Eine HIV-Infektion ist heute nicht mehr direkt mit einem Todesurteil gleichzusetzen. Trotzdem bestimmt die regelmäßige und konsequente Medikamenteneinnahme fortan das Leben der Patienten. © dolgachov / 123rf.com

HIV | Compliance

NEUE GALENIK SOLL COMPLIANCE VON HIV-PATIENTEN VERBESSERN

US-amerikanische Forscher stellten im Fachjournal „Nature Communications“ eine spezielle Wirkstoff-Polymer-Matrix vor, die mit antiretroviralen Wirkstoffen beladen wochenlange therapeutische Wirkspiegel ermöglichen kann. Diese Entwicklung könnte die Therapietreue vieler HIV-Infizierter und auch ihre Lebensqualität deutlich verbessern.

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Seit Identifizierung des HI-Virus und der damit assoziierten Erkrankung AIDS sind laut Schätzungen bisher etwa 39 Millionen Menschen an den Folgen einer Infektion gestorben. Aufgrund einer intensiveren Forschung an geeigneten antiretroviralen Arzneistoffen und einer umfassenden Aufklärungsarbeit, sinkt die Zahl der Neuinfektionen und Todesfälle stetig. Dennoch besteht das Leben der allein in Deutschland lebenden circa 84 700 Menschen aus einer konsequenten täglichen Einnahme verschiedener Arzneistoffe, bestenfalls in Form von Fixkombinationen. Im Rahmen der immer noch empfohlenen HAART (hochaktive antiretrovirale Therapie) werden zwei nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI, meist Tenovovir, Lamivudin, Emtricitabin) mit einem nicht-nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Hemmer (NNRTI, meist Rilpivirin) oder mit einem Proteasehemmer (Darunavir), welcher durch eine geringe Dosis Ritonavir geboostert wird, kombiniert. Trotzdem kommt es häufig zur Ausbildung von Resistenzen, wodurch auch Einzelsubstanzen zum Einsatz kommen können. Dadurch kann der Tagesablauf eines HIV-Patienten schon sehr von einer korrekten Tabletten-Einnahme diktiert werden.

Eine neue galenische Form könnte die Therapie revolutionieren. Denn die aus einer Wirkstoff-Polymer-Matrix zusammengesetzte Kapsel müsste nur einmal die Woche eingenommen werden. Ein ähnliches System konnte bereits in der Behandlung von Schweinen überzeugen. Hierfür entwickelten die Forscher eine Retardkapsel mit dem gegen Ektoparasiten wirksamen Ivermectin, die eine nachweisbare therapeutische Dosis über zwei Wochen freisetzte. Aber wie funktioniert das ganze genau?

Die Wissenschaftler vom MIT (Massachusetts Institute of Technology) entwickelten eine sternenförmige Matrix aus einem speziellen, biologisch abbaubaren Polymer. Dieser Stern verfügt dabei über sechs Zacken oder Arme, die in der Mitte zu einem elastischen Kern zusammenlaufen. Diese Arme können dann nach Bedarf mit den antiretroviralen Wirkstoffen (entsprechend der HAART) beladen werden. Das Besondere dabei: Es können nicht nur unterschiedliche Arzneistoffe verabreicht werden, sondern auch abhängig von den jeweils eingesetzten Polymeren unterschiedliche Freisetzungskinetiken der einzelnen Pharmaka erreicht werden. Durch die räumliche Trennung beeinflussen sich die Wirkstoffe nicht in ihren physikochemischen Eigenschaften, wodurch, alleine durch die Struktur der Galenik, eine Einnahme von sechs verschiedenen Arzneistoffen gleichzeitig möglich ist. Der Stern wird dann nur noch zur Einnahme „zusammengefaltet“ und in eine Kapsel verpackt.

Nach der oralen Anwendung entfaltet sich dann der Träger im Magen, verbleibt dort und setzt in dieser Zeit gleichmäßig therapeutische Dosen frei. Die Wissenschaftler konnten bereits in Schweinen therapeutische Dosen der antiretroviralen Pharmaka feststellen. Weitere Untersuchungen am Menschen sollen nun folgen. Einige Limitierungen stehen allerdings schon fest: Tenofovir eignet sich nicht, da es nicht säurestabil ist und somit im Magen nach einiger Zeit inaktiviert werden würde. Zudem können die Zacken des Sterns nur mit Wirkstoffen beladen werden, die eine maximale Tagesdosis von 50 Milligramm nicht überschreiten, sonst wird die Kapsel zu groß für die orale Einnahme.

Farina Haase,
Volontärin, Apothekerin

Quelle: Apotheke adhoc

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