Sarkoidose
NOCH VIEL ZU SELTEN ERKANNT
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Bei einer Sarkoidose kommt es zu einer Entzündung und in der Folge zu einer überschießenden zellulären Immunantwort des Körpers. Dabei werden Immunzellen in das Bindegewebe des betroffenen Organs eingelagert, die mikroskopisch kleine, fest umschriebene Knötchen bilden, die man als Granulome bezeichnet. Diese Granulome bestehen hauptsächlich aus Epitheloidzellen, aber auch Riesen-Langhanszellen, umgeben von einem Lymphozytenwall. Die Knötchen können sich vollständig zurückbilden, aber auch vernarben.
Wodurch die Entzündung ausgelöst wird, ist bisher noch nicht ausreichend erforscht. Es gibt Anzeichen, dass Umweltgifte oder Feinstaubbelastungen eine Rolle spielen, aber auch, dass bakterielle Infektionen der Grund sein könnten. Bei einigen Arten wurden Mykobakterien nachgewiesen, eine Bakteriengruppe, zu denen zum Beispiel auch Tuberkulose- und Lepraerreger gehören. Allerdings lässt sich eine Sarkoidose mit Tuberkulosemedikamenten nicht therapieren.
Auffällig ist die familiäre Häufung der Krankheit: Das Risiko, überhaupt an Sarkoidose zu erkranken, beträgt etwa 1:10 000; ist jedoch ein naher Verwandter betroffen, erhöht es sich jedoch auf 1:100. Das legt eine genetische Prädisposition nahe. Tatsächlich fanden Wissenschaftler 2001 auf dem Chromosom 6 das erste „Krankheitsgen”. Es trägt die „Bauanleitung” für das Eiweiß BTNL-2, das offenbar die Aktivierung bestimmter weißer Blutkörperchen beeinflussen kann. Durch einen Fehler im genetischen Bauplan, einer Mutation, funktioniert das Eiweiß nicht mehr richtig. Liegt eine fehlerhafte Kopie des Gens vor, erhöht sich das Risiko an Sarkoidose zu erkranken um 60 Prozent. Sind die BNTL-2-Gene beider Chromosomen betroffen, ist das Risiko sogar drei Mal so hoch.
Unspezifische Symptome Eine Sarkoidose ist systemisch, das heißt, die Entzündungsreaktionen können überall im Körper auftreten. Die Symptome sind meist unspezifisch und erinnern eher an einen grippalen Infekt oder Atemwegserkrankungen. Oft klagen die Betroffenen über Fieber, Mattigkeit, Abgeschlagenheit, trockenen Husten und Atemnot, Übelkeit, Brechreiz und Magenbeschwerden. Das macht das Erscheinungsbild der Krankheit sehr vielfältig, wodurch sie auch sehr schwierig zu diagnostizieren ist – es sei denn, die Haut wird in Mitleidenschaft gezogen. Dann sind die typischen Knötchen gleich sichtbar.
»Die akute Form hat eine Spontanheilungsrate von 80 bis 90 Prozent.«
Trotzdem wird nicht immer sofort die richtige Diagnose gestellt, denn selbst bei Ärzten ist die Sarkoidose noch recht unbekannt, da sie zu den „orphan diseases”, den seltenen Krankheiten, gehört. In ganz Deutschland gibt es nur etwa 30 000 Patienten. Die Dunkelziffer könnte allerdings sehr viel höher sein, denn häufig entwickelt sich die Sarkoidose so langsam, dass sie kaum Probleme verursacht. Bei jedem zweiten chronischen Fall kommt es außerdem ohne Behandlung zu einem Stillstand, die akute Verlaufsform hat sogar eine Spontanheilungsrate von 80 bis 90 Prozent. Meist tritt die Sarkoidose im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auf, in jüngeren Jahren sind mehr Männer, in älteren Jahren mehr Frauen betroffen.
Verschiedene Ausprägungen Die Krankheit kann jede Bindegewebsstruktur im Körper befallen. Am häufigsten ist mit etwa 95 Prozent die Lungensarkoidose, am seltensten der Befall des Herzens oder des Nervensystems (etwa 5 bis 15 Prozent). Die Lymphknoten sind fast immer befallen. Gefährlich wird eine Sarkoidose der inneren Organe, wenn eine starke narbige Umbildung des Bindegewebes stattfindet. Hierdurch kann die Funktionsfähigkeit des Organs schließlich so stark eingeschränkt sein, dass der Patient daran verstirbt, was allerdings nur sehr selten vorkommt.
AUGENSARKOIDOSE
Gefährlich kann auch diese Form werden, ihre häufigste Art ist die Regenbogenhautentzündung (Uveitis). Kommt es hierbei zu einer Beteiligung des Sehnervs, kann das bis zur Erblindung führen. Für alle Sarkoidosepatienten ohne Beteiligung des Augengewebes wird daher ein Mal im Jahr eine vorbeugende augenärztliche Untersuchung empfohlen.
Bei jedem vierten Betroffenen ist die Haut beteiligt. Dabei kann es zu großflächer, plaqueartiger Veränderung des Bindegewebes, zu der typischen Granulombildung, aber auch zur Entstehung von Knötchen mit begleitender starker Entzündung des Unterhautfettgewebes (Erythema nodosum) kommen.
Meist zeigt sich eine Hautsarkoidose erst, wenn bereits andere Bindegewebsstrukturen befallen sind. Daher sollten bei dieser Diagnose immer auch die inneren Organe mit untersucht werden. Eine Herzsarkoidose muss immer medizinisch behandelt werden, denn trotz der hohen Spontanheilungsraten bei Sarkoidose ist das Risiko eines plötzlichen Herztodes zu groß.
Die akute Form Neben der schleichend einsetzenden chronischen Verlaufsform existiert auch eine akute Form der Sarkoidose, die man als „Löfgren-Syndrom” bezeichnet. Es macht etwa fünf Prozent aller Sarkoidoseerkrankungen aus und betrifft hauptsächlich junge Frauen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Erstaunlicherweise ist eine Häufung der Erkrankung im Frühjahr und Herbst zu beobachten. Dies weist auf eine mögliche bakterielle Infektion als Auslöser hin, was aber noch nicht geklärt ist.
Beim Löfgren-Syndrom treten die Symptome sehr plötzlich auf. Ähnlich wie bei einer Lungenentzündung klagen die Betroffenen über Reizhusten und Atemnot, dazu kommen Fieber, Müdigkeit und Gelenkschmerzen. Die Lymphknoten sind beidseitig geschwollen und in der Haut kommt es zur Bildung eines Erythema nodosum. Diese Entzündung befällt meist die unteren Extremitäten, wobei die betroffenen Stellen gerötet, geschwollen und sehr druckempfindlich sind.
Bei bestehendem Verdacht auf Löfgren-Syndrom werden Lungenuntersuchungen durch bildgebende Verfahren, Lungenfunktionsprüfungen sowie eine Bronchoskopie mit Biopsie eingesetzt, um Knötchenbildungen beziehungsweise die typischen Granulome diagnostizieren zu können. Behandelt wird das Löfgren-Syndrom mit Entzündungshemmern wie ASS, Diclofenac oder Ibuprofen. Ist auch die Lunge befallen, kommt Kortison zum Einsatz.
In hartnäckigen Fällen kann die Gabe von Zytostatika wie Methotrexat oder Azathioprin notwendig werden. Meist heilt das Löfgren-Syndrom innerhalb von zwei bis drei Jahren aus. Während dieser Zeit ist jedoch eine engmaschige Kontrolle notwendig, auch, um eventuelle Übergänge zur chronischen Sarkoidose frühzeitig bemerken zu können.
Therapie meist nur bei Beschwerden Die chronische Form der Sarkoidose benötigt in vielen Fällen gar keine medikamentöse Therapie, allerdings regelmäßige Kontrolluntersuchungen, um den Krankheitsgrad zu bestimmen. Da die Ausprägungen unterschiedlich sind, fallen, sobald Beschwerden auftreten, auch die Therapien unterschiedlich aus. Man wird immer versuchen, die Symptome zu lindern, also beispielsweise mit Entzündungshemmern zu arbeiten.
Wie bei der akuten Form kommen bei einer den Organismus gefährdenden Beteiligung der inneren Organe Glukokortikoide zum Einsatz, allerdings ist die Anwendung von Kortison nicht unumstritten. In schwereren Fällen können auch bei der chronischen Verlaufsform Zytostatika eingesetzt werden. Hautsarkoidosen versucht man mit dem Antibiotikum Minocyclin zu therapieren, das zum Beispiel auch bei schwerer Akne eingesetzt wird. Erstaunlicherweise kann der Gichtarzneistoff Allopurinol bei Hautsarkoidosen Wirkung zeigen, ein Erklärungsansatz hierfür liegt jedoch bis jetzt nicht vor.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/12 ab Seite 92.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist