Luststörungen
LUST UND FRUST
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Am Anfang ist alles kein Problem und Partner, die sich neu gefunden haben, können oft kaum die Hände voneinander lassen. Doch kehren in der Beziehung Alltag und Routine ein, schlafen viele Paare deutlich seltener miteinander. Stattdessen nehmen Gespräche über den Alltag oder über den Haushalt immer mehr Raum ein.
Sex ist ein Stück Lebensqualität Was erhoffen sich Menschen eigentlich vom Geschlechtsverkehr, wenn es nicht gerade um den Nachwuchs geht? Für Frauen sind sowohl körperliche als auch emotionale Aspekte von Bedeutung. Sie wünschen sich Zuneigung und Nähe ebenso wie körperliche Befriedigung. Eine Untersuchung zeigte, dass bei Frauen die sexuelle Lust davon beeinflusst wird, wie verbunden sie sich mit ihrem Partner fühlen. Ob das Verlangen umgesetzt wird, hängt mitunter vom sexuellen Funktionsniveau des Mannes ab. Die Libido des Mannes ist hingegen nicht von den Rahmenbedingungen abhängig, sondern vom sexuellen Funktionsniveau beider Partner.
Jede Beziehung durchläuft ihre Höhen und Tiefen – auch was das Thema Sex angeht. Sie bleibt nie so, wie sie einmal begonnen hat, und verändert sich stattdessen kontinuierlich. Die Verliebtheit hört nach etwa zwei bis fünf Jahren auf, das Verlangen nach Sexualität und körperlicher Intimität verringert sich ebenso. Allmählich rücken andere Dinge in den Vordergrund, wie etwa gemeinsame Hobbys, ein Hausbau oder die Erziehung der Kinder. Manche Liebesbeziehungen verwandeln sich in platonische Freundschaften, sodass Lust und Leidenschaft gar keine Rolle mehr spielen. Dennoch sind Liebende, auch ohne Sexualität, stark aneinander gebunden und in langen Beziehungen herrscht oft eine große Vertrautheit. Für viele Menschen ist der regelmäßige Geschlechtsverkehr gar nicht so wichtig, stattdessen genießen sie Kuscheln, Küssen und liebevolle Berührungen.
Phasen einer Partnerschaft Grundsätzlich geht man davon aus, dass die Partner zusammen vier Beziehungsphasen erleben: In der ersten Verliebtheitsphase findet der Geschlechtsverkehr zwischen den beiden Verliebten häufig statt und die Partner sind offen gegenüber der Sexualität. Sie idealisieren sich, sehen im Gegenüber nur die positiven Seiten und entsprechend verläuft der Geschlechtsverkehr. Nach etwa ein bis eineinhalb Jahren wird die rosarote Brille meist abgelegt und die Beziehung verändert sich, auch im Schlafzimmer. In der folgenden Gewöhnungsphase leben Paare ihren Alltag gemeinsam und im Bett tritt gelegentlich Langeweile ein, vor allem wenn man bereits viel ausprobiert hat.
Allerdings besteht kein Grund zur Sorge, denn die Gewöhnungsphase kommt in den besten Beziehungen vor. Die gute Nachricht: In der anschließenden Wiederentdeckungsphase geht es unter Umständen noch heißer her, vorausgesetzt die Partner üben sich in Disziplin und Geduld und nehmen sich ausreichend Zeit füreinander. Es empfiehlt sich beispielsweise, einmal wöchentlich einen festen Termin einzurichten, an dem man über Sex spricht und seine Wünsche offen und ehrlich äußert. Häufig findet man Dinge, die man gemeinsam entdecken und ausprobieren möchte, sodass die Flaute im Bett wieder endet.
Wer mit seinem Partner alt wird, erlebt die vierte und letzte Phase, die den gemeinsamen Alterungsprozess betrifft. Ältere Männer haben häufig mit Potenzproblemen zu tun, während Frauen in den Wechseljahren oft die Lust verlieren. Scheidentrockenheit oder Inkontinenz sind Faktoren, welche einem befriedigenden Sexualleben im Alter ebenfalls entgegenstehen. Trotz aller Probleme betreiben 30 Prozent der über 80-Jährigen, die in einer Partnerschaft leben, noch immer Geschlechtsverkehr – ein Zeichen dafür, dass Beziehungen auch im hohen Alter aufregend sein können.
Frust im Bett Der Sexualtrieb wird größtenteils durch Hormone gesteuert und zwar durch Estrogen und Testosteron, die beide das Verlangen fördern. Bei Männern liegen die Hormone in einem anderen Verhältnis als bei Frauen vor, ihr Testosteronspiegel ist höher, während beim weiblichen Geschlecht das Estrogen überwiegt. Luststörungen, also Störungen der sexuellen Erregbarkeit oder sexuelle Appetenzstörung, zählen zu den häufigsten Sexualstörungen und können auf organischen oder psychischen Erkrankungen basieren. Viele Kunden schämen sich für die Problematik, sodass es ihnen schwer fällt, das Thema beim Arzt oder in der Apotheke offen anzusprechen.
Sollten sie sich überwinden und über ihre sexuelle Unlust berichten, sollten PTA und Apotheker den Leidensdruck ernst nehmen und Betroffenen raten, einen Arzt zu konsultieren, um die Ursachen herauszufinden. Die Scham aufseiten der Kunden kann reduziert werden, indem PTA und Apotheker die Bedeutung der sexuellen Gesundheit verdeutlichen. Tipps wie „Entspannen Sie sich doch einfach.“ oder „Trinken Sie doch vorher ein Glas Sekt.“ sind hingegen kontraproduktiv und sollten daher vermieden werden. Es gibt zahlreiche Auslöser, die als Lustkiller fungieren können. Stressoren, die zu sexuellen Störungen führen, sind Streit mit dem Partner, traumatische sexuelle Erfahrungen, Trauer, Depressionen, Hochzeit, Scheidung, die Geburt der Kinder oder Affären.
Auch die Einnahme von Medikamenten wie beispielsweise Antidepressiva kann die sexuelle Libido vermindern. Weisen Sie Kunden dennoch darauf hin, dass sie Medikamente aufgrund von Nebenwirkungen wie einer verminderten Libido nicht eigenmächtig absetzen oder die Dosierung reduzieren sollten. Besser ist es, die Problematik mit dem Arzt zu besprechen und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Darüber hinaus reduzieren Faktoren, wie die Angst zu versagen, eine schlechte Kommunikation, Schuldgefühle, der Verlust der sexuellen Anziehung oder psychische Erkrankungen die Lust auf den Geschlechtsverkehr. Die Enttäuschung über die mangelnde Befriedigung stellt ebenfalls einen Lustkiller dar. Aus Angst, den Partner/die Partnerin zu verletzen, sprechen Betroffene ihn/sie nicht an und „ertragen“ die Situation.
Diagnose HSDD Bei Frauen äußert sich die Abnahme des sexuellen Interesses durch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr sowie durch Erregungs- und Orgasmusprobleme. Die sexuelle Unlust bezeichnet man als HSDD (Hypoactive Sexual Desire Disorder). Da das Thema Sexualität und Attraktivität in den Medien weit verbreitet ist, fühlen sich Betroffene oft unvollständig und nicht gut genug, geraten unter Druck und sind in ihrer Lebensqualität stark beeinträchtigt.
Extreme Form Bei einer sehr ausgeprägten Luststörung empfinden Betroffene Ekel bei allen sexuellen Themen und verzichten auf jegliche Form von Zärtlichkeit. Körperliche Berührungen gehen dann mit Angst- oder Schuldgefühlen einher. Grundsätzlich besteht bei sexuellen Appetenzstörungen ein hoher Leidensdruck, während asexuelle Menschen einfach kein Verlangen nach Sexualität verspüren.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/2021 ab Seite 98.
Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie, Fachjournalistin