PTA-Fortbildung 11/15
OHNE GEHT’S NICHT
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Vitamine sind organische Verbindungen, die im Organismus für lebensnotwendige Funktionen benötigt werden. Der menschliche Körper synthetisiert diese in der Regel nicht selber. Ausnahme ist Vitamin D, welches in der Haut durch Einwirkung von UV-Strahlung gebildet wird. Vitamine sind somit essenziell und müssen regelmäßig entweder als fertige Vitamine oder als deren Vorstufen exogen zugeführt werden. Vitamine fungieren vorwiegend als Coenzyme an katalytischen Reaktionen oder als hormonähnliche Stoffe an steuernden Funktionen. Daher benötigt man sie nur in ganz geringen Mengen im Bereich von Milli- oder Mikrogramm.
Basiswissen Vitamine Grundsätzlich unterscheidet man auf Grund des Lösungsverhaltens zwischen wasserlöslichen (Vitamin B1, B2, B3/ Niacin, B5/Pantothensäure, B6, B12, C, Folsäure und Biotin) und fettlöslichen Vitaminen (Vitamin A, D, E und K). Durch die unterschiedliche Löslichkeit können Resorption, Transport, Speicherung und Elimination beeinflusst werden. Die meisten Vitamine werden in niedrigen Dosen im oberen Dünndarm mittels spezifischer Transportsysteme aktiv resorbiert - erst bei hohen Dosen erfolgt die Aufnahme über passive Diffusion – und in physiologische Speicher eingebaut, aus denen sie bei Bedarf wieder freigesetzt werden. Wasserlösliche Vitamine müssen häufig vor Aufnahme hydrolysiert werden, da nur die freie Vitaminform resorbiert wird.
Für die Aufnahme fettlöslicher Vitamine sind Gallensäuren und Nahrungsfett für die Mizellenbildung erforderlich. Wasserlösliche Vitamine werden bei überhöhter Zufuhr mit dem Urin schnell wieder ausgeschieden (Ausnahme Vitamin B12). Fettlösliche Vitamine können dagegen im Körpergewebe gespeichert werden und bei übermäßiger Zufuhr über längere Zeit unter Umständen zu Hypervitaminosen führen. Selten handelt es sich bei einem Vitamin um einen Einzelstoff.
Vielmehr sind es meist ganze Substanzgruppen mit ähnlichen chemischen Strukturen und vergleichbaren Wirkungen, wie beispielsweise die acht Substanzen, die als Vitamin E beziehungsweise Tocopherole bezeichnet werden. Neben der historischen Bezeichnung der Vitamine mit Buchstaben setzt sich immer mehr die chemische Bezeichnung (internationale Bezeichnung INN) durch.
... und Mineralstoffe Neben den Vitaminen ist der Körper auf die Zufuhr anorganischer Substanzen angewiesen. Sie werden als Mineralstoffe bezeichnet und fungieren als Bestandteile von Enzymen, Proteinen und Hormonen, beeinflussen die Blutgerinnung, regulieren den Wasser- und Elektrolyt- sowie den Säure-Basenhaushalt, sind am Knochenaufbau beteiligt und spielen bei der Reizübertragung im Nervensystem sowie der Muskelkontraktion eine Rolle. Entsprechend ihrer Konzentration im Körper werden die Mineralstoffe in Mengen- und in Spurenelemente eingeteilt.
DIE WICHTIGSTEN VITAMINE UND IHRE BEDEUTUNG IM KÖRPER
Vitamin A (Retinol) – spielt als Bestandteil des Sehpurpurs beim Sehvorgang eine wichtige Rolle, ist für Fortpflanzung, Wachstum sowie Zelldifferenzierung erforderlich und stärkt das Immunsystem.
Vitamin D (Calciferole) – die bekanntesten Vertreter des Vitamin D (Calciferole) sind das pflanzliche Vitamin D2 (Ergocalciferol) und das in der Haut synthetisierte Vitamin D3 (Cholecalciferol). Die Hauptwirkform des Vitamin D, die stoffwechselaktive Verbindung 1,25 Dihydroxycholecalciferol (Calcitriol), ist im Kalzium- und Knochenstoffwechsel bedeutsam und wird für zahlreiche physiologische Systeme (z. B. Herz-Kreislauf-, Immunsystem, Muskeln, Gehirn, Zellzyklus) benötigt. Vitamin E (Tocopherole) – darunter werden acht Substanzen zusammengefasst.
Vitamin E ist das bedeutendste fettlösliche Antioxidans. Es schützt mehrfach ungesättigte Fettsäuren und andere leicht oxidierbare Substanzen vor Radikalen. Außerdem hemmt es die Blutgerinnung und hat immunmodulierende sowie entzündungshemmende Eigenschaften.
Vitamin K – ist an der Synthese verschiedener Blutgerinnungsfaktoren und am Knochenstoffwechsel beteiligt.
B-Vitamine – Dazu zählen die Vitamine B1 (Thiamin), B2 (Riboflavin), Niacin, Panthothensäure, B6 (Pyridoxin), Biotin, Folsäure und B12 (Cobalamin). B-Vitamine sind bei der Steuerung des Energiehaushaltes, der Funktionsfähigkeit des Gehirns, der Nerven und Muskeln, am Wachstum und Immunsystem sowie bei der Blutbildung involviert. Vitamin B6, B12 und Folsäure greifen zudem im Homocystein-Stoffwechsel ineinander und reduzieren damit das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Arteriosklerose.
Vitamin C (Ascorbinsäure) – ist als Redoxsystem an vielen Stoffwechselvorgängen wie beispielsweise der Synthese von Kollagen oder von Nebennierenrinden- und Nebennierenmarkhormonen, an der Wundheilung sowie an körpereigenen Abwehrvorgängen beteiligt. Als Antioxidans schützt es vor Schäden durch freie Radikale und damit präventiv vor zahlreichen Erkrankungen (z. B. Erkältungskrankheiten, Karzinomen, Arteriosklerose).
Kalzium – Das Erdalkalimetall ist wichtig für die Aktivierung von Enzymen, Knochengesundheit, Blutgerinnung und Erregbarkeit von Nerven und Muskeln und stabilisiert die Zellmembran.
Eisen – Das meiste Eisen findet sich im Körper als Bestandteil des Sauerstoff transportierenden Hämoglobins in den roten Blutkörperchen.
Jod – Das Spurenelement dient dem Aufbau der Schilddrüsenhormone und spielt eine Rolle bei der Differenzierung von Zellen, beim Wachstum sowie Energie- und Wärmehaushalt.
Kalium – ist für die Erregung von Nerven und Muskeln, Reizleitung des Herzens, den Säure- und Basenhaushalt, Aufbau von Kohlenhydratspeichern sowie für die Blutdruckregulation notwendig.
Magnesium – Das Erdalkalimetall ist als essentieller Cofaktor in über 300 enzymatischen Reaktionen in praktisch allen Stoffwechselbereichen involviert, so bei der Reizübertragung von Nerven- auf Muskelfasern, Muskelkontraktion, Proteinbiosynthese, Speicherung und Freisetzung von Hormonen. Im Knochen dient es als Strukturelement.
Selen – gehört als Baustein der Glutathion-Peroxidase zum wichtigsten antioxidativen Schutzsystem im Körper. Zudem übernimmt es Aufgaben im Schilddrüsenhormonstoffwechsel und besitzt immunmodulierende Funktionen.
Zink – fungiert als Bestandteil mehrerer Enzymsysteme an fast allen Stoffwechselprozessen. Dort wird es zur Produktion zahlreicher Hormone (z. B. Insulin) sowie Neurotransmitter (z. B. Serotonin), bei der Wundheilung und fürs Immunsystem benötigt.
Mengenelemente liegen in einer Konzentration > 50 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht vor. Dazu zählen die Metalle Natrium, Kalium, Magnesium und Kalzium sowie die Nichtmetalle Chlor, Phosphor und Schwefel. Spurenelemente, also Eisen, Jod, Zink,Fluor, Kupfer, Chrom, Arsen, Mangan, Molybdän, Nickel, Selen, Silicium, Zinn, Vanadium und Kobalt, finden sich in Konzentrationen < 50 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht.
Mikrobedarf Vitamine und Mineralstoffe werden unter dem Begriff Mikronährstoffe zusammengefasst, da sie vom menschlichen Körper nur in geringen Mengen benötigt werden. Obwohl sie keine Energie liefern, sind sie für unseren Organismus essenziell und von großer Bedeutung. Darüber hinaus zählen noch Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe dazu. Ballaststoffe sind organische Nahrungsbestandteile, die von den menschlichen Verdauungsenzymen nicht oder nur unvollständig abgebaut werden können.
Zur Gruppe der sekundären Pflanzenstoffe gehören Tausende von Substanzen, die in Obst, Gemüse, Kartoffeln, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten sowie in fermentierten Lebensmitteln enthalten sind und die unterschiedlichen Klassen zugeordnet werden (z. B. Phytosterine, Polyphenole, Saponine, Lektine).
Versorgung Theoretisch kann der Bedarf an Vitaminen und Mineralstoffen mit einer abwechslungsreichen Kost gedeckt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, fünfmal über den Tag verteilt Obst und Gemüse in die Ernährung miteinzubeziehen und anstellte von Weißmehlerzeugnissen Vollkornprodukte zu bevorzugen. Dabei ist auf eine schonende Zubereitung und sorgfältige Lagerung der Lebensmittel zu achten, um eine Zerstörung der licht- und hitzeempfindlichen Vitamine möglichst zu vermeiden. Doch praktisch ist das nicht immer möglich. Zwar gelingt es den meisten, sich ausreichend alimentär mit den notwendigen Mikronährstoffen zu versorgen.
Repräsentative Studien in Deutschland bestätigen auch, dass bei der Mehrzahl der Vitamine die Referenzwerte für die Zufuhr von den in Privathaushalten lebenden Personen im Mittel erreicht oder sogar überschritten werden und dass die überwiegende Zahl der Menschen in Deutschland mit Vitaminen ausreichend versorgt ist. Wie die DGE berichtet, wird lediglich in bestimmten Altersgruppen bei wenigen Vitaminen ein Unterschreiten der Referenzwerte beobachtet:
Unterschritten werden sie für Vitamin A bei 7- bis 11-jährigen Mädchen und Vitamin C bei 6 bis 11 Monate alten Säuglingen und über 65-Jährigen in Pflegeheimen. Bei Pflegeheimbewohnern ist darüber hinaus die Zufuhr von einigen B-Vitaminen kritisch. Bei Folat und Vitamin D existieren allerdings in allen Altersstufen bei einem Großteil der Bevölkerung Versorgungslücken. Daher soll auf diese beiden kritischen Vitamine später näher eingegangen werden.
Risikogruppen erkennen Aber auch bei anderen Vitaminen kann es bei einzelnen Bevölkerungsgruppen oder in besonderen Lebenssituationen individuell durch Faktoren wie einseitige Ernährung, mangelhafte Resorption, gesteigerter Bedarf oder Wechselwirkungen mit Arzneimitteln zu einer unzureichenden Versorgung kommen, sodass eine Supplementierung mit Vitaminen und Mineralstoffen durchaus sinnvoll sein kann. Risikogruppen wie beispielsweise Schwangere, Stillende, Leistungssportler, Raucher, Alkoholiker, Vegetarier und Veganer, ältere Menschen oder chronisch Kranke sind besonders gefährdet.
»Vitamin D wird in Mikrogramm (μg) oder in Internationalen Einheiten (IE) angegeben. 1 Mikrogramm entspricht 40 IE bzw. 1 IE entspricht 0,025 Mikrogramm.«
Nutzen Sie die Chance diese Personenkreise hinsichtlich einer adäquaten Mikronährstoffversorgung zu beraten. Gerade Senioren und Personen mit chronischen Krankheiten sind bei uns täglich in der Apotheke. Sie nehmen regelmäßig Medikamente ein, die Wechselwirkungen eingehen oder veränderte Stoffwechselvorgänge und damit einen Mikronährstoffmangel verursachen können. So lösen beispielsweise Cholesterinsenker eine Hemmung der körpereigenen Coenzym-Q10-Synthese aus oder Protonenpumpenhemmer verursachen einen Vitamin-B12-Mangel, da sie die säureabhängige Vitamin-B12-Aufnahme aus Lebensmitteln im Magen behindern. Auch Metformin setzt die Absorption von Vitamin-B12 im Darm herab.
Diabetiker haben zudem stoffwechselbedingt einen erhöhten Bedarf an Vitamin B12, Vitamin B1, Folsäure, Vitamin C, Magnesium und Zink. Ebenso sind Frauen, die regelmäßig orale Kontrazeptiva einnehmen, für einen Mikronährstoffmangel gefährdet, da estrogenhaltige Pillen den Folsäurebedarf steigern können. Bei den Senioren kommt es durch veränderte Ernährungsgewohnheiten und über eine Mangelernährung generell zu einer zu geringen Aufnahme an Vitaminen und Mineralstoffen, vor allem von Vitamin D, Folsäure und Kalzium.
Darüber hinaus bedingen altersassoziierte Veränderungen wie ein geringer werdender Appetit, Schluckund Kaustörungen oder eine nachlassende Aktivität des Intrinsic Faktors Mikronährstoffdefizite, wobei Letzteres einen Vitamin B12-Mangel auslösen kann. Ebenso neigen ältere Menschen dazu, sich nicht mehr regelmäßig nährstoffausgewogene Gerichte zuzubereiten, was generell eine vitamin- und mineralstoffarme Ernährung zu Folge hat. Da Ältere zunehmend multimorbide werden, nehmen sie darüber hinaus oftmals eine Vielzahl von Arzneimitteln ein, die zu einem gestörten Mineralstoffhaushalt führt.
Auch Veganer zählen zu den Risikogruppen. Da bei einer streng veganen Ernährung vor allem die Vitamine B2, B12 und D, Mineralstoffe wie Eisen, Jod, Zink und Kalzium sowie die Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA kritisch sind, können sie von Vitamin- und Mineralstoffpräparaten profitieren. Während sich die meisten der genannten Mikronährstoffe durch einen gut durchdachten Speiseplan noch ausreichend zuführen lassen, ist dies bei Vitamin B12 nicht der Fall, da dies ausschließlich in tierischen Lebensmitteln enthalten ist.
Qual der Wahl Für eine Supplementierung sind die verschiedenen Mikronährstoffe in unterschiedlichsten Dosierungen sowie als Mono- oder in Form von diversen Kombinationspräparaten erhältlich. Die Auswahl eines geeigneten Präparates fällt dabei nicht immer leicht. Meist ist nicht bekannt, wie hoch individuell die optimale Nährstoffzufuhr sein sollte. Theoretisch müssten aufwändige Blut- und Urinuntersuchungen für eine zuverlässige und genaue Beurteilung der Vitaminversorgung und damit einer potenziellen aktuellen Unterversorgung herangezogen werden.
TOLERABLE UPPER INTAKE LEVEL (UL)
Um bei der Dosierung kein Risiko für die Gesundheit einzugehen, sind Zufuhrwerte definiert worden, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit bei langfristiger täglicher Aufnahme vom Körper toleriert werden. Dieser Tolerable Upper Intake Level (kurz UL) bezeichnet also die maximale langfristige Gesamtzufuhr eines Nährstoffes, die auch für sensitive Personen einer gesunden Bevölkerungsgruppe kein Risiko für die Entwicklung von Gesundheitsbeeinträchtigungen beinhaltet.
Da dies nur selten geschieht, wird die erforderliche Nährstoffzufuhr auf Basis des ermittelten Lebensmittelverzehrs meistens berechnet oder abgeschätzt und mit den Referenzwerten verglichen, welche die DGE für die verschiedenen Vitamine und Mineralstoffe veröffentlicht. Bei den Referenzwerten handelt es sich um Nährstoffmengen, die nahezu alle gesunden Personen einer Bevölkerungsgruppe vor mangelbedingten Gesundheitsschäden schützen, für volle Leistungsfähigkeit sorgen und eine gewisse Körperreserve schaffen sollen.
Mit den Referenzwerten werden aber keine vorbeugenden Aspekte zur Verhütung von Erkrankungen explizit miteinbezogen. Allerdings existieren auch keine allgemein gültigen Angaben über präventive Zufuhrhöhen, da in verschiedenen Studien unterschiedliche Mengen experimentell bestimmt wurden. Multipräparate enthalten die Mikronährstoffe oftmals in Höhe der Referenzwerte. Vorteil dieser Präparate ist, dass es in der Selbstmedikation nicht zu einer Überdosierung vor allem der fettlöslichen Vitamine kommen kann. Zudem sind Multivitaminpräparate oft sinnvoll, da ein Nährstoffmangel zum einen häufig mehrere Mikronährstoffe zugleich betrifft. Zum anderen ergänzen sich viele Vitamine in ihrer Funktion und sorgen erst in ihrem Zusammenspiel für einen ungestörten Ablauf der Stoffwechselvorgänge (z. B. Vitamin A und D, Vitamin B6, B12 und Folsäure, Vitamin E und C).
Nachteil der Kombis ist allerdings, dass viele dieser Präparate nicht die erforderlichen Dosierungen aufweisen. Insbesondere Mineralstoffe sind häufig in zu geringen Mengen enthalten. Dann sind Monopräparate vorzuziehen, vor allem wenn ein spezifisches Defizit ausgeglichen werden soll. Es steht eine große Palette an Monopräparaten mit ausreichend hohen Dosierungen für die individuellen Bedürfnisse zur Verfügung. Liegt ein erhöhter Nährstoffbedarf vor, wurde ein Mangelzustand diagnostiziert oder sollen Krankheiten gezielt vorgebeugt oder therapiert werden, sind bei der Präparateauswahl Empfehlungen verschiedener Fachgesellschaften zu berücksichtigen. In manchen Fällen kann auch eine Rücksprache mit dem Arzt erforderlich sein.
Folsäure/Folat Die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Folsäure steht immer wieder im Mittelpunkt gesundheitlicher Diskussionen. Untersuchungsergebnisse haben wiederholt gezeigt, dass die Zufuhrempfehlung für dieses Vitamin über die normale Ernährung im Allgemeinen nicht erreicht wird. 80 Prozent der deutschen Bevölkerung nimmt zu wenig Folat auf. Besonders für Schwangere ist eine Unterversorgung schädlich. Eine unzureichende Versorgung erhöht das Risiko für Neuralrohrdefekte und andere kindliche Fehlbildungen wie Lippen- und Gaumenspalten, angeborene Herzfehler sowie Fehlbildungen der Harnwege. Folsäure (Synonym = Pteroylglutamat) gehört zu den wasserlöslichen B-Vitaminen und besteht aus einem Pteridinring, p-Aminobenzoesäure und L-Glutamat.
Es wurde erstmals aus Spinatblättern isoliert, wie auch die Bezeichnung der Verbindung (lat.: folium = Blatt) erkennen lässt. Folsäure kommt ursprünglich in dieser Form nicht in Naturprodukten vor, sondern ist ein Kunstprodukt, das bei der Isolierung entstanden ist. Die natürlichen Folsäureverbindungen, die in der Nahrung enthalten sind, unterscheiden sich in der Anzahl ihrer Glutamylreste in der Seitenkette. Sie werden als Folate bezeichnet, wobei der wichtigste Vertreter das 5-Methyltetrahydrofolat (5- MTHF) ist.
Folate sind praktisch in allen Blattgemüsen zu finden; daneben weisen Hefe, Weizenkeime und Leber einen hohen Gehalt auf. Folsäure, die für eine Supplementierung eingesetzt wird, ist synthetisch hergestellt und besitzt selbst noch keine Vitaminfunktion. Die Substanz muss im menschlichen Organismus in mehreren Schritten erst in die biologisch aktive Folatverbindung überführt, um verwertet werden zu können. 5-MTHF ist mit einem Anteil von 98 Prozent quantitativ der Hauptmetabolit beim Menschen.
Im Gegensatz zu den sehr instabilen Nahrungsfolaten handelt es sich bei der synthetischen Folsäure aus Arznei- und Nahrungsergänzungsmitteln um stabile Verbindungen, die zudem eine höhere Bioverfügbarkeit besitzen. Da natürliches Folat und synthetische Folsäure unterschiedliche Resorptionsraten besitzen, wird bei den Zufuhrempfehlungen mit Folat-Äquivalenten gerechnet, wobei 1,0 Mikrogramm Folat-Äquivalent mit 1,0 Mikrogramm Nahrungsfolat gleichgesetzt wird und 0,5 Mikrogramm synthetischer Folsäure entspricht.
Folsäure in der Schwangerschaft Folate, welche in Form der Tetrahydrofolsäure im Organismus als Coenzym für die Übertragung von Ein-Kohlenstoffeinheiten fungieren, sind für Zellsysteme mit hoher Teilungsrate notwendig. Somit sind adäquate Folatzufuhren besonders in der Schwangerschaft, einer Zeit permanenter Zellteilung, unverzichtbar für die gesunde Entwicklung des werdenden Lebens. Für die Embryonalentwicklung sind ausreichende Erythrozytenfolatspiegel essenziell. Da sich das Neuralrohr bereits zwischen dem 22. und 28. Tag der Schwangerschaft und damit etwa sechs Wochen nach dem ersten Tag nach der letzten Menstruation schließt, müssen präventiv wirksame Erythrozytenfolatspiegel bereits vor der Schwangerschaft aufgebaut werden, um kindliche Fehlbildungen zu vermeiden.
Die DGE empfiehlt Jugendlichen und Erwachsenen eine tägliche Folatzufuhr mit der Nahrung in Höhe von 300 Mikrogramm. Da in der Schwangerschaft der Folatbedarf infolge der Vergrößerung des Uterus, der Anlage in der Plazenta, der Zunahme der mütterlichen Erythrozytenzahl sowie des embryonalen Wachstums steigt, wird für Schwangere eine erhöhte Nahrungsfolataufnahme von 550 Mikrogramm täglich als notwendig erachtet. Dennoch weisen nur wenige Frauen im gebärfähigen Alter einen präventiv wirksamen Erythrozytenfolatspiegel auf.
Zusätzliche -Supplementation Daher plädieren die Fachgesellschaften bei Frauen mit Kinderwunsch für eine zusätzliche tägliche Einnahme von 400 Mikrogramm synthetischer Folsäure für den Zeitraum von mindestens vier Wochen vor der Empfängnis bis mindestens zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels. Diese Supplementierung sollte auch während der Schwangerschaft und Stillzeit aufgrund des erhöhten Bedarfs fortgesetzt werden. Ist bereits ein Neuralrohrdefekt in einer vorangegangenen Schwangerschaft aufgetreten, dann sollte die Folsäuredosis auf 4000 Mikrogramm erhöht werden.
SCHLECHTE MIKRONÄHRSTOFFVERSORGUNG
Ein Vitaminmangel und dadurch bedingte Mangelerkrankungen sind in Deutschland die Ausnahme. Vielmehr zeigen sich latente Unterversorgungen mit unspezifischen Symptomen wie beispielsweise mit einer erhöhten Infektanfälligkeit, Müdigkeit oder Konzentrationsschwäche. Doch auf lange Sicht können aus einer schlechten Mikronährstoffversorgung ernsthafte Folgen resultieren. Sie kann mit einem erhöhten Risiko für verschiedene Krankheiten wie Herzinfarkt, Osteoporose, Diabetes oder Tumorerkrankungen einhergehen.
Erste Versuche, die Folsäureversorgung zu verbessern, bestanden darin, dass Hersteller Präparate mit höheren Folsäuremengen angeboten haben, um schneller auf die erforderlichen Folatspiegel zu kommen. Hintergrund dafür war die Feststellung, dass bei einer Aufnahme von 400 Mikrogramm Folsäure eigentlich eine dreimonatige Einnahme erforderlich wäre, um die präventiv erforderlichen Erythrozytenfolatspiegel zu erhalten. Da eine weitere zeitliche Ausdehnung der präventiven Einnahme aber zumeist das grundsätzliche Problem der zu späten Einnahme nicht lösen würde, kamen Produkte mit 800 Mikrogramm auf den Markt, bei denen weiterhin eine vierwöchige Einnahme vor der Empfängnis ausreicht.
Später kam die Idee, die Folatzufuhr effektiv zu erhöhen, indem gleich ein biologisch aktives Folat zur Verfügung gestellt wird. Folsäure in herkömmlichen Präparaten muss als körperfremde Substanz erst im Organismus zu den vitaminwirksamen Folatverbindungen umgewandelt werden. Das dafür notwendige Enzym, die 5,10-Methylen- THF-Reduktase, ist allerdings bei durchschnittlich jeder zweiten Frau nicht vollständig ausgeprägt. Aufgrund von Mutationen kann es zu einer eingeschränkten Enzymaktivität kommen, welche die Umwandlung von Folsäure in die biologisch aktive Folatform verringert. Durch Verabreichung der direkten Wirkform 5-MTHF kann die Folatversorgung jedoch effektiv verbessert werden.
Vitamin D In den letzten Jahren ist die Bedeutung dieses Vitamins in das Interesse der Wissenschaft gerückt. Lange Zeit wurde es unterschätzt. Während früher nur die Funktion im Kalzium- und Knochenstoffwechsel bekannt war, schreiben neue Forschungsergebnisse dem fettlöslichen Vitamin eine immer größere Rolle in der Prophylaxe und Therapie verschiedener chronischer Krankheiten zu. Heute weiß man, dass die Hauptwirkform des Vitamin D, die stoffwechselaktive Verbindung 1,25 Dihydroxycholecalciferol (Calcitriol) nicht nur der Kalziumund Phosphathomöostase dient, sondern auch wichtige extraskelettäre Effekte besitzt.
In mehr als 30 Organen und Geweben trägt Vitamin D dazu bei, etwa 300 verschiedene Gene zu aktivieren. Neben den Zellen der klassischen Zielorgane (Knochen, Nieren, Intestinaltrakt, Nebenschilddrüsen) benötigen auch weitere physiologische Systeme (Immunsystem, Bauchspeicheldrüse, Herz-Kreislaufsystem, Muskeln, Gehirn, Zellzyklus) Vitamin D für ihre volle Funktionstüchtigkeit.
Ein unzureichender Vitamin-D-Status erhöht daher nicht nur das Osteoporoserisiko oder macht sich in den Knochenkrankheiten Rachitis und Osteomalazie bemerkbar. Studien haben beobachtet, dass ein niedriger Vitamin D-Serumspiegel mit einer erhöhten Infektanfälligkeit, verstärkten Müdigkeit und Muskelschwäche assoziiert ist sowie im Zusammenhang mit verschiedenen Krankheiten wie beispielsweise Karzinomen, kardiovaskulären Erkrankungen oder Diabetes mellitus Typ 2 steht.
ZUSATZINFORMATIONEN
Neue Referenzwerte für die Vitamin-D-Zufuhr
Die Anerkennung der Bedeutung einer ausreichenden Versorgung mit Vitamin D spiegelt sich auch in der von der DGE erfolgten Erhöhung der Referenzwerte für Vitamin D wieder. Demnach wurden aktuell in der Altersgruppe Säuglinge bis 12 Monate die Werte auf von 5 Mikrogramm (200 I.E.) auf 10 Mikrogramm (400 I.E.) und bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen von 10 Mikrogramm (400 I.E.) auf 20 Mikrogramm (800 I.E.) Vitamin D pro Tag heraufgesetzt.
Doch es ist nicht einfach, den menschlichen Organismus mit einer ausreichenden Menge an Vitamin D zu versorgen. Er ist zwar nicht allein auf die alimentäre Zufuhr angewiesen, da er das fettlösliche Vitamin zudem größtenteils in der Haut durch Exposition mit UVB-Licht synthetisiert. Beide Wege sind aber nicht problemlos. Zum einen werden gute Vitamin-D-Lieferanten wie fette Fischsorten (z. B. Hering, Makrele) in Deutschland nur selten verzehrt, so dass es nahezu unmöglich ist, über eine normale Ernährung eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung sicherzustellen.
Laut Angaben der DGE beträgt die über die üblichen Lebensmittel aufgenommene Menge an Vitamin D bei Jugendlichen und Erwachsenen lediglich 2 bis 4 Mikrogramm (80 bis 160 I.E.). Zum anderen ist auch der Beitrag der endogenen Synthese zur Vitamin-D-Versorgung nicht immer gewährleistet. In den sonnenarmen Monaten zwischen Oktober und April mangelt es in unseren Breitengraden an UVB-Strahlung, um die Vitamin D-Produktion in der Haut ausreichend anzukurbeln. Aber auch in den sonnenreichen Monaten zwischen Mai und September kann die körpereigene Produktion von Vitamin D schwierig sein. So minimiert der vermehrte Gebrauch von Pflegeprodukten mit Lichtschutzfaktoren (LSF) die endogene Vitamin-D-Synthese (Beispiel: schon ein LSF von 10 bremst die Vitamin D-Produktion um 95 Prozent).
Ein Vitamin-D-Mangel ist daher in unseren Breitengraden weit verbreitet. Repräsentative Untersuchungen belegen, dass im Zeitraum zwischen November und April 68 Prozent der deutschen Männer und 61 Prozent der deutschen Frauen Vitamin-D-Blutspiegel unterhalb von 20 ng/ml (50 nmol/l) aufweisen. Diese Grenze legen aktuelle Guidelines für einen definitiven Vitamin-D-Mangel zugrunde. Bei Frauen im Alter von 65 bis 75 Jahren haben sogar 73 Prozent eine bedenkliche Mangelversorgung. Noch auffallender ist es bei Kindern und Jugendlichen. Bei 80 Prozent der Jungen und 79 Prozent der Mädchen liegt die Konzentration an Vitamin D unter dem gewünschten Wert von 20 ng/ml. Allerdings wird ein Vitamin-D-Mangel oft nicht bemerkt.
Vitamin-D-Supplementierung
Kann eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D nicht über die Ernährung oder körpereigene Bildung sichergestellt werden, raten Fachgesellschaften wie die DGE zur Einnahme eines Vitamin-D-Präparates. Eine Supplementierung ist aber nicht nur im Winterhalbjahr in unseren Breiten sinnvoll. Personen, die sich bei Sonnenschein kaum oder gar nicht beziehungsweise nur vollständig bekleidet im Freien aufhalten oder Personen mit dunkler Hautfarbe benötigen zur Sicherstellung der gewünschten Vitamin-D-Serumkonzentration ein Vitamin D-Präparat.
Zudem ist eine Supplementierung in der Altersgruppe ab 65 Jahren besonders wichtig, da im Alter die Vitamin-D-Syntheseleistung deutlich abnimmt. Für eine prophylaktische Gabe von Vitamin D gibt es keine allgemeine Empfehlung. Allerdings hat sich bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen im Winterhalbjahr die tägliche Gabe rezeptfreier Vitamin-D-Präparate mit 1000 I.E. zur Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung mit Vitamin D bewährt.
Liegt schon ein Vitamin-D-Mangel vor, raten Fachgesellschaften, entsprechend zu substituieren. Dabei sollte eine Substitution in Abhängigkeit von den tatsächlichen Vitamin-D-Spiegeln erfolgen. Anfangs kann es bei einem vorliegenden Mangel notwendig sein, höhere Dosen von bis zu 4000 Einheiten pro Tag zur Aufsättigung zu geben. Allerdings sollten solch hohe Dosen nur unter ärztlicher Aufsicht und begleitender Labor-Kontrolle erfolgen. Sind die Serumspiegel im therapeutischen Bereich, kann auf eine Erhaltungsdosis reduziert werden.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/15 ab Seite 34.