Wirkstoffe – historisch beleuchtet
L WIE LEVODOPA
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Die Erkrankung wurde 1817 erstmals vom Londoner Chirurg, Arzt und Apotheker James Parkinson in „An Essay on the Shaking Palsy“ ausführlich beschrieben. Doch da ihr Hauptauslöser – ein Mangel des Botenstoffes Dopamin in bestimmten Hirnregionen – nicht bekannt war, kamen zunächst Tinkturen von Belladonna und Hyoscyamus zum Einsatz, ab den 1940/50er-Jahren anstelle von Atropin zunehmend synthetische Anticholinergika wie Trihexyphenidyl oder Biperiden.
Dopamin selbst wurde zwar 1910 von George Barger und James Ewens in London synthetisiert, aber danach lag die Arbeit an der Substanz fast 30 Jahre brach. Der deutsche Pharmakologe Peter Holtz entdeckte 1939 das Enzym L-Aminosäure-Decarboxylase, auch Dopa-Decarboxylase genannt, welches Levodopa (L-Dopa, L-3,4-Dihydroxyphenylalanin) in Dopamin überführt. Der Biochemiker und Pharmakologe Hermann Felix Blaschko (1900–1993) von der Universität Cambridge stellte die Hypothese auf, dass L-Dopa und Dopamin Zwischenstufen bei der Biosynthese der Katecholamine Epinephrin und Norepinephrin sind.
In London wies Kathleen Montagu 1957 nach, dass Dopamin als Neurotransmitter im Gehirn präsent ist. 1959 spekulierte der Schwede Arvid Carlsson erstmals auf einem internationalen Treffen führender Pharmakologen darüber, dass die Parkinsonsche Krankheit direkt mit Dopamin zusammenhängt.
Die Ära der L-Dopa-Therapie Der Ukrainer Oleh Hornykiewicz (geb. 1926), der von 1956 bis 1960 in Blaschkos Labor arbeitete und nachwies, dass Dopamin und L-Dopa den Blutdruck senken, ging 1960 nach Wien. Dort konnte er den klinischen Neurologen Walther Birkmayer überzeugen, L-Dopa als zur Therapie bei Parkinson zu testen. Intravenöse Levodopa-Injektionen bewirkten sensationelle, aber vergängliche Verbesserungen für 20 Wiener Betroffene – aus dem Rollstuhl aufstehen, wieder laufen. Zahlreiche Forscher versuchten in den folgenden Jahren, ähnliche Symptomverbesserungen für ihre Patienten mit zum Teil sogar viel höheren Dosen zu erzielen, teils mit, teils ohne Erfolg.
1966 publizierte Hornykiewicz einen großen pharmakologischen Leitartikel, in dem er nachwies, dass ein Dopamindefizit im nigrostriatalen System des Gehirns direkt mit den meisten motorischen Störungen, die bei der Parkinson Krankheit auftreten, korreliert. Der griechisch-amerikanische Wissenschaftler George Cotzias (1918 bis 1977) entwickelte von 1967 bis 1969 die neue orale Technik der einschleichenden Dosierung von L-Dopa, sodass die bei höheren Dosen schnell auftretenden Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden, Blutdrucksenkung oder psychische Störungen deutlich reduziert wurden. Zahlreiche Doppelblindstudien konnten in den folgenden Jahren den Effekt von L-Dopa und den Sinn des einschleichenden Therapieregimes bei Morbus Parkinson belegen.
WHO-Entscheidung: unentbehrlich 1973 kam Levodopa als Fertigarzneimittel auf den Markt. Es ist ein Prodrug und kann im Gegensatz zum pharmakologisch aktiven Dopamin die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Durch den Zusatz von Decarboxylasehemmern (Carbidopa, Benserazid) konnte das Wirkpotenzial vervielfacht werden. Die Dopaminkonzentration im Gehirn ist durch den Zusatz deutlich erhöht bei gleichzeitiger Reduktion der Nebenwirkungen. Seit 1977 steht die Kombination Levodopa/ Decarboxylasehemmer auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation (WHO). So revolutionierte Levodopa die Parkinsontherapie und stellt bis heute eine der grundlegend effizientesten Behandlungsmöglichkeiten dar.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/11 auf Seite 20.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin