Lärm
LAUT & LÄSTIG
Seite 1/1 5 Minuten
Alle unerwünschten, störenden und belästigenden Geräusche, die das Wohlbefinden empfindlich beeinträchtigen, werden als Lärm bezeichnet. Und der ist hier zu Lande ein echter „Dauerbrenner“ – Millionen Menschen gehen stetige Beschallung und lauter Krach gehörig auf die Nerven und beeinträchtigen ihre Lebensqualität. Hauptlärmquelle ist dabei der Straßenverkehr.
Gut die Hälfte der Deutschen fühlt sich nach einer repräsentativen Umfrage des Umweltbundesamtes in ihrem Wohnumfeld durch Autos, Lkw & Co. belästigt. Doch auch Schienen-, Flug-, Nachbarschafts- und Industrielärm werden von unzähligen Menschen als besonders störend eingestuft. Nicht nur für empfindliche Zeitgenossen ist Lärm mittlerweile zu einer der wichtigsten Umweltbelastungen geworden.
Störender Krach oder schöner Klang? Wie ein Geräusch auf den Menschen wirkt und ob es als Belästigung wahrgenommen wird, hängt sowohl von messbaren, physikalischen Größen als auch von subjektiven Faktoren ab. Messbar ist etwa der Schalldruckpegel, der in Dezibel angegeben wird. Bei einem Gespräch im Flüsterton wird ein Pegel von etwa 30 Dezibel erreicht, bei einer normalen Unterhaltung sind es 50 bis 60. Starker Stadtverkehr schlägt mit 80 Dezibel zu Buche, Kreissäge und Diskomusik erreichen Pegel von 100 bis 120. Der Knall einer Spielzeugpistole oder eines Silvesterböllers in Ohrnähe erreicht bis zu 180 Dezibel.
Für die Beurteilung von Lärm spielen neben der Dezibelzahl auch die Tonhöhe, der Zeitpunkt, die Dauer und die Art des Geräuschs wichtige Rollen. Während recht lautes Meeresrauschen herrlich entspannend wirken kann, wird der vergleichsweise leise, aber stetig tropfende Wasserhahn als akustischer Störfaktor erster Güte erlebt. Und manch einer, der beim Rockkonzert begeistert mitgrölt und -klatscht, empfindet die Blasmusik, die aus Nachbars Wohnung ans Ohr dringt, als unzumutbare Lärmbelästigung.
Die Beispiele zeigen: Was als Lärm empfunden wird und das Wohlbefinden beeinträchtigt, hängt oft auch von unserer subjektiven Beurteilung ab. Ob Dauerbeschallung aus der Nachbarwohnung, vorbeirasende Güterzüge oder Straßenlärm, der selbst in der Nacht durchs geschlossene Fenster ans Ohr dringt: Als störend wahrgenommene Geräusche können uns nicht nur die Laune vermiesen, sondern der Gesundheit in vielerlei Hinsicht schaden. Das haben mittlerweile zahlreiche Studien gezeigt. Experten unterscheiden grundsätzlich zwischen ausgeprägtem Lärm, der das Gehör unmittelbar schädigt und solchem, der von den Ohren zwar verkraftet werden kann, jedoch körperliche Stressreaktionen auslöst und so die psychische und physische Gesundheit beeinträchtigt.
Angriff auf die Ohren Lärm, der das Gehör schädigt, tritt vor allem an lauten Arbeitsplätzen, in Diskotheken oder bei Knallereignissen auf. Er wirkt direkt auf die Ohren, was Gehörschäden Vorschub leistet. Bei einer Dauerschallbelastung oder kurzen, hohen Schallpegelspitzen verbiegen sich die Haarzellen im Innenohr stark und können dauerhaft geschädigt werden.
Typische Folgen sind Ohrgeräusche (Tinnitus), Beeinträchtigungen des Hörvermögens und Schwerhörigkeit. Lärmschwerhörigkeit ist bei uns eine weit verbreitete Berufskrankheit. Vor allem Beschäftigte der Bau- und Metallindustrie sind betroffen. Nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen leidet das Gehör ab einem Pegel von 85 Dezibel, wenn dieser regelmäßig über einen längeren Zeitraum auf die Ohren einwirkt. Der Grund, warum Gehörschutz an „lauten“ Arbeitsplätzen gesetzlich vorgeschrieben ist.
»Vor allem Beschäftigte der Bau- und Metallindustrie sind betroffen.«
Hörschäden können jedoch auch durch Freizeitlärm entstehen. Davon sind häufig jüngere Menschen betroffen, die ihre Ohren bei Konzerten, in Diskotheken und durch lautes Musikhören über Kopfhörer übermäßig strapazieren. Kaum zu glauben: Beim Musikhören setzen sich Jugendliche oft Geräuschpegeln von weit über 100 Dezibel aus – eindeutig zu viel. Untersuchungen zufolge leidet bereits ein Viertel aller jungen Menschen zwischen 14 und 24 Jahren unter einem Hörschaden. Viele von ihnen werden später auf Hörgeräte angewiesen sein.
Stressige Geräusche Während sehr laute Geräusche und Dauerschallbelastungen das Gehör oft irreparabel schädigen und die Hörfähigkeit beeinträchtigen, kann „lästiger“ Lärm die Gesundheit auf ganz unterschiedliche Weise attackieren. Schon bei niedrigen Schallpegeln können als störend wahrgenommene Geräusche körperliche Stressreaktionen auslösen, was den Körper krank machen, die geistige Leistungsfähigkeit mindern und das seelische Wohlbefinden beeinträchtigen kann.
„Das Problem für den menschlichen Körper besteht darin, dass er auf den Lärm mit Stress reagiert und sich auf eine physische Auseinandersetzung vorbereitet, die letztendlich gar nicht stattfindet“, erläutert der „Arbeitsring Lärm“ der Deutschen Gesellschaft für Akustik. „Durch die Ausschüttung von Stresshormonen und die Aktivierung des Nervensystems kommt es zu Veränderungen im Herz-Kreislauf-System. Zudem führt der Lärm zu Konzentrations- und Schlafstörungen.“
Mittlerweile gibt es zahlreiche Studien, die etwa den Zusammenhang zwischen Lärmbelastungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen belegen. Ihnen zufolge kann Lärm unter anderem das Risiko für Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall steigern. Und nicht nur das: Wer von nächtlichem Lärm gepeinigt wird, schläft weniger tief und insgesamt schlechter, was sich wiederum negativ auf Leistungsfähigkeit und Konzentrationsvermögen auswirkt.
Dass insbesondere Kinder unter Lärm leiden, haben wissenschaftliche Untersuchungen ebenfalls gezeigt: Liegt die Schule beispielsweise in einem durch Fluglärm belasteten Gebietet, so verschlechtern sich die Lernfähigkeit und die Gedächtnisfunktionen der Jüngsten deutlich.
Ruhe bitte! Obwohl Lärm tückisch ist und die Gesundheit in vielerlei Hinsicht beeinträchtigen kann, lässt er sich aus unserem Leben nicht verbannen. Durchaus möglich ist es aber, die Belastung zu reduzieren. Einerseits durch wirkungsvolle Lärmschutzmaßnahmen – die vom Flüsterasphalt auf der Autobahn über Nachtflugverbote an Flughäfen bis hin zum Einbau von Schalldämmlüftern in Schlafräumen reichen.
Aber auch im Kleinen kann jeder dazu beitragen, die eigenen Ohren – und die seiner Mitmenschen – zu schützen. So sollten Eltern beispielsweise auf die Anschaffung sehr lauter Spielzeuge verzichten, die das kindliche Gehör belasten. Jugendliche sollten wissen, dass laute Kopfhörermusik ihrer Gesundheit ernsthaft schadet und dass es sinnvoll ist, Ohrstöpsel einzustecken, wenn es in die Disko oder zum Konzert geht. Und wer daheim mit dem Laubbläser oder der Motorsäge hantiert, sollte unbedingt einen Gehörschutz tragen.
Bei Problemen mit Lärm aus Nachbars Wohnung oder Garten hilft oft ein klärendes Gespräch. Häufig reichen schon einfache Maßnahmen – etwa ein „schalldämmender“ Teppichboden im Kinderzimmer oder das Abrücken der Lautsprecher von der Wand – um die Lärmquellen auszuschalten. Selbstverständlich sollte es für jedermann sein, die Nacht- und Ruhezeiten einzuhalten.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/13 ab Seite 90.
Andrea Neuen-Biesold, Freie Journalistin