liquor-Untersuchung dient der Identifizierung von tau-Protein oder beta-Amyloidplaques – typische Marker für eine Alzheimer-Erkrankung, die allerdings mit einem invasiven Eingriff einhergehen. Vor kurzem brachten deutsche Wissenschaftler zwei neue Biomarker ins Spiel: sichtbar gemachte Amyloid-Aggregate in der Retina des Auges und das Neurofilament Light (NfL) als potenziellen Blutbiomarker. Diese diagnostischen Verfahren müssen zwar erst noch klinisch erprobt und validiert werden, dennoch geben sie Hoffnung auf eine schnellere, unkompliziertere und vielleicht auch schon früher ansetzende Diagnostik des Morbus Alzheimer, der häufigsten Demenz-Form.
Neuroleptika und Antidepressiva kommen vor allem in einer medikamentösen Begleittherapie bei Depressionen oder anderen psychischen Störungen zum Einsatz. Dazu zählen beispielsweise Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) wie Citalopram oder atypische Neuroleptika wie Risperidon oder Quetiapin. Bei der Arzneistoffauswahl sollte unbedingt auf Substanzen mit (ausgeprägter) anticholinerger Wirkung verzichtet werden, da es die Symptomatik der Demenz verstärken kann. Daher sollten Amitriptylin, Doxepin, Clozapin und Co. nicht verschrieben werden. Mit ihrem pharmazeutischen Wissen können Sie bei Kunden mit entsprechender Medikation beim Arzt nachhaken und mit den Auswirkungen anticholinerger Wirkungen gut argumentieren.
Generell spielen Sie bei der pharmazeutischen Betreuung eines Demenz-Betroffenen eine wichtige Rolle: Sie können dazu beitragen, die Compliance zu fördern, erste Symptome und Veränderungen Ihnen gut bekannter Kunden erkennen und für einen Arztbesuch sensibilisieren. Für ein offenes Ohr und ein paar Adressen zur Selbsthilfe, Regelungen persönlicher Angelegenheiten oder rechtliche Grundlagen (Kurzzeit- oder Langzeitpflege, Verlust der Mündigkeit, ambulante Pflegedienste etc.) sind auch gerade Angehörige sehr dankbar. Verlorene Hirnmasse ist nicht wiederherstellbar, aber das Fortschreiten der Symptomatik kann verlangsamt werden. Auch ein kleiner Beitrag dazu ist ein großer Gewinn für Betroffene und Angehörige.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 09/18 ab Seite 86.
Farina Haase, Apothekerin/Redaktion