Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern
KEIN KINDERSPIEL
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Aufräumen geht gar nicht, die Eltern sind peinlich, die Schule nervt und das Leben ist einfach nur anstrengend? Schlechte Laune kommt aus dem Nichts heraus und Gespräche zwischen pubertierendem Nachwuchs und seinen Eltern enden nicht selten mit knallenden Türen? Dies sind typische Szenen, die sich in Familien mit Teenagern abspielen können. Der einst noch so süße und liebe Nachwuchs wird plötzlich trotzig, zieht sich zurück und orientiert sich nicht mehr an den Eltern, sondern bevorzugt an Freunden. Hinzu kommt, dass Jugendliche, die sich in der Pubertät befinden, ein erhöhtes Risikoverhalten zeigen, insbesondere was den Konsum von Alkohol oder Drogen angeht.
Hormonelle Veränderungen Das erste äußere Anzeichen der Pubertät ist die Zunahme an Körpergröße und -gewicht (Wachstumsschub), wobei hormonelle Prozesse eine bedeutsame Rolle spielen. Beim weiblichen Geschlecht setzen die Nebennieren Androgene frei, welche das Längenwachstum fördern sowie die Ausbildung von Achsel- und Schamhaaren in Gang setzen. Durch die Ausschüttung von Estrogenen entstehen Brüste, außerdem nimmt der Körper aufgrund von Fettpolstern weibliche Proportionen an. Zusätzlich tragen die Estrogene zur Steuerung des Menstruationszyklus bei.
Die Hoden schütten bei Jungen große Mengen des Androgens Testosteron aus, wodurch sich die Muskeln, die Körper- und Gesichtsbehaarung sowie weitere männliche Geschlechtsmerkmale entwickeln. Darüber hinaus fördern Androgene, insbesondere das Testosteron, die Zunahme an Körpergröße. Auch die ersten Bart- und Körperhaare kommen zum Vorschein, ihre Ausprägung steigt in den folgenden Jahren. Bei Jungen ist ein weiteres wichtiges Merkmal der Pubertät das Tieferwerden der Stimme im Stimmbruch, wobei sich der Kehlkopf vergrößert und die Stimmbänder sich ausdehnen.
Estrogene unterstützen bei beiden Geschlechtern die Freisetzung von Wachstumshormonen, was den pubertären Wachstumsschub erklärt. Dieser setzt bei Mädchen im Alter von zehn Jahren ein, bei Jungen erst zwei Jahre später. Zunächst beschleunigt sich die Entwicklung von Händen, Beinen und Füßen, gefolgt vom Rumpf, auf den der größte Anteil des Wachstums in der Adoleszenz entfällt. Mit ihren langen Beinen, großen Händen und Füßen erscheinen Jugendliche oft unproportioniert und ungeschickt
Die Pubertät ist eine wichtige Phase für die Abnabelung von den Eltern. Deshalb muss es gelegentlich krachen.
Sexuelle Reifung Die Natur zögert die sexuelle Reifung in der Regel so lange hinaus, bis der weibliche Körper überhaupt dazu in der Lage ist, ein Kind auszutragen. Die Menarche, die erste Menstruation, tritt meist nach dem Maximum des Wachstumsschubs ein und zwar im Alter von durchschnittlich (!) 13 Jahren. Bei Jungen kommt es im Rahmen der Pubertät zu einer Vergrößerung der Hoden sowie zu einer Veränderung der Hautstruktur und Farbe des Hodensacks. Mit Beginn des Peniswachstums erscheinen gleichzeitig die ersten Schamhaare. Die Prostata und die Samenblase vergrößern sich ebenfalls und im Alter von ungefähr 13 Jahren findet die Spermarche, die erste Ejakulation, statt. Zunächst verfügt der Samen nur über wenige lebende Spermien, sodass die Fruchtbarkeit anfangs eingeschränkt ist.
Großbaustelle im Kopf Auch im Gehirn der Teenager spielt sich einiges ab: Der amerikanische Psychiater Jay Giedd fand heraus, dass in der Pubertät neue Verbindungen zwischen Nervenzellen entstehen und andere hingegen entfernt werden. Insbesondere die Verknüpfungen zwischen den beiden Hirnhälften durch den Balken und zwischen den Frontallappen und anderen Gehirnregionen entwickeln sich weiter und ermöglichen eine schnellere Kommunikation. Im Laufe der Pubertät werden auch die Neuronen sensibler für Erregungen weiterleitender Neurotransmitter.
Ein Teenager reagiert daher intensiver auf Belastungen oder angenehme Reize – er hat noch nicht die Fähigkeit erworben, diese heftigen Impulse zu kontrollieren. Die Entwicklungen im Gehirn gelten als mögliche Ursache dafür, dass neue Erfahrungen (wie etwa der Konsum von Alkohol) von Adoleszenten als reizvoll empfunden werden. Neurotransmitterveränderungen könnten auch für die erhöhte Anfälligkeit gegenüber Depressionen oder Essstörungen verantwortlich sein.
Wilde Zeit, schöne Zeit?! Die Pubertät ist trotz ihrer individuellen Schwierigkeiten positiv zu betrachten, denn einige Dinge wird man im Leben nie wieder so leicht tun wie in der Phase des Erwachsenwerdens: Aus jedem kleinen Verknalltsein wird die große Liebe, Liebeskummer kann hingegen nur schwer überlebt werden. Außerdem kümmert es Pubertierende nicht, was andere von ihnen denken, sodass sie sich oft völlig frei verhalten und rebellieren. Wollte man als Kind noch gemocht werden, spornt Kritik so manchen Teenager zu Konflikten erst an.
Besonders mutig ist in der Pubertät, den Schritt aus der Geborgenheit der Familie heraus zu wagen, um das Leben von nun an als Individuum zu leben. Die Entdeckungsfreude in dieser Zeit ist unersättlich, Adoleszente definieren sich oft alle paar Wochen neu, Prinzipien und Regeln werden hinterfragt und Grenzen provokativ ausgetestet. Dies ist im Erwachsenenalter schließlich vorbei und man verhält sich eher kompromissbereit und angepasst – doch an die Leichtigkeit des Seins in der Pubertät denken die meisten Erwachsenen gerne zurück.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/17 ab Seite 84.
Martina Görz, PTA und Fachjournalistin