Mann, der sich von Depressionen bedroht fühlt
© ra2 studio - Fotolia.com

Neuer Therapieansatz | Charité

MINOCYCLIN GEGEN DEPRESSIONEN?

Lungenkrebs kommt oft vom Rauchen, Schnupfen kommt von Rhinoviren. Doch woher kommen Depressionen? Liegt ihnen vielleicht eine banale Entzündungsreaktion im Gehirn zugrunde?

Seite 1/1 1 Minute

Seite 1/1 1 Minute

Das Leid der Betroffenen ist oft unermesslich, zumal auch Angehörige stark involviert sind. Anhedonie, so heißt eines der Hauptsymptome der Major-Depression: Eine ausgeprägte Antriebslosigkeit. Es ist schon zu viel verlangt, dem Kanarienvogel ein paar Körner in den Napf zu schütten, geschweige denn zur Arbeit zu gehen.

Die Wissenschaft rätselt immer noch darum, die wahre Ursache von Depressionen zu finden, denn immerhin leidet jeder fünfte Deutsche mindestens einmal im Leben daran. Und bei diesen schlagen bei einem Drittel die gängigen, konventionellen Antidepressiva (Citalopram, Venlafaxin, Mirtazapin) nicht an.

Gerade bei diesen Menschen zeigen sich aber die für Entzündungen typischen CRP –Werte erhöht. Das C-reaktive Protein war für Julian Hellmann-Regen und Vera Clemens von der Charité in Berlin Anlass, einmal nachzuhaken: Sollten tatsächlich Entzündungsprozesse für die Fehlfunktion im Gehirn verantwortlich sein? Das würde auch erklären, warum so viele Patienten auf die gängigen Antidepressiva nicht ansprächen, dafür aber Nebenwirkungen wie Übelkeit, Müdigkeit, Angst und sexuelle Dysfunktion in Kauf nehmen müssten.

Bei Entzündungen im Gehirn werden die Mikroglia-Zellen aktiviert. Die können das komplette Nervensystem so sehr in seiner Funktion stören, dass beispielsweise Transmitter nur noch in geringem Maße übertragen werden, was zur Antriebslosigkeit führt.

Der neue Denkansatz, einfach gegen die Entzündung vorzugehen, wird derzeit in einer dopppelblinden Placebo-Studie überprüft; weder Ärzte noch Patienten wissen, welcher Gruppe letztere angehören. Man verwendet dabei den Wirkstoff Minocyclin, der eigentlich den Dermatologen vorbehalten ist, denn er wird gern gegen Akne eingesetzt, wo er gegen Entzündungen in der Haut wirkt. Dringt Minocyclin jedoch ins Gehirn ein, hemmt es die Mikroglia-Zellen und verhindert auch den Abbau von VitaminA, das ebenfalls antientzündlich wirkt.

Das Ärzteteam an der Charité wartet schon mit Spannung auf die Ergebnisse im kommenden Jahr: Dann wird sich herausstellen, ob mancher an Depression Erkrankte an einer banalen Entzündung im Gehirn leidet – die leicht behandelt werden kann. Denn das wäre eine Hoffnung für diejenigen, bei denen die typischen Antidepressiva nicht anschlagen.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

×