Regal mit Medikamenten
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Warenwirtschaft

KEIN WARENVERLUST!

Fähige, gut ausgebildete, betriebswirtschaftlich denkende PKA im Backoffice tragen viel zu einem guten Apothekenbetriebsergebnis bei. Eine ihrer Kernaufgaben ist die Warenbewirtschaftung.

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Noch vernachlässigen das einige Apothekenleitungen: Nicht nur im Handverkauf wird Geld verdient! Durch die Hände der kaufmännischen Mitarbeiter des im Backoffice arbeitenden Personals gehen im Laufe eines Jahres Millionenumsätze an Ware. Gerade angesichts immer engerer Margen (es existieren verschiedene Definitionen dieses Begriffes je nach Anwendungsfall, vereinfacht aber „Gewinnspanne“) gibt es nichts Ärgerlicheres als den Verlust von Waren durch nachlässige Handhabung in der Warenwirtschaft. Wird hier wirtschaftlich bestellt (Bestelloptimierung) und die Ware nach Verfalldaten optimiert ins Warenlager (fester Lagerort) geräumt, bedeutet dies zwar erst einmal Mehrarbeit – die nach einiger Zeit jedoch zur Routine wird und viel Geld sparen hilft.

Ware (weg)räumen – kann schwer sein ... Das tägliche mehrfache Einbuchen in die EDV sowie Wegräumen von Großhandelssendungen und von Direktbestellungen gehört zu den wichtigen Hauptaufgaben im Backoffice. Kommissionierautomaten entlasten inzwischen in immer mehr Apotheken die hierfür zuständigen Mitarbeiter durch die damit verbundene automatische, nach elektronischer Vermessung der Artikel „chaotisch“, also raumoptimiert erfolgende Einlagerung der Waren des Generalalphabets. Trotzdem bleiben immer noch Freiwahl, Sichtwahl, Schütten mit Aktionsware sowie Waren, die wegen „Unförmigkeit“ in Extra-Regalen gelagert werden müssen, eventuell auch Kellerraum mit großem Übervorrat, übrig – wo besondere Sorgfalt zu walten hat. Denn in der Apotheke gilt es, unbedingt die Regel „Die Letzten werden die Ersten sein“ (LIFO = „Last in, first out“) bei der Warenbewirtschaftung, dem Ein- und Ausgang der Apothekenware, zu verhindern.

First expired, first outVielmehr sollte gelten: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. „First in, first out” (FIFO), was zuerst geliefert wurde, hat auch wieder als erstes die Apotheke zu verlassen. Noch besser: „Zuerst ablaufend – zuerst raus“ (FEFO = First expired, first out). Ware mit dem kürzesten Verfall muss auch als erstes die Apotheke verlassen. Die Verfall- oder Mindesthaltbarkeitsdatums-Kontrolle ist Kein Warenverlust! deshalb bei Warenlieferung einerseits, später bei der permanenten Lagerüberprüfung immens wichtig und darf nie vernachlässigt oder ganz außer acht gelassen werden. Denn: Gerade die Verfalldaten (bei Arzneimitteln) oder Mindesthaltbarkeitsdaten sind beim Kunden ein sehr „kritisches Merkmal“ – und letztere inzwischen aufgrund EU-Vorschriften für fast alle Artikel vorgeschrieben. Erschwerend hinzu kommt bei den verschreibungspflichtigen Medikamenten, die vielfach verbreitete „Teileritis“ der Ärzte.

Eine 100er Packung reicht bei Halbierung plötzlich für 200 Tage, bei Viertelung der Tabletten womöglich sogar für 400 Tage. Entsprechend lang sollte der auf der Packung aufgedruckte Verfall auch sein. Bei weiterhin häufig vorkommenden Apothekenschließungen kommt es zudem häufig zur Rücknahme des Warenlagers gegen Abschlag an den Großhandel. Dieser verkauft die Ware anschließend wieder an andere Apotheken weiter, kurze Restlaufzeiten der entsprechenden Medikamente mit eingeschlossen. Somit ist aus wirtschaftlicher Sicht anzuraten, jede Packung beim Eingang auf Verfall- (Arzneimittel) beziehungsweise Mindesthaltbarkeits- oder Verbrauchsdatum (Kosmetik, Freiwahl, Medizinprodukte etc.) sowie Unversehrtheit und Aktualität der Verpackung zu prüfen. Denn grundsätzlich gilt: Alle Kunden wollen möglichst Produkte mit intakter Sekundärverpackung in neuestem Packungsdesign. Und alle Kunden wollen Produkte mit noch möglichst langer Laufzeit – selbst wenn der Artikel schon am nächsten Tag aufgebraucht wird. Ware mit zu kurzer Laufzeit ist meist nicht mehr verkäuflich!

Lagerhaltung: sinnvoll und effektiv Die Gretchenfrage – nach dem Verfalldaten-Check und der Entscheidung „Ware bleibt/wird wegen zu geringer Haltbarkeit zurückgeschickt“ – ist somit: Wie wird die Ware sinnvoll einoder weggeräumt? Wie wird bestmöglich garantiert, dass die Packungen auch tatsächlich in der Reihenfolge ihrer Mindestlaufzeiten (Restlaufzeiten) abverkauft werden? Denn manchmal kann es durchaus vorkommen, dass der gleiche Artikel mit drei oder vier verschiedenen Verfalldaten existiert. Allgemein für alle Apotheken gültige Regelungen existieren hierzu zwar nicht, dennoch ein paar Tipps, welche die praktische Durchführung erleichtern können. Entscheidend ist zunächst der (Ein)-Lagerungsort. Kommissionierautomaten können nicht nur wahre Raumwunder sein, sondern auch das Prinzip „FEFO = First expired, first out“ perfekt beherrschen – vorausgesetzt sie wurden zuvor mit den richtigen Daten „gefüttert“. Denn nur bei den modernsten Formen kann beim Packungs-Scan das Verfalldatum selbsttätig automatisiert mit aufgenommen werden

Probleme bereiten eher die althergebrachten alphabetisch geordneten Apotheken-Ziehschränke. Denn hier kommt – ebenso wie bei Sicht-, Frei- oder womöglichem Übervorrat im Keller – die menschliche Komponente deutlich ins Spiel. In vielen Apotheken werden mehrere Packungen ein und desselben Artikels (gleiche Pharmazentralnummer) hier nebeneinander gelagert, sodass der Davorstehende die Schrift möglichst gut lesen kann. Die Frage ist aber: Sollten die Verfalldaten aufsteigend von links nach rechts oder von rechts nach links gelegt werden? Diese Fragestellung ist deshalb relevant, weil Linkshänder am ehesten den links liegenden Artikel entnehmen, Rechtshänder den rechts liegenden. Statistisch sind allerdings nur zehn bis fünfzehn Prozent der Menschheit Linkshänder. Doch das Problem lässt sich umgehen, indem die Packungen im 90-Grad-Winkel quer zum davorstehenden Bediener eingelegt werden und die allgemein übliche Regel eingehalten wird, dass bei mehreren Lagen immer die vorderste, obere Packung gegriffen wird.

Für Sichtwahlregale gilt die einfache Regel, dass Packungen mit dem längsten Verfall ganz hinten und die mit dem kürzesten Verfall in der ersten Reihe platziert werden. Leider kommt es jedoch immer noch in vielen Apotheken dazu, dass Ware aus dem Übervorrat statt ganz hinten einfach in die vorhandene Lücke eingefügt wird. Besonders fatal ist dies bei Saisonartikeln, etwa Heuschnupfen- oder Erkältungspräparaten, die womöglich mehrere Monate im Jahr eher ein Schattendasein fristen. In der neuen Saison wollen fast alle Kunden wieder Packungen mit langen Laufzeiten – und das Problem der kurzen Restlaufzeit kann dann nur noch durch Aktionen mit Sonderpreis (und resultierender wesentlich geringerer Gewinnspanne) aufgefangen werden. Sofern der Sachverhalt überhaupt rechtzeitig bemerkt wird.

In der Freiwahl mit direktem Zugang des Kunden zur Ware ist es fast täglich erforderlich, die verschobenen Packungen nach dem FEFO-Grundprinzip wieder in Reih und Glied zu bringen. Das heißt, bei mehren Packungen steht immer die Packung mit der kürzesten Restlaufzeit vorne, die mit der längsten Laufzeit ganz hinten. Warenschütten vor oder in der Apotheke, die nur mit Ware gut befüllt auch auf Kunden anziehend wirken, bergen wiederum die Herausforderung, dass häufig – aus Gedankenlosigkeit oder der Einfachheit halber – einfach ein Karton mit neuer Ware dazugeschüttet wird. Die untersten Lagen bleiben dann aber liegen – und verfallen womöglich. Auch wenn es sich hier meist um Artikel mit niedrigem Einkaufspreis handelt und der wirtschaftliche Schaden somit begrenzt erscheinen mag, besser ist: Die Schütten etwa alle vierzehn Tage bis vier Wochen komplett entleeren und nach dem beschriebenen Prinzip „first expired, first out“ („first in-first out“) wieder befüllen.

Das klingt nach Arbeit, gelingt bei einem eingespielten Backoffice in der kundenschwachen Zeit aber recht flott. Größerer wirtschaftlicher Verlust droht eher beim Übervorrat, wenn dieser falsch deponiert wurde (ohne festen Lagerort), die Ware ohne Verfallsdatum eingebucht wurde. Mit Sicherheit hat jeder schon erlebt, dass sich Ware im EDV-Bestand befand, nicht mehr am üblichen Standort gelagert war, nicht mehr gefunden wurde – und schließlich wegen „Schwund“ ausgebucht wurde. Wochen später fand man den/die Artikel dann doch an anderer Stelle wieder. Umgekehrt ist es wahrscheinlich ebenfalls schon einmal vorgekommen, dass original-cellophanierte Bündelpackungen von Schnelldrehern wie „Otriven“ oder „Thomapyrin“ mit bereits abgelaufenem Verfalldatum im Übervorrat/Kellerregal aufgetaucht sind, die dann keinen adäquaten Umtausch oder annehmbare Gutschrift mehr erfahren haben. Dies sollte nicht sein!

Abhilfe: VerfalldatenkontrolleDeshalb sollte als oberste Regel im Backoffice beherzigt werde: Verfalldaten und Standort aller Arzneimittel, jeglicher Ware in der Software hinterlegen. Da dies – solange noch nicht die 2D-Codes (optoelektronisch lesbare Schriften) mit dem Verfall auf allen Arzneimittel-Packungen vorhanden sind – selbst bei vielen in Betrieb befindlichen Kommissionierautomaten noch händisch geschehen muss und einen zusätzlichen Arbeitsaufwand bedeutet, verzichtet so manche Apotheke, so manche Mitarbeiterin, auf diesen Schritt. Bei nur kurzen Restlaufzeiten oder Medikamenten, die zu den „Langsamdrehern“ gehören oder zu diesen werden, kann sich das aber rächen. So mancher Pharmazierat hat auf die Verfalldatenkontrolle sein besonderes Augenmerk geworfen – und belegt Apotheken, bei denen abgelaufene Arzneimittel im Normal- Lager vorgefunden werden, mit Bußgeld.

Vorschrift ist laut Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) Quarantäne, genaugenommen „ein separater und entsprechend gekennzeichneter Lagerbereich“. Also: Regelmäßig Listen mit Ware beziehungsweise Medikamenten, die kurz vor dem Verfall stehen, ausdrucken, bearbeiten, alles dokumentieren (QM = Qualitätsmanagement) und die entsprechende Ware retournieren – solange man noch etwas dafür bekommt. Und bei jeder Neulieferung auf Verfall/Restlaufzeit achten und diese ins EDV-System eingeben!

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/17 ab Seite 78.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin

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