Ein Mann reißt sich sein Hemd auf, untendrunter ein Superhelden-Outfit
Ist es ein Vogel? Ist es ein Flugzeug? Nein, es ist ein Superantibiotikum! © Nastco / iStock / Getty Images Plus

Forschungserfolg | Keine Resistenzbildung

NEUES ANTIBIOTIKUM BEKOMMT NAMEN AUS EINEM HOLLYWOODFILM

Es gibt ein neues Superantibiotikum. Daran sind gleich zwei Dinge bemerkenswert: Zum einen wurde das Medikament mittels Künstlicher Intelligenz gefunden. Zum anderen erhielt es seinen Namen aus einem Science-Fiction-Film.

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Wissenschaftler sind manchmal wie kleine Kinder. Vielleicht freuten sie sich aber auch wie solche, als sie feststellten, dass sie mit ihren innovativen Methoden ein neues Antibiotikum gefunden hatten, dass gegen viele resistente Bakterien ganz ausgezeichnet wirkt. Wer sich aus dem Kreis der Wissenschaftler des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) dann an Stanley Kubricks Film „2001: Odyssee im Weltraum“ erinnerte, ist nicht überliefert. Doch in Anspielung an den schlauen Computer im Film, der HAL 9000 heißt, wurde der Wirkstoff Halicin genannt.

Beim Design von Halicin half die Künstliche Intelligenz (KI) kräftig mit. Die Forscher hatten nämlich ein Computerprogram entwickelt, das sie darauf trainierten, in chemischen Strukturformeln Besonderheiten zu identifizieren, die ein Abtöten von Escherichia coli bewirkten. Hierzu verwendeten sie rund 2500 Strukturformeln von Arzneistoffen. Als das Programm fertig war, spuckte es aus einer Datenbank von 6000 Substanzen eine aus, die ursprünglich als mögliches Antidiabetikum entwickelt worden war, jetzt aber eine starke antibiotische Wirksamkeit erwarten ließ: Das Halicin war geboren. Es hatte noch andere gute Eigenschaften: Die KI berechnete eine voraussichtlich niedrige Toxizität auf menschliche Zellen (denn die Versuche fanden bislang nur an Mäusen statt). Eine hervorragende Wirksamkeit entwickelte Halicin auch gegen Problemkeime wie Clostridium difficile, Acinetobacter baumannii und das Mycobacterium tuberculosis.

Bemerkenswert ist auch eine andere Eigenschaft von Halicin: Es ist sehr schwierig für Bakterien, eine Resistenz dagegen zu entwickeln. Die verwendeten E. coli-Stämme wurden im Labor auch nach 30 Behandlungstagen nicht resistent gegen die neue Substanz. Zum Vergleich: gegen Ciprofloxacin setzte die Resistenzentwicklung bereits nach ein bis zwei Tagen ein und nach 30 Tagen waren die Bakterien sogar 200 Mal resistenter gegen das Fluorchinolon als zu Beginn der Behandlung.

Das liegt im Übrigen daran, dass Halicin sich strukturell von allen bislang bekannten Antibiotika unterscheidet und auch einen neuen Wirkmechanismus hat. Halicin stört nämlich den elektrochemischen Gradienten der Bakterien. Diesen Gradienten braucht die Bakterienzelle aber, denn sie gewinnt dadurch Energie. Ist diese Zufuhr abgeschnitten, stirbt sie.

Die Forscher sind so begeistert über das KI-System, dass sie noch mehr potenzielle Anwendungsgebiete erforschen wollen – etwa die Optimierung bekannter Wirkstoffe oder die Identifikation von Substanzen, die gezielt nur bestimmte pathogene Bakterien töten, unschädliche Darmbakterien aber nicht.
Bleibt nur die Hoffnung, dass sich Halicin nicht zu sehr an seinem Namengeber orientiert: Der Supercomputer HAL entwickelt nämlich im Laufe des Films ein Eigenleben und tötet mehrere Menschen, bevor er abgeschaltet werden kann.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quelle: Pharmazeutische Zeitung

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