Verwelkte Rose © nndanko/ iStock / Getty Images
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Hauterkrankungen

KLEINE WUNDE, GROSSE FOLGEN

Das Erysipel (Wundrose) ist eine plötzlich auftretende Hautinfektion durch Bakterien, die in kleine Hautverletzungen eindringen. Die betroffene Region schwillt stark an und färbt sich tiefrot.

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Unsere Haut ist mit einer Vielzahl von Keimen besiedelt. Einige davon können Krankheiten auslösen, wenn sie sich zu stark vermehren oder die natürliche Schutzfunktion der Haut gestört ist. Durch kleine Verletzungen können sie dann in den Körper eindringen und dort Infektionen auslösen. Das passiert auch beim Erysipel. Dabei gelangen Bakterien durch Bagatellverletzungen in die Lymphspalten der Lederhaut. Diese liegt zwischen Epidermis und Unterhaut und ist mit beiden zapfenartig verwoben – mit der Epidermis durch Papillen, mit der Unterhaut durch Geflechtgewebe. Die Lymphspalten liegen im Gewebe zwischen den Zellen der Papillen. Besonders gefährlich sind Verletzungen durch Nadeln oder Dornen, da diese zwar klein, aber recht tief sind. Die Eintrittspforte kann aber auch ein Ekzem, ein Pilzbefall, eine Abschürfung oder eine andere kleine, oberflächliche Wunde sein.

Sehr schnell starke Symptome Meist handelt es sich bei den Erregern um Streptokokken der Gruppe A. Sie produzieren Toxine, die die Entzündungen und damit die Rötung auslösen. Wundrosen können in seltenen Fällen aber auch durch andere Streptokokken oder Staphylokokken verursacht werden. Innerhalb kürzester Zeit, häufig innerhalb weniger Stunden, entsteht eine scharf umrissene Hautinfektion. Die Haut schwillt an, weil die Kapillargefäße durchlässiger werden, und es kommt zu einem Ödem. Die Hautregion ist stark gerötet und schmerzt, manchmal entstehen sogar Blasen. Die Wundrose geht mit einem generellen schweren Krankheitsgefühl einher. Man hat hohes Fieber mit Kopfschmerzen, ist abgeschlagen und leidet unter Gelenkschmerzen und Schüttelfrost, wie bei einer starken Erkältung.

Risiko für Diabetiker Prinzipiell kann ein Erysipel am ganzen Körper auftreten. Am häufigsten ist jedoch die Beinregion betroffen, vor allem der Fuß, da die Haut dort starken mechanischen Reizen ausgesetzt ist. Eine Wundrose im Gesicht wird als Gesichtsrose bezeichnet. In Deutschland erkranken daran jährlich etwa 1000 Menschen, fast ausschließlich Erwachsene. Ältere Menschen, HIV-Patienten, Immungeschwächte oder Menschen mit Durchblutungsstörungen haben ein besonders hohes Risiko für eine Wundrose. Ist die Hautbarriere bereits gestört, zum Beispiel bei Neurodermitis oder Pilzinfektionen, ist das Risiko ebenfalls höher. Diabetiker bilden ebenfalls häufig ein Erysipel aus, da kleine Wunden bei ihnen aufgrund von Durchblutungsstörungen und Nervenschädigungen häufig unbemerkt bleiben.

Schwerwiegende Komplikationen Wandern die Erreger an den Lymphspalten entlang, wandert die Hautröte mit, was sich an finger- oder zungenförmigen Ausläufern zeigt. Häufig sind dann auch schon die Lymphknoten im betroffenen Bereich angeschwollen. Manchmal finden sich sogar stecknadelkopfgroße Einblutungen (Petechien) unter der Haut und es kann sogar zu Nekrosen kommen. Eine mögliche Komplikation ist die Lymphbahnenentzündung (Lymphangitis). Diese zeigt sich durch den berühmten „roten Strich“, der Richtung Herzen wandert. Dieser wird immer noch als Symptom einer Blutvergiftung, (Sepsis) angesehen, ist jedoch tatsächlich das Leitsymptom der Lymphangitis. Unbehandelt können die Erreger aber von den Lymphbahnen ins Blut übergehen und dann tatsächlich eine Sepsis auslösen. Da die Symptome sowohl einer Wundrose als auch einer Lymphangitis sehr stark und eindeutig sind, kommt es meist nicht so weit, weil Betroffene lange vorher den Arzt aufsuchen.

Schnelle Diagnose Aufgrund der deutlich sichtbaren Symptome kann ein Arzt eine Wundrose meist schnell diagnostizieren, was durch eine Blutuntersuchung gestützt wird. Diese zeigt normalerweise erhöhte Entzündungsmarker im Blut sowie einen Anstieg der Leukozytenzahl. Differentialdiagnostisch sind unter anderem eine Kontaktallergie oder eine Borreliose auszuschließen, deren Wanderröte einer Wundrose ähneln kann. Die Wundrose muss mit Antibiotika behandelt werden, wobei das Medikament je nach Schweregrad oral oder direkt intravenös verabreicht wird. Mittel der Wahl ist Penicillin, gegen das die Streptokokken in der Regel nicht resistent sind. Patienten, die auf Penicillin allergisch reagieren, können alternativ beispielsweise mit Erythromycin behandelt werden.

Vermutet man eine Mischinfektion, etwa mit Staphylokokken, kommen Cephalosporine zum Einsatz. Unter der Behandlung gehen die Symptome schnell zurück und heilen nach einer 14-tägigen Antibiotikagabe meist vollständig aus. Um den Lymphabfluss zu verbessern, sollte die betroffene Extremität möglichst ruhiggestellt und hochgelagert werden. Zur Prophylaxe eines Blutgerinnsels kann eine antithrombotische Therapie notwendig sein. Um weitere Infektionen zu vermeiden, sollte zudem die Verletzung, durch die die Erreger eindringen konnten, gefunden und therapiert werden.

Längerwierig bei Komplikationen Ist eine Wundrose verschleppt worden und es ist bereits zu einer Lymphbahnentzündung gekommen, ist die Therapie langwieriger. Mittel der Wahl bleibt nach wie vor Penicillin, doch die Heilung kann sich dann einige Wochen hinziehen. Problematisch kann es auch sein, wenn das Antibiotikum bei einer Mischinfektion aufgrund von Resistenzen nicht anschlägt. Dann muss man andere Wirkstoffe ausprobieren. Bei weiter fortgeschrittenen Erysipelen kann dadurch wertvolle Zeit verloren gehen. Ist es gar schon zu einer Sepsis gekommen, können Resistenzen lebensbedrohlich werden, weshalb bei einer Wundrose umgehend ein Arzt aufgesucht werden muss! Da sich die Symptome schnell entwickeln und schwere Komplikationen auftreten können, gilt die Wundrose als Notfall - was bei Hautkrankheiten die Ausnahme ist. Betroffene werden daher zumindest für ein paar Tage stationär im Krankenhaus aufgenommen.

Wundrose ernst nehmen! Wird eine Wundrose nicht austherapiert, kann sie sich in tiefer liegende Gewebe ausbreiten und eine Venenthrombose oder tiefe Beinvenenthrombose auslösen. Auch Herz- und Nierenentzündungen sind aufgrund der verschleppten Infektion möglich. Wird die auslösende Hautverletzung nicht ausreichend behandelt, kann es an dieser Stelle außerdem immer wieder zu Rezidiven kommen. Dann besteht die Gefahr, dass sich die Lymphgefäße dauerhaft verschließen, die Lymphe nicht mehr abfließen kann und ein Lymphödem entsteht. Dies wiederum erhöht das Risiko für eine Wundrose – ein Teufelskreis. Damit es erst gar nicht zu einer Wundrose kommt, ist es wichtig, die natürliche Schutzfunktion der Haut zu erhalten.

Das gelingt am besten, indem man sie mit schonenden pH-neutralen Lotionen wäscht und immer gründlich abtrocknet, vor allem in Hautfalten und Zehenzwischenräumen. Regelmäßiges Cremen hält die Haut geschmeidig und verringert das Risiko von Mikroverletzungen. Kratzer von Dornenhecken, Rosenbüschen oder Haustieren sind besonders gefährlich. Sie sollten umgehend desinfiziert werden. Tritt eine Wundrose trotz gepflegter Haut häufiger auf, sollte man sich auf eventuell vorliegende Grunderkrankungen untersuchen lassen. Womöglich ist ein geschwächtes Immunsystem der Grund, dass die Hautinfektion immer wiederkommt.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 07/18 ab Seite 126.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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