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Schlaf – Teil 7

LERNEN IM TRAUM?

Davon, dass Schlafen für das Lernen wichtig ist, ist die Wissenschaft mittlerweile überzeugt. Doch warum wir träumen und ob Trauminhalte eine Bedeutung haben, ist weiterhin unklar.

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Eine ganze Reihe von Experimenten belegt, dass sich Lerninhalte im Schlaf festigen. Viele gehen auf den deutschen Forscher Jan Born zurück. Eine typische Versuchsanordnung funktioniert so: Die Studienteilnehmer werden gebeten, sich Wortpaare einzuprägen. Der eine Teil von ihnen darf daraufhin schlafen, der andere nicht. Beim Abfragen schneiden die Schläfer deutlich besser ab als die Nicht-Schläfer.

Diese Anordnung lässt sich noch verfeinern: Eine Gruppe darf nach dem Einprägen in der ersten Nachthälfte schlafen, hat deshalb überwiegend Tiefschlafphasen und wird dann wieder geweckt; die andere Gruppe darf erst in der zweiten Nachthälfte schlafen und hat darum entsprechend dem natürlichen Schlafrhythmus vor allem REM-Schlafphasen.

Das Ergebnis: Die Gruppe mit mehr Tiefschlafphasen schneidet besser ab. Und schließlich: Wenn der Versuchsleiter einem Teil der Gruppe erklärt, dass sie die Wortpaare am nächsten Tag wissen müssen, schneidet dieser besser ab als der andere Teil, der in dem Glauben gelassen wurde, am nächsten Tag käme ein neuer, ganz anderer Versuch dran.

Und das bedeutet? Daraus ziehen Wissenschaftler folgende Schlüsse: Offenbar besteht das Lernen aus zwei Schritten, nämlich dem eigentlichen Lernen in der Wachphase und der Festigung des Gelernten im Schlaf („Konsolidierung“). Das Gelernte wird nachts also von einem Kurzzeitspeicher in einen Langzeitspeicher überführt, wobei ein Selektionsprozess stattfindet, bei dem nur das Wichtige gespeichert und der Rest aussortiert wird.

Für diese Prozesse ist offenbar vor allem der Tiefschlaf wichtig. Zudem wurden in dieser Zeit Hirnströme in einem bestimmten Frequenzbereich beobachtet. Doch nicht alle Arten des Lernens funktionieren gleich: Für das sogenannte prozedurale Gedächtnis, in dem etwa Bewegungsabläufe wie Klavierspielen abgelegt werden, sind vor allem die REM-Schlafphasen essenziell. Das gleiche gilt auch für emotionale Ereignisse. Die initiale Speicherung findet im Wesentlichen im Hippocampus und den umliegenden Regionen des Schläfenlappens statt.

Das anatomische Korrelat für den Langzeitspeicher liegt im Striatum und der Hirnrinde. Dass es dabei aber nicht einfach nur um eine „Umspeicherung“ handelt, zeigte folgendes Experiment: Versuchspersonen sollten ein Zahlenrätsel lösen, das aber so schwierig war, dass sie es in der vorgegebenen Zeit nicht schafften. Nach diesem ersten Versuch durfte die eine Hälfte wiederum schlafen, die andere nicht. Danach waren die Schläfer doppelt so häufig in der Lage, das Rätsel zu lösen wie die Nicht-Schläfer. Dies legt den Schluss nahe, dass die Inhalte im Gehirn im Schlaf nicht nur von einer Region in eine andere gespeichert, sondern auch neu organisiert werden.

Sind Träume nur Schäume? Von der früheren Annahme, dass Träume eine wichtige Rolle für das Lernen und somit die Bildung von Gedächtnis haben, ist man mittlerweile abgerückt. Auch die noch immer weit verbreitete Theorie Siegmund Freuds, dass in Träumen unterdrückte Wünsche und Sehnsüchte ihren Ausdruck finden, wird von heutigen Wissenschaftlern weitgehend abgelehnt. Es ist noch nicht einmal wirklich klar, in welchen Schlafstadien wir eigentlich träumen.

Traditionell wird der REM-Schlaf als Traumschlaf bezeichnet, aber vieles deutet darauf hin, dass Träume nicht darauf beschränkt sind. Viele Experten sind der Meinung, dass wir uns im Schlaf und mithin im Traum nicht in einem Stadium völlig ohne Bewusstsein, sondern einer Art mehr oder weniger basalen Bewusstseins befinden. Immerhin erleben wir etwas in der Ich-Perspektive, führen Handlungen aus und haben Emotionen. Träume, auch Tagträume, stellen nach Ansicht mancher Wissenschaftler somit quasi eine andere, ergänzende Form des Denkens dar, die eine – noch nicht verstandene, aber vermutlich wichtige – Funktion hat.

»Träume, auch Tagträume, stellen nach Ansicht mancher Wissenschaftler quasi eine andere, ergänzende Form des Denkens dar«

Andere Wissenschaftler dagegen sind überzeugt, dass Träume keinerlei Bedeutung haben. Ihrer Meinung nach ergeben sich die Traumgeschichten, an die sich jemand nach dem Aufwachen zu erinnern glaubt, völlig zufällig aus unwillkürlicher neuronaler Aktivität im Schlaf. Deshalb sind sie ihrer Ansicht nach auch häufig so absurd. Weil vor allem bei Neugeborenen der REM-Schlaf-Anteil sehr hoch ist, vermuten manche Forscher, dass Träume für die Entwicklung des Gehirns wichtig sein könnten.

Spezialfall Klartraum Von besonderem Interesse sind derzeit sogenannte luzide Träume oder Klarträume. Manche Menschen werden sich nämlich im Traum bewusst, dass sie träumen. Bei einigen geht es so weit, dass sie das Traumgeschehen nach ihren Vorstellungen beeinflussen können. Der große Reiz für die Träumer: Auch die verrücktesten Dinge sind möglich, sogar fliegen. Besonders spannend: Man kann das Klarträumen lernen und trainieren – Anleitungen gibt es zahlreich in Buchform und auch auf Youtube. Doch auch Wissenschaftler sind von den Klarträumen fasziniert. Denn offenbar stellt das luzide Träumen einen Zwischenzustand zwischen Schlafen und Wachen, also zwischen weitgehender Bewusstlosigkeit und vollem Bewusstsein dar.

Forschern in München ist es gelungen, Schläfer während eines luziden Traums mit funktioneller Magnetresonanzspektroskopie zu beobachten. Dabei waren die Träumer in der Lage, den Forschern den Beginn ihres Traums mit einer verabredeten Augenbewegung beziehungsweise Ballen der Faust zu signalisieren. Das Ergebnis: Ab diesem Zeitpunkt ließ sich Aktivität in einigen Hirnregionen beobachten, die während des Schlafs bis dahin nicht aktiv waren.

Die Forscher interpretieren ihre Ergebnisse dahingehend, dass es keinen singulären Sitz des Bewusstseins im Gehirn gibt, sondern dass dieses durch die gemeinsame Aktivität verschiedener Hirnregionen zustande kommt. Mittels Enzephalographie (EEG) konnten weitere Forscher zeigen, dass sich die Hirnströme während des Klarträumens in manchen Bereichen des Hirns eher denen im Traum und in anderen eher denen des Wachens ähnelten.

Praktische Anwendung Erste Untersuchungen lassen vermuten, dass sich Lernleistungen steigern lassen, wenn man im Schlaf im Gehirn Schwingungen im „richtigen“ Frequenzbereich verstärkt. Auch sogenannte Reminder, zum Beispiel Gerüche, die während des Lernens und während der entsprechenden Schlafphasen versprüht werden, scheinen den Lernerfolg zu verbessern. Andersherum hoffen Forscher, in Zukunft auch schlimme Erinnerungen, etwa an Kriegserlebnisse, vermindern zu können.

Die anderen Teile der Artikelreihe finden Sie hier:
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Teil 5
Teil 6

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/15 ab Seite 92.

Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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