Problem Asbest
LANGFRISTIGE FOLGEN
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Vor allem in den 50er- bis 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts waren die als Asbest bekannten Silikatminerale in vielen Branchen aufgrund zahlreicher vorteilhafter Eigenschaften sehr beliebt. Die Fasern sind von großer Festigkeit, hitzebeständig, verrotten nicht und lassen sich gut mit Zement mischen. Daher wurden sie vor allem beim Bau, aber beispielsweise auch für Bremsbelege im Auto, als Hitzeschutz in Elektrogeräten oder als Dichtungen in Heizkesseln oder Abgasrohren eingesetzt.
Mit der Zeit allerdings häuften sich die Hinweise auf die Gesundheitsschädlichkeit des Materials. Schutzvorschriften für den Umgang wurden erlassen, die Industrie setzte zunehmend Ersatzstoffe ein. Seit 1993 schließlich darf Asbest in Deutschland weder hergestellt noch verwendet werden. Seit 2005 gilt das auch für die gesamte EU. Doch die Folgen sind noch lange nicht ausgestanden.
Auswirkung Asbest stellt eine Gefahr für die Gesundheit dar, weil er feinste Fasern freisetzen kann. Eingeatmet bleiben sie im Lungengewebe stecken. Da sie nicht abgebaut werden können, stellen sie einen chronischen Reiz dar, auf den der Körper mit einer ebenfalls chronischen Entzündungsreaktion antwortet. In der Folge kommt es zu Vernarbungen des Lungengewebes, der so genannten Asbestose.
Bei dieser zu den Lungenfibrosen gehörenden Erkrankung leiden die Betroffenen unter trockenem Reizhusten und Atemnot, vor allem bei Belastung, sowie unter Brustschmerzen. Es können auch eine chronische Bronchitis und in fortgeschrittenem Stadium emphysematöse Lungenveränderungen auftreten. Eine Heilung ist bislang nicht möglich. Auch eine Erkrankung der Pleura durch Asbeststaub kann auftreten. Zudem erhöht der Stoff das Risiko für bestimmte Krebsarten, besonders für Lunge und Kehlkopf sowie für Mesotheliome des Rippenfells, des Bauchfells und des Perikards. Dabei gilt: Je mehr Asbestfasern eingeatmet wurden, desto höher das Risiko für asbestbedingte Erkrankungen. Einen Schwellenwert für unbedenkliche Konzentrationen gibt es nicht. Zusammenhänge zwischen Asbest und weiteren Krebserkrankungen werden diskutiert.
Folgen mit Zeitverzögerung Da in der Regel Jahre bis Jahrzehnte zwischen der Exposition und dem Auftreten der Krankheit liegen, erkranken auch heute noch jährlich mehrere Tausend Menschen an den Folgen des Asbestbooms. Mehr als 30 000 Menschen sind hier zu Lande laut DGUV bisher durch Asbest gestorben.
So wurde allein im Jahr 2011 bei 1818 Menschen eine Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder eine Erkrankung der Pleura, bei 799 ein Lungen- oder ein Kehlkopfkrebs und bei 980 ein Mesotheliom als durch Asbest verursachte Berufskrankheiten anerkannt. Damit sind in einem Jahr insgesamt knapp 3600 Menschen nachgewiesenermaßen an den Folgen des einstmals als Wunderfaser angepriesenen Materials erkrankt. Verdachtsfälle gab es mehr als doppelt so viele. Über 2100 Menschen erhielten 2011 erstmals eine Berufskrankheitsrente durch Asbest verursachte Krankheiten. 1469 Menschen starben im gleichen Zeitraum an den Folgen ihrer Erkrankungen.
Damit ging– wie auch im Vorjahr – mehr als die Hälfte aller Todesfälle durch Berufskrankheiten auf das Konto von Asbest. Wegen der starken zeitlichen Verzögerung bis zum Auftreten von asbestbedingten Erkrankungen haben Versicherte auch nach dem Ausscheiden aus dem Beruf einen Anspruchauf regelmäßige Untersuchungen. Ziel der so genannten nachgehenden arbeitsmedizinischen Untersuchungen ist die Früherkennung, um die Chancen für einen möglichst günstigen Krankheitsverlauf zu erhöhen.
»Asbest erhöht das Risiko für bestimmte Krebsarten – vor allem an Lunge und Kehlkopf.«
Exposition heute Da asbesthaltige Materialien bis in die 1980er-Jahre hinein massenhaft verbaut wurden, lässt sich bei Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen ein Kontakt damit auch heute oft nicht vermeiden. Zumal Gebäude aus dieser Zeit jetzt vielfach in die Jahre kommen, dass sie renoviert oder abgerissen werden müssen – ein prominentes Beispiel ist der Palast der Republik in Berlin. Daher gibt es heute detaillierte Vorschriften, wie mit dem gefährlichen Stoff umzugehen ist, um Gesundheitsschäden auszuschließen.
Entsprechende Schutzmaßnahmen sind auf EU- auf Bundes- und auf Länderebene geregelt. Sorge besteht in Bezug auf Heimwerker, da diese sich oftmals nicht mit dem Problem Asbest auskennen. In Deutschland und Europa werden heute Ersatzstoffe wie Glaswolle, Steinwolle und Keramikfasern verwendet. Nach derzeitigem Kenntnisstand scheinen diese Materialien unbedenklich zu sein. Weltweit allerdings ist die Produktion von Asbest seit Jahren auf gleichbleibendem Niveau stabil. Am häufigsten wird die Faser in China, Russland, Indien, Kasachstan, Ukraine, Thailand und Brasilien verwendet.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/13 ab Seite 120.
Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin