Sepsis
LEBENSBEDROHLICHE GEFAHR
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Eine Sepsis ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Syndrom. Sie hat viele unterschiedliche Ausprägungen, allgemein kann man sie noch am ehesten als Entzündungsreaktion beschreiben, die den gesamten Organismus befallen kann. In Deutschland entwickeln jedes Jahr etwa 150 000 Menschen eine Sepsis.
Systemische Entzündungsreaktion Eine rote Linie, die sich von einer Wunde Richtung Herz zieht – das kennen alle als Alarmsignal. Eine Blutvergiftung! So hört man es, aber weder ist die Sepsis mit dem Wort „Blutvergiftung” korrekt beschrieben, noch tritt bei jeder Sepsis die typische rote Linie unter der Haut auf. In der heute noch gültigen Definition des US-amerikanischen Arztes Roger C. Bone heißt es: „Sepsis ist definiert als eine Invasion von Mikroorganismen und/oder ihrer Toxine in den Blutstrom zusammen mit der Reaktion des Organismus auf diese Invasion”.
Einer Sepsis geht also eine Infektion voraus und die Abwehrreaktion des Körpers kann dazu führen, dass die Vitalfunktionen so stark beeinträchtigt werden, dass es zu einem Multiorganversagen und damit zum Tod kommt.
Was im Körper geschieht Ist das Immunsystem stabil, kann sich der Körper normalerweise gegen einen Befall mit Mikroorganismen wehren. Hierzu löst er am Infektionsort eine Entzündung aus, die letztlich dazu führt, dass Abwehrzellen die Eindringlinge vernichten. Bei einem geschwächten Immunsystem oder einer besonders aggressiven Form der Infektion ist der Organismus hierzu aber oft nicht mehr imstande. Die Erreger können sich dann so stark vermehren, dass sie und ihre Toxine in den Blutkreislauf gelangen.
Die zunächst lokale Entzündungsreaktion wird zu einer systemischen, bei der der Körper beginnt, sich selbst zu bekämpfen. Denn als Antwort auf die Überflutung mit Keimen und Giftstoffen schütten die Immunzellen vermehrt Botenstoffe aus wie Tumor-Nekrose-Faktor alpha oder Interleukin- 1. Sie verstärken die Entzündungsreaktion immer weiter, bis sie aus dem Ruder läuft und den Körper schädigt. Zwar versucht der Organismus diesem Prozess entgegenzusteuern, schafft das aber oft nicht mehr.
AN DIE GEFAHR DENKEN!
Wenn Ihre Kunden nach einer Wundsalbe fragen und über schwer heilende Wunden oder Entzündungen klagen, sollten Sie nachfragen, ob sie auch Fieber oder Schüttelfrost, Herzrasen oder Atemprobleme haben. Diese Symptome könnten Anzeichen für eine Sepsis sein. Dann sollte sofort der Arzt aufgesucht werden!
Schließlich bricht der Kreislauf zusammen, wodurch ein oder mehrere Organe versagen. Welche Faktoren hierzu im Detail beitragen, ist noch nicht abschließend geklärt. Man weiß jedoch, dass die Endothelzellen, die unsere Blutgefäße auskleiden, eine wesentliche Rolle spielen. So führt die überschießende Immunantwort dazu, dass viele der Endothelzellen ein Protein exprimieren, das die Blutgerinnung in Gang setzt, sodass überall in den Gefäßen Blutpropfen entstehen, die den Kreislauf hemmen. Gleichzeitig werden hierdurch die im Blut zirkulierenden Gerinnungsfaktoren verbraucht, was das Risiko für Blutungen ins Gewebe erhöht.
Endothelzellen aktivieren zudem Leukozyten, die daraufhin zytotoxische Substanzen abgeben, die nicht nur die Erreger, sondern auch die Endothelzellen und das sie umgebende Gewebe schädigen. Hierdurch können große Lecks in den Gefäßen entstehen, aus denen Flüssigkeit austritt, wodurch der Blutdruck sinkt. Dies wird noch dadurch verschärft, dass die Immunreaktion die Endothelzellen zur Bildung von Stickstoffmonoxid anregt, das unter normalen Bedingungen unbedenklich gefäßerweiternd wirkt. Jetzt aber löst es den starken Blutdruckabfall aus, der für den gefährlichen septischen Schock typisch ist – hier zählt nun jede Minute.
Unterschiedliche Schweregrade Seit 1992 gibt es Richtlinien, die die Sepsis in verschiedene Kategorien einteilen.
Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom Es bezeichnet eine systemische Entzündungsreaktion des Körpers. Per Definition kann sie auch durch Traumata ausgelöst werden, ist die Ursache jedoch eine Infektion, bezeichnet man das SIRS als „Sepsis”. Für die Diagnose müssen zwei der folgenden Kriterien erfüllt sein:
- die Körpertemperatur muss unter 36 oder über 38 °C liegen
- der Puls muss anhaltend beschleunigt sein (über 90 Schläge/Minute)
- die Atmung muss anhaltend gestört sein. Entweder liegt eine erhöhte Atemfrequenz vor (über 20 Atemzüge pro Minute) oder der Patient hyperventiliert, wodurch er zu viel CO2 abatmet, was durch das Ansteigen des pH-Werts im Blut zu Muskelkrämpfen und Schwindel bis hin zur Bewusstlosigkeit führen kann
- die Leukozytenzahl nimmt drastisch zu (Leukozytose: über 12 000 Leukozyten pro Mikroliter Blut) oder ab (Leukopenie: unter 4000 Leukozyten).
Schwere SepsisWird außer den zuvor beschriebenen Symptomen noch mindestens eine der folgenden Organfehlfunktionen ausgelöst, spricht man von einer schweren Sepsis. Dabei können folgende Störungen auftreten:
- Nierenversagen
- Akuter Sauerstoffmangel
- Hirnschädigung mit Desorientiertheit, Unruhe und Verwirrung
- Drastischer Abfall der Blutplättchen, ohne dass eine Blutung vorliegt
- Starke Übersäuerung des Blutes (Azidose)
Septischer Schock Er ist die schwerste Form und erfüllt alle Kriterien der anderen Formen, hinzu kommt jedoch noch ein plötzlicher Blutdruckabfall, bei dem der systolische arterielle Blutdruck unter 90 mmHg und der mittlere arterielle Blutdruck mindestens eine Stunde lang unter 70 mmHg liegen. Häufig helfen Infusionen nicht, den Blutdruck zu stabilisieren.
Nicht auf die leichte Schulter nehmen Eine schwere Sepsis oder ein septischer Schock müssen immer intensivmedizinisch behandelt werden. Doch bereits eine leichte Entzündung kann sich unter entsprechenden Voraussetzungen so rasch ausbreiten, dass sie lebensbedrohlich werden kann. Behandelt wird zuerst einmal mit Antibiotika. Lässt sich der Infektionsherd dadurch nicht in den Griff bekommen, wird ein stationärer Krankenhausaufenthalt unumgänglich. Dort wird man zunächst die Infektionsquelle reinigen und rasch ein Breitbandantibiotikum geben, bis der genaue Erregertyp bestimmt ist.
Die Behandlung der Symptome umfasst die Gabe von Flüssigkeit oder Bluttransfusionen, um Kreislauf und Atmung zu stabilisieren. Auch der Einsatz blutdrucksteigender Mittel kann hier indiziert sein. Weitere Maßnahmen können zum Beispiel im Falle von Nieren- oder Lungenversagen eine Dialyse beziehungsweise eine künstliche Beatmung sein. Trotz aller intensivmedizinischen Bemühungen sterben jedoch immer noch 30 bis 50 Prozent der Patienten an den Folgen der Sepsis.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/13 ab Seite 122.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist