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Der Dokumentarfilm „Das Impfdrama – Deutschlands Weg aus der Pandemie“ wurde von den Regisseuren Antje Boehmert und Dominik Wessely gedreht.

Interview

„DIE CORONA-PANDEMIE IST DIE GRÖSSTE GEMEINSCHAFTS-GESUNDHEITS-LEISTUNG DER JÜNGSTEN VERGANGENHEIT IN UNSEREM LAND“

Antje Boehmert und Dominik Wessely sind Regisseure. Gemeinsam haben Sie den Dokumentarfilm „Das Impfdrama – Deutschlands Weg aus der Pandemie“ gedreht. Wir haben uns mit ihnen über die Arbeit eines Regisseurs, über Flexibilität und den Film selbst unterhalten.

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DIE PTA IN DER APOTHEKE:Wie gestaltet sich der Tagesablauf eines Regisseurs?

Antje Boehmert: Ein Teil unserer Arbeit sind Recherchereisen: Bevor wir die Menschen finden, über die wir Filme machen, lesen wir sehr viel und führen Hintergrundgespräche. Irgendwann hat man dann die ersten Kontakte geknüpft und dann setzen wir uns in den Zug, um die Menschen zu treffen und ihnen zu erzählen, was wir vorhaben. Es beginnt der Prozess des Kennenlernens. Irgendwann kommen wir dann bestenfalls mit der Kamera wieder. Manchmal trifft man aber auch Menschen, die am Ende nicht vor der Kamera stehen möchten. Das ist auch vollkommen in Ordnung und Teil unserer Arbeit. 

Dominik Wessely: Für einen Regisseur gibt es keinen geregelten beziehungsweise typischen Tagesablauf. Zum einen haben wir beim Dokumentarfilm die Ereignisse, die wir filmisch begleiten, nicht in der Hand. Wir schließen uns an Abläufe an, die außerhalb unserer Planung liegen. Zum anderen kommt es auch immer darauf an, in welchem Stadium des Filmemachens man sich gerade befindet. In der Konzeptions- und Planungsphase ist es ganz klassische Schreibtischarbeit mit Recherchen, Telefonieren und Textarbeit. In dem Moment, wo es in die Dreharbeiten geht, folgen wir unserem Protagonisten. Wenn die Protagonisten ihren Dienst um vier oder um fünf Uhr morgens antreten, dann sind wir zur gleichen Zeit am Drehort. Am Ende der Dreharbeiten ist man dann im Schneideraum. Beim jetzigen Dokumentarfilm gingen diese beiden Phasen nahtlos ineinander über. Je später man in der Phase der Fertigstellung ist, desto mehr überschneiden sich die einzelnen Arbeitsbereiche. 
 

Muss man als Regisseur flexibel sein?

Boehmert: Auf jeden Fall. Das Projekt wäre nicht entstanden, wenn wir nicht alle als Gesellschaft gerade in einer Situation wären, in der wir uns ständig auf Neues einstellen müssen. Ein Film über das Impfen einer ganzen Gesellschaft plant man nicht ein Jahr im Voraus. Aber es gibt andere Filme, die wir sehr wohl ein bis zwei Jahre planen. 

Wessely: Das ist das Wesen unserer Arbeit, dass wir uns auf neue Dinge einstellen. Neugierde gehört auf jeden Fall dazu und die Fähigkeit, sich auf unvorhersehbare Situationen einzustellen. Aber das ist das Tolle an diesem Beruf.
 

Sie kennen sich bereits aus vorherigen Dreharbeiten?

Boehmert: Ja, aber immer in verschiedenen Rollen. Das Projekt, das wir vorher gemacht haben „Loveparade - die Verhandlung“, war auch ein 90-minütiger Dokumentarfilm. Da habe ich als Autorin und Produzentin gearbeitet und Herr Wessely hat den Film als Regisseur „gemacht“. Jetzt teilen wir uns die Gewerke. Dadurch, dass wir an vielen verschiedenen Orten gleichzeitig unterwegs waren, das wird man auch im Film sehen, war klar, dass wir mit mindestens zwei Teams gleichzeitig drehen werden. Das können wir beide mittlerweile ganz gut. 

Wessely: Wir haben vorher schon zwei Filme miteinander gemacht und wissen, was wir aneinander haben, wie wir miteinander umgehen und uns verständigen können. Das war eine gute Basis, um ein solches Projekt, das eine vergleichsweise kurze Vorlaufzeit hat, miteinander anzugehen. 
 

Welche Themen liegen Ihnen besonders?

Boehmert: Ich habe eine Produktionsfirma und wir machen seit 2011 auch immer wieder Filme, die man unter den Überbegriff „Gesundheit“ setzen könnte, aber keine klassischen Wissenschaftsdokumentationen. Der aktuelle Film ist auch keine Wissenschaftsdokumentation, sondern er folgt den Menschen, die jetzt mit einem Thema beschäftigt sind, das sich um das Thema Gesundheit dreht. Wir machen bei DOCDAYS Productions Filme, die die gesellschaftliche oder menschliche Seite von Gesundheitsthemen zeigen. Wir haben beispielsweise mit Carl Gierstorfer einen Film gemacht über den Ursprung von HIV im Kongo, er war auch in diesem Winter für eine Langzeitdokumentation drei Monate auf der COVID-Intensivstation der Charité. Global Health, Public Health das spricht uns thematisch an. Es sind Themen, da könnten wir große Fortschritte erzielen, wenn wir es ernst genug nehmen würden und das nötige Geld ausgeben würden. Es gibt viele Menschen, die an Krankheiten sterben, an denen sie heutzutage nicht mehr sterben müssten. Es ist nichts, was wir nicht ändern könnten. 

Wessely: Am Ende ist es immer die Frage der Perspektive, die den Zugang zu einem Thema schafft. Für uns beide gilt, dass wir uns einem Thema immer aus der Perspektive von Protagonisten nähern. Wir schauen durch ihre Augen auf ein Thema, beziehungsweise wir versuchen, deren Perspektive auf ein Thema zu verstehen. Das Interesse an Menschen ist das Wesentliche unserer Arbeit.
 

Wie geht man an einen Dreh ran?

Wessely: Bei „Das Impfdrama“ war klar, dass Impfzentren wesentliche Orte sein würden, an denen sich Situationen ereignen, von denen der Film getragen wird. Da ging es uns natürlich um die Frage, welche Impfzentren es sein könnten, wo sie liegen könnten. Und vor allem, auf welche Menschen man dort trifft. Wir wollten verschiedene Aspekte abbilden: Die Situation in einem Flächenland ist eine andere, als in einem Großstadtballungsraum. Der Bereich der medizinischen Versorgung ist ein Teilaspekt, der miterzählt werden kann. Letztendlich geht es auch um die Frage, ob man willkommen ist, wenn man für eine Recherche an einen Ort kommt. Haben die Menschen Interesse daran, an dem Film mitzuwirken? 
 

Das Thema des Films ist derzeit in aller Munde. Welche Botschaft soll Ihr Film vermitteln?

Boehmert: Wir als Dokumentarfilmer haben keine „Botschaft“. Für uns persönlich ist die Impfkampagne die größte Gemeinschafts-Gesundheits-Leistung der jüngsten Vergangenheit. Wir möchten zeigen, wie dies im Alltag und „in erster Reihe“ aussieht. Der Zuschauer kann sich selbst ein Bild machen. Er kann sich die Meinung und Haltung anderer Menschen anhören und letztendlich doch anderer Meinung sein. Im Film gibt es auch einen Protagonisten, der es sich mit seiner Impfentscheidung nicht leichtgemacht hat und dafür auch gute Gründe hat. Aber es stimmt schon, dass wir persönlich sind der Ansicht, dass die Impfung der Weg aus der Pandemie ist. Wir würden das unterstreichen, was viele Virologen sagen, nämlich, dass sich jeder immunisieren wird in den kommenden Jahren, entweder durch Impfung oder Ansteckung. 
 

Gibt es bestimmte Bereiche/Menschen, die Sie während der Dreharbeiten begleitet haben, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind? 

Boehmert: Dieser Film stellt eine Art Panorama dar. Wir wollten zeigen, dass es nicht den einen Beruf, den einen Ort, den einen Menschen gibt, der den Schalter umlegt. Es ist ein riesiger Organismus entstanden. Ich würde niemanden herausstellen. Jeder Protagonist und jeder Ort wurden bewusst von uns gewählt. Wir wollten ein Deutschlandbild erzählen. In unserer Haltung als Filmemacher ist es essenziell, dass wir die Menschen, egal wie kurz oder lang sie im Film vorkommen, gleich wertschätzen. 

Wessely: Es gibt Protagonisten mit unterschiedlicher Gewichtung. Das hat den Hintergrund, dass unsere Teams in bestimmten wichtigen entscheidenden Momenten bei Personen vor Ort waren und Dinge passiert sind, die ein Schlaglicht geworfen haben auf bestimmte Aspekte der Impfkampagne. Solche Momente bekommen in einem Film dann einen größeren Raum und das ist vollkommen in Ordnung. Dokumentarisches Erzählen besteht ja auch darin, Menschen in solchen Momenten zu erleben und mit ihnen dabei sein zu können. Da gibt es in der Dramaturgie natürlich unterschiedliche Gewichtungen. Aber das sind keine inhaltlichen Aussagen darüber, ob die Arbeit an dem einen Ort wertvoller war als an einem anderen. Wir konnten einfach von der Materiallage her anders erzählen. 
 

Warum haben Sie sich für genau diese Protagonisten entschieden?

Boehmert: Wir wollten an ganz unterschiedlichen Orten sein. Wir sind im ländlichen Raum, im Ballungsraum, in der Hausarztpraxis, im Impfzentrum, bei Wissenschaftlerinnen – sie alle erleben die Pandemie auf ganz verschiedene Art und Weise. Ein Krematoriumsmitarbeiter und ein Fotograf – beide haben ein ganz unterschiedliches Erleben der Pandemie. Das haben wir ganz bewusst so gesetzt. Wir fragen Menschen, ob sie Zeugnis darüber ablegen möchten, was sie in der Zeit, in der wir sie mit der Kamera begleiten, erleben. 

Wessely: Es geht um asymmetrische Begegnungen. Wir als Dokumentarfilmer gehen mit einer Kamera zu den Menschen. Für die meisten ist es in der Regel die erste Erfahrung mit einem Filmteam. Oft ist es erst einmal eine ungewohnte Situation, die manchmal auch zu Beginn unbehaglich ist. Es gibt Menschen, die sich in dieser etwas fremden Situation, vor der Kamera zu agieren, leichter einfinden als andere. Dieses Bild vor der Kamera ist ein wichtiges Kriterium, sodass man am Ende als Zuschauer den Eindruck hat, dass kein Protagonist gezwungenermaßen agiert hat. Wir wollen ein Vertrauensverhältnis zeigen, das vor und hinter der Kamera entstanden ist. Unsere Aufgabe als Dokumentarfilmer ist es, durch die konkrete Tätigkeit dieser Menschen herauszufiltern, was man erzählen und sichtbar machen kann. Es gibt Personen, deren Arbeit viele Perspektiven und Zugänge eröffnet und das ist immer auch ein Kriterium, warum man sich für einen Menschen entscheidet. 
 

Hat sich Ihre Sichtweise zum Thema Corona und Impfen durch die Dreharbeiten verändert?

Boehmert: Mit ist bewusstgeworden, was es bedeutet, viele Menschen zu impfen. Jeder muss seine eigene Impfentscheidung treffen und über den sozialen Vertrag der Impfung nachdenken. Mache ich das, um mich oder um andere zu schützen? Jeder, der sich impfen lassen wollte, musste über seinen Platz in der Priorisierung nachdenken. Unsere Gedanken gehen natürlich auch in den Herbst: Was passiert, wenn Impfzentren geschlossen werden, wenn die Delta-Variante ihren Vormarsch fortsetzt. Wir haben keine allgemeine Impfempfehlung für Kinder ab zwölf Jahren. Das nächste Schuljahr kommt. Ich kann jeden verstehen, der sich Zeit nimmt, um seine eigene Impfentscheidung zu treffen. Aber ich würde mir wünschen, dass sie jeder bewusst trifft und sich die Zeit nimmt, sich zu informieren. 

Wessely: Wir sind beide mit einer klaren Haltung in diesen Film gegangen und diese hat sich nicht verändert. Uns beiden ist bewusst, dass diese Impfkampagne der Weg aus der Pandemie ist. Es ging in dem Film nicht darum, ein Meinungsbild zu zeigen und deutschlandweit einzuholen. Uns ging es auch darum, den Menschen bei der Arbeit zuzusehen. Letztlich diejenigen, die uns helfen aus dieser schwierigen Situation herauszukommen. 
 

Was erhoffen Sie sich, was der Film bei den Zuschauern auslösen soll?

Wessely: Wir wollen ein Stück weit eine Chronik liefern. Ein Zeitdokument, das zeigt, wie das letzte halbe Jahr gelaufen ist. 
 

Planen Sie auch andere Filme zu Gesundheitsthemen?

Boehmert: Es ist zu früh, um darüber nachzudenken. Ein frischer Blick ist immer wichtig. Daher müsste es auch ein komplett anderer Ansatz sein, wenn wir uns dem Thema des Films irgendwann noch einmal nähern würden. Jetzt hallt der Film erst einmal nach: man geht Verbindungen mit den Protagonisten ein, die bleiben, da braucht es einen Moment, um das im Nachhinein wertzuschätzen und für sich einmal auf die Zeit zurück zu schauen, in der der Film entstanden ist. 

Wessely: Diese Frage ist aktuell schwer zu beantworten. Das hat auch viel mit den persönlichen Dingen zu tun, die einen dann in diesem Moment beschäftigen. Für uns war dieser Erzählzeitraum bis Sommer relevant, weil es dieses politische Angebot gibt, dass alle bis Ende des Sommers ein Impfangebot bekommen sollen. Es gab eine Linie am Zeithorizont. Der Film ist eine Art erste Zwischenbilanz, ein ausschnitthafter Blick. Für andere Themen hatten wir keine Zeit und Energie. Jetzt ist erstmal die Zeit des Durchatmens, bevor man das nächste Thema angeht. Wir wissen ja auch, was es heißt, einen Film zu machen. Es ist eine Kraftanstrengung und Energieleistung. 

 

Das Interview für DIE PTA IN DER APOTHEKE führte Nadine Hofmann

 

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