Pilz © Robby Boehme / stock.adobe.com
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Rezeptoren

MUSCARIN- REZEPTOREN TEIL 1

Tränen, Angst und Schweißausbruch! Ist das der Titel eines Dreigroschenromans oder beschreibt es die Gefühle vor einer Prüfung? Nein, hier geht es um ein Pilzgift und warum Rezeptoren danach benannt wurden.

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Der Substanzname Muscarin wurde fälschlicherweise vom Fliegenpilz Amanita muscaria abgeleitet, aus dem es 1869 als angebliches Hauptgift isoliert wurde. Heute ist bekannt, dass die eigentliche Giftwirkung auf die Substanzen Muscimol und Ibotensäure zurückzuführen ist. Hohe Konzentrationen an Muscarin finden sich tatsächlich in Trichterlingen und Risspilzen. Die Ziel-Rezeptoren dieses Alkaloids wurden demnach Muscarin-Rezeptoren genannt.

Physiologie Das vegetative Nervensystem (NS), synonym wird auch vom autonomen NS gesprochen, ist vom Willen nicht beeinflussbar. Es gehört zu unseren wichtigsten Steuereinheiten lebensnotwendiger Funktionen wie Kreislauf, Atmung, Peristaltik des Darms, Tonus der glatten Muskulatur, Sekretion von Speichel- und Schweißdrüsen sowie von Drüsen des Magen-Darm-Traktes und des Zellstoffwechsels. Funktionell wird es in Sympathikus und Parasympathikus eingeteilt, die antagonistisch, also gegenläufig zueinander arbeiten.

Der Parasympathikus ist zuständig für Regeneration, Erholung und Energiebereitstellung, indem die Aktivität des Magen-Darm-Traktes und die Tätigkeit der Verdauungsdrüsen gesteigert werden, während er Blutdruck, Herzfrequenz und die Atemfrequenz absenkt. Physiologisch ist hier Acetylcholin (ACh) der wirksame Neurotransmitter, der agonistisch an den cholinergen Rezeptoren wirkt. Der Abbau von ACh erfolgt durch die Acetylcholin-Esterase, die zur Spaltung des Esters in Cholin und Essigsäure führt. In-vitro-​Versuche mit den Substanzen Muscarin und Nicotin führten zur Unterscheidung in zwei Rezeptorgruppen. An den muscarinergen Acetylcholin-​Rezeptoren wirkt neben ACh auch Muscarin agonistisch, jedoch wird durch Nicotin kein Effekt ausgelöst.

Nicotinerge Acetylcholin-Rezeptoren wiederum werden durch ACh sowie Nicotin innerviert, zeigen aber keine Reaktion auf Muscarin. Aus diesen unterschiedlichen Wirkungen der Substanzen wurden die Namen der Rezeptoren abgeleitet. Muscarin ist ein Neurotoxin, bindet zwar selbst reversibel an muscarinerge Rezeptoren, kann jedoch nicht durch das Enzym Acetylcholin-Esterase abgebaut werden. So führt Muscarin zu einer Dauerreizung der betroffenen Nerven, was die Ausprägung von Vergiftungssymptomen des sogenannten Muscarin-Syndroms zur Folge hat. Muscarin-Rezeptoren befinden sich in Teilen des zentralen als auch des peripheren NS. Durch die Dauerreizung kommt es zu starkem Speichel- und Tränenfluss, Pupillenverengung (Miosis), Schweißausbruch, Erbrechen, Durchfall und Kreislaufproblemen bis hin zum Tod durch Herzlähmung.

Aufbau Muscarin-Rezeptoren oder mACh-Rezeptoren sind transmembrane ACh-Rezeptoren, bestehend aus einer Kette von 400 bis 500 Aminosäuren, die eine α-Helix-Struktur aufweist. In dieser spiraligen Anordnung durchzieht die Kette als Bündel insgesamt sieben Mal die Membran. Diese Rezeptoren gehören zu den metabotropen Rezeptoren, das bedeutet, dass sie ihre Wirkung indirekt durch die Beteiligung eines an der Innenseite der Membran sitzenden Second-​Messengers entfalten. Und damit unterscheiden sie sich grundsätzlich von den Nicotin-​Rezeptoren, bei denen es zu einer ionotropen Erregungsübertragung kommt, also unter Beteiligung von Ionen.

Bei Muscarin-Rezeptoren gibt es fünf Subtypen (M1-M5), die sich sowohl in Anzahl als auch in Zielgewebe und im Reaktionsweg des Second-Messengers unterscheiden. M1-Rezeptoren finden sich vorwiegend im Gehirn, wo ACh unsere kognitiven Fähigkeiten wie beispielsweise Lernen beeinflusst. M2-Rezeptoren sitzen vorwiegend im Sinus- und AV-Knoten des Herzens. Über die Öffnung von Kaliumkanälen kommt es zu einer erhöhten Kaliumleitfähigkeit, was eine Hyperpolarisation der Zelle bedingt. Das Resultat: Die Erregungsweiterleitung und die Schlagfrequenz des Herzens werden gesenkt (negativ chronotrope und negativ dromotrope Wirkung).

M3-Rezeptoren befinden sich in hoher Zahl in der glatten Muskulatur des Gastrointestinal-Traktes und des Urogenital-Traktes, an der Speicheldrüsen und im Auge. Im Magen wird durch ACh vermehrt Salzsäure ausgeschüttet, die Drüsen der genannten Zielorgane erhöhen ihre Sekretion und an den Bronchien kontrahiert sich die Muskulatur und die Luftwege verengen sich. Im Endothel kommt es zudem über eine Aktivierung der Stickstoffmonoxid-Synthese zu einer Entspannung der glatten Muskulatur. M4-Rezeptoren kommen an den Basalganglien im Großhirn vor, ihre Funktion ist noch nicht eindeutig aufgeklärt. M5-Rezeptoren befinden sich vermehrt in der Substantia nigra (funktioneller Teil der Basalganglien), deren dunkle Erscheinung auf den hohen intrazellulären Gehalt an Melanin und Eisen zurückzuführen ist.

Alle M-Rezeptoren gehören zu den G-Protein-gekoppelten Rezeptoren. Das bedeutet, dass sie über sogenannte G-Proteine (GTP-bindende Proteine) eine zelluläre Signalkaskade auslösen. M1-, M3- und M5-Rezeptoren sind Gq-gekoppelte-​Rezeptoren. Die ausgelöste Signalkaskade wird über einen Nebenweg mittels eines second-messengers vermittelt und führt daher über einen Umweg am Zielorgan zur Auslösung des Ereignisses (zum Beispiel der Ausschüttung von Salzsäure aus den Belegzellen). M2- und M4-Rezeptoren gehören zu den Gi-gekoppelten-Rezeptoren und wirken inhibitorisch, lösen also eine hemmende Signalkaskade aus.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 07/18 ab Seite 52.

Bärbel Meißner, Apothekerin 

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