Kulturpflanzen
KÖNIGIN DER GEMÜSE
Seite 1/1 4 Minuten
Wohlschmeckende Sprosse Im Frühjahr treiben aus einem tiefgründigen dicken Wurzelstock Stängelsprosse aus, die umgangssprachlich die Bezeichnung Spargelstangen tragen. Sie werden mit einem Messer in mühevoller Handarbeit zwischen April und Juni gestochen. Die Erntezeit reicht traditionell bis zum 24. Juni, dem Johannistag. Junge Spargelpflanzen werden im ersten und zweiten Jahr kürzer beerntet, um sie nicht zu überfordern. Danach gönnt man der Pflanze eine Pause, in der sie ihre oberirdischen grünen Pflanzenteile ausbilden darf, mit denen der Spargel Reserven für die kommende Saison sammelt. Dafür braucht es 100 Tage vor dem ersten Frost, weswegen der Johannistag als letztmöglicher Erntetag festgelegt wurde.
Im nächsten Jahr werden die Spargelstangen umso kräftiger, je mehr Kohlenhydrate die Pflanzen mithilfe der Photosynthese in ihrem grünen Spargelkraut produzieren und anschließend im Wurzelstock und den bis zu sechs Meter langen Wurzeln einlagern konnten. Die oberirdischen Triebe erreichen Wuchshöhen von bis zu 150 Zentimetern und können sich verzweigen. In den Blattachseln entspringen nadelähnliche Scheinblätter (Phyllokadien), in denen die Photosynthese erfolgt. Die eigentlichen Laubblätter sind stark zurückgebildet, wodurch der Wasserverlust durch Transpiration reduziert wird.
Meist männlich Die mehrjährigen, ausdauernden Stauden sind zweihäusig getrenntgeschlechtlich, das heißt es gibt männliche und weibliche Pflanzen. Zur Kultivierung werden heute fast ausschließlich männliche Pflanzen verwendet. Sie wachsen früher heran und sind ertragreicher. Weibliche Sorten sind hingegen für den Anbau ungeeignet, da die Frucht- und Samenentwicklung zu viel Energie kostet. Weibliche Spargelpflanzen blühen im Sommer etwa sechs Wochen lang. Aus den kleinen, etwa erbsengroßen gelben Glockenblüten entwickeln sich im August und September rote Beeren mit ein oder zwei schwarzen, runzlig gestreiften Samen, die nicht verzehrt werden sollten, da sie gering giftig sind.
Weiß, violett oder grün Bei uns wird vor allem weißer und grüner Spargel nachgefragt. Weißer Spargel wächst lichtgeschützt in angehäuften Erdwällen, den Spargeldämmen. Damit er seine helle Farbe behält, wird er gestochen, sobald seine Stangen den Boden zu durchstoßen beginnen. Gelangen die Spargelköpfe ans Licht, wird die Bildung von Anthocyanen angeregt, wodurch sie sich leicht violett verfärben, was dem Spargel eine leicht nussige, würzige Geschmackskomponente verleiht.
Diese wird von den hiesigen Spargel-Liebhabern meist nicht so geschätzt. In Frankreich gilt weißer Spargel mit violetten Köpfen hingegen als Delikatesse und es werden sogar spezielle Sorten gezüchtet, die schon früh eine violette Färbung ausbilden. In den letzten Jahren hat sich bei uns dafür der Verzehr von grünem Spargel zunehmend etabliert. Dieser ist noch würziger und kräftiger im Geschmack als weißer Spargel mit violetten Köpfen. Grüner Spargel wächst im Gegensatz zum weißen Spargel oberirdisch. Dadurch ist er ständig dem Licht ausgesetzt und kann Chlorophyll entwickeln, das den Stangen ihre charakteristische grüne Farbe verleiht.
Gesund und entwässernd Allen Varianten ist gemein, dass sie sehr kalorienarm sind (17 bis 20 kcal/100 g), da sie zu etwa 93 Prozent aus Wasser bestehen. Zugleich zeichnen sie sich durch einen hohen Gehalt an Mineralstoffen (vor allem Kalium), Vitaminen (B-Vitamine, Vitamin C und beta-Carotin – die beiden letzteren vor allem im grünen Spargel) und sekundären Pflanzenstoffen (Saponine) aus, was den Spargel ernährungsphysiologisch so wertvoll macht. Zudem enthält er die Aminosäure Asparagin, die nicht nur namensgebend ist, sondern gemeinsam mit Kalium und den Steroidsaponinen nierenanregend und harntreibend wirkt.
Der diuretische Effekt wird traditionell zur Durchspülungstherapie bei Harnwegsentzündungen und vorbeugend bei Nierengrieß genutzt. Wichtig dabei ist eine ausreichend hohe Flüssigkeitszufuhr von mindestens zwei Litern pro Tag. Entzündliche Nierenerkrankungen sowie Ödeme infolge einer eingeschränkten Herz- und Nierenfunktion gelten als Kontraindikation. Auch sollten Gichtpatienten beim Spargelgenuss Maß halten, da die vor allem in den Köpfen enthaltenen Purine Gichtanfälle auslösen können.
Unangenehm, aber harmlos Etwa jeder zweite Spargelesser produziert nach einer Spargelmahlzeit einen streng riechenden Urin. Dieses Phänomen ist auf die in den Stangen enthaltene Asparagusinsäure zurückzuführen, die durch ein Enzym in geruchsintensive schwefelhaltige Verbindungen überführt wird, die an- schließend über den Urin ausgeschieden werden. Da aber nicht jeder dieses Enzym besitzt, duftet nicht immer der Harn unangenehm. Zudem scheint auch nicht jeder den typischen Geruch wahrzunehmen, da auch beim Riechen genetische Unterschiede bestehen.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/19 ab Seite 122.
Gode Chlond, Apothekerin
Botanisch wird der Gemüsespargel (Asparagus officinalis L.) der Familie der Spargelgewächse (Asparagaceae) aus der etwa 300 Arten umfassenden Gattung Asparagus zugeordnet. Die Spargelgewächse stammen ursprünglich aus den Steppengebieten Vorder- und Zentralasiens. Heute sind verschiedene Arten vornehmlich in den warmen und gemäßigten Regionen Süd- und Mitteleuropas, Nordafrikas und Asiens zu finden. Sie kommen dort sowohl wildwachsend als auch als Kulturpflanze vor. Bei uns wird für den Gemüseanbau nur Asparagus officinalis L. kultiviert, dessen verschiedene Sorten je nach Anbaumethode als weißer (Bleichspargel) oder grüner Spargel (Grünspargel) angeboten werden. Andere Asparagus-Arten finden sich lediglich als Zierpflanzen in heimischen Gärten.
Lange Geschichte Spargel ist schon seit vielen tausend Jahren Delikatesse und Heilpflanze zugleich. Während die alten Griechen vor allem seine Heilkraft schätzten, pflanzten die alten Römer den Spargel bereits im zweiten Jahrhundert vor Christus als edles Gemüse, wobei Nachweise für Kulturen der grünen Variante existieren. Die Römer sollen den Spargel auch nach Deutschland gebracht haben, wo er seit Mitte des 16. Jahrhunderts vornehmlich als Heilmittel in Klostergärten angebaut wurde.
Der Artname officinalis, den Linné der Pflanze im 18. Jahrhundert verlieh, verweist auf ihren medizinischen Einsatz. Heute dient bei uns die Kultivierung von Asparagus officinalis L. vor allem der Gemüsegewinnung. Dafür hat sich der weiße Spargel durchgesetzt, der hierzulande in zwei großen bekannten Spargelanbaugebieten wächst. Es existiert ein norddeutsches, das sich von Braunschweig über Hannover, Osnabrück und Münster bis an Nordsee und Elbe erstreckt sowie ein süddeutsches Anbaugebiet in den Regionen um Schrobenhausen, Schwetzingen, Darmstadt und Ingelheim.