Die Forschung an Targets und Wirkstoffen zur Entwicklung neuer Antibiotika muss weitergehen. © Manjurul / iStock / Getty Images Plus

Antibiotika | neues Target

INNOVATIVE ANTIBIOTIKA DURCH CLPX-CLPP

Antibiotikaresistenzen nehmen zu, selbst Reserveantibiotika versagen immer häufiger. Könnte ein Proteinkomplex der Schlüssel zur Entwicklung neuer Antibiotika sein?

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In den letzten Jahren wurden wenig neue antibakterielle Stoffe zugelassen, erst kürzlich gab die forschende pharmazeutische Industrie zu, sich nicht vorrangig um die Entwicklung neuer Stoffe zu kümmern – aus wirtschaftlichen Gründen. Dem gegenüber stehen jährlich rund 700 000 Menschen – allein in der EU – die an resistenten Erregern erkranken. Etwa jeder fünfte stirbt an einer solchen Infektion. Es müssen neue Schwachstellen resistenter Erreger identifiziert werden und antibakterielle Stoffe, die diese ausnutzen.

Prof. Stephan Sieber von der Technischen Universität München (TUM) und Prof. Stefan Raunser, Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologe in Dortmund, haben nun einen ersten Schritt in diese Richtung getan und die dreidimensionale Struktur des proteinabbauenden Komplexes ClpX-ClpP aufgeklärt. Bei ClpP handelt es sich um ein Enzym, das in der Bakterienzelle für den kontrollierten Abbau fehlerhafter Proteine sorgt. Damit übernimmt es eine lebenswichtige Rolle im bakteriellen Stoffwechsel. Es verbindet sich mit dem Protein ClpX – eine Art Starthilfe für den Abbau. Der ClpX-ClpP-Komplex erkennt dann fehlerhafte Proteine, entfaltet sie und schneidet sie in kleine, dysfunktionale Stücke. Das Ziel neuer Antibiotika wäre es, diesen kontrollierten Mechanismus ausarten zu lassen, sodass es zum Zusammenbruch des bakteriellen Stoffwechsels kommt.

Sogenannte Acyldepsipeptide (ADEP) animieren das Enzym ClpP dazu, Proteine auch ohne die Bindung an ClpX zu zerstören. Die Kontrollinstanz wäre ausgeschaltet und es werden so auch fehlerfreie Proteine fälschlicherweise abgebaut. Zudem scheint die Bindung von ADEP an das Enzym einen anderen Effekt auszuüben als die Komplexbildung mit ClpX: ADEP dockt zwar an die gleiche Stelle am Enzym an, verändert aber dadurch dessen Konformation, sodass auch funktionierende Proteine gebunden und abgebaut werden. Im Gegensatz zu anderen Antibiotika aktivieren Vertreter dieser Stoffklasse einen abbauenden Vorgang der Bakterienzelle und hemmen nicht einen lebenswichtigen Stoffwechselmechanismus, was das Resistenzrisiko vermindern könnte.

ClpP bietet sich aber noch aus anderen Gründen als Target an: Das Enzym ist auch entscheidend an der Produktion bakterieller Toxine beteiligt, die das Krankheitspotenzial vieler Infektionen bedingen. Die Teams forschen bereits an potenziellen Hemmstoffen für ClpP und den Proteinkomplex ClpX-ClpP, um Bakterien zukünftig „entwaffnen“ zu können.

Farina Haase,
Apothekerin/Redaktion

Quelle: www.deutschesgesundheitsportal.de

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