Hauterkrankungen
ICH KRIEG DIE KRÄTZE!
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Die Krätze, medizinisch Scabies oder Skabies genannt, gehört zu den parasitären Hauterkrankungen. Ursache ist die Krätzemilbe, ein winziges, nur etwa 0,3 bis 0,5 Millimeter großes Spinnentier. Die Weibchen bohren in der Epidermis der befallenen Menschen lange Gänge, in denen sie ab einem Alter von etwa zwei Wochen täglich bis zu vier Eier ablegen.
Extremer Juckreiz Bis zu sechs Wochen kann es dauern, bevor ein Befall mit Krätzemilben zu dem typischen, kaum aushaltbaren Juckreiz führt. Dieser wird durch eine Immunantwort auf Eier, Kot und Stoffwechselprodukte der Weibchen in den gebohrten Kanälen ausgelöst und ist nachts besonders schlimm. An den betroffenen Hautstellen kommt es zu Pustel- und Papelbildung. Durch ständiges Kratzen können darüber hinaus Läsionen entstehen, die Krankheitserregern eine Eintrittspforte bieten, sodass Superinfektionen zu gefährlichen Komplikationen bis hin zur Sepsis führen können. An Krätze kann man immer wieder erkranken. Beim erneuten Befall mit den Parasiten treten die Immunantwort und die damit verbundenen Symptome bereits nach einigen Tagen auf. Krätzemilben brauchen hohe Feuchtigkeit, um sich fortpflanzen zu können. Außerhalb eines Wirts sinkt ihre Überlebenszeit umso schneller, je wärmer und trockener die Luft ist. Meist sterben die Parasiten dann bereits nach zwei Tagen.
Keine Frage der Hygiene Noch Anfang des 20. Jahrhunderts war die Krätze eine weit verbreitete Krankheit. Danach schien sie kaum noch eine Rolle zu spielen. Seit 2007 haben sich die Fallzahlen jedoch fast verdoppelt, vor allem Nordrhein-Westfalen meldete Ende 2016 eine stark ansteigende Häufigkeit. Einige sahen einen Zusammenhang mit der hohen Zahl an Flüchtlingsunterkünften in diesem Bundesland und befürchteten, dass die Flüchtlinge uns die Krätze zurückgebracht hätten. Tatsache ist aber: Die Krätze war nie weg. Immer wieder gab es Ausbrüche in Senioreneinrichtungen, Kindertagesstätten und Obdachlosenheimen. Krätze ist eine Zivilisationskrankheit, die überall dort auftritt, wo viele Menschen auf engem Raum zusammen sind.
Denn Krätze ist ansteckend: Die Milben werden über Hautkontakt weitergegeben, in sehr seltenen Fällen kann eine Ansteckung auch über Textilien erfolgen. Ein kurzes Händeschütteln reicht zwar nicht aus, aber gemeinsames Spiel oder Schlafen im selben Bett bergen ein hohes Risiko. Gerade in Gemeinschaftseinrichtungen haben die Spinnentiere also ein leichtes Spiel. Daher ist ein Krätzebefall dort auch meldepflichtig. Ein noch nicht vollständig ausgebildetes oder geschwächtes Immunsystem bietet der Infektion Vorschub. Daher sind häufig Kinder oder Senioren betroffen, ebenso Menschen mit Immundefekten oder Vorerkrankungen. Diabeteskranke haben eine verminderte Juckreiz-Wahrnehmung, genau wie Demenzkranke, sodass die Infektion bei ihnen womöglich erst spät erkannt wird.
Ein Vorurteil ist jedoch endgültig überholt, nämlich, dass Krätze ein Ausdruck von mangelnder Hygiene und Verwahrlosung sei. Das Infektionsrisiko lässt sich durch gute Hygiene nicht senken. Lediglich die Ausprägung der Symptome ist durch Hygiene beeinflussbar.
Milben oder nicht? Bei der Krätze gibt es so gut wie nie eine Spontanheilung. Allerdings sind die Symptome auch so unangenehm, dass kaum ein Betroffener den Arztbesuch lange aufschiebt. Außerdem ist die Therapie unkompliziert. Krätze zu diagnostizieren ist jedoch nicht immer einfach, denn gerade im Anfangsstadium kann sie häufig mit Insektenstichen oder Flohbissen verwechselt werden. Auch sind die Hautveränderungen bei Menschen, die eine intensive Körperhygiene betreiben, schwer zu erkennen. Dann wird der starke Juckreiz womöglich auf eine Kosmetikallergie zurückgeführt. Mit dem bloßen Auge sind die Milbengänge kaum sichtbar, erst ein Mikroskop bringt Klarheit. Die Parasiten selbst sind manchmal als schwarze Punkte am Ende der Gänge erkennbar.
Das Mikroskop hilft jedoch auch nicht weiter, wenn die Milbengänge aufgekratzt und verschorft sind – dann sind Erfahrung und ein geübtes Auge des Arztes unentbehrlich. Da Milben es gerne feuchtwarm haben, siedeln sie sich meist an Stellen an, wo die Haut vergleichsweise dünn und die Körpertemperatur hoch ist, wie unter den Achseln, im Leistenbereich, zwischen den Fingern oder hinter den Ohren. Befinden sich die Milbengänge jedoch an anderen Stellen, können sie schnell mit Neurodermitis, Schuppenflechte oder Kontaktekzemen verwechselt werden.
Innerliche oder äußerliche Therapie möglich Ist eine Krätze diagnostiziert, gibt es mehrere Behandlungsmöglichkeiten. Zur äußerlichen Anwen- dung stehen Salben und Emulsionen zur Verfügung, zur systemischen Therapie seit Mai 2016 auch Tabletten mit dem Wirkstoff Ivermectin. Ivermectin muss zweimal im Abstand von zwei Wochen eingenommen werden. Es ist daher einfacher anzuwenden als Salben und hat auch weniger Nebenwirkungen. Trotzdem wird in den meisten Fällen immer noch eine fünfprozentige Permethrinsalbe eingesetzt. Dieses Präparat ist für Kinder ab drei Jahren zugelassen und auch für Schwangere und Stillende unbedenklich. Um die Milben abzutöten, muss es nur einmal aufgetragen werden und dann acht bis zwölf Stunden einwirken. Eine preiswertere, aber umständlichere Lösung ist die Therapie mit Benzylbenzoat, einer Emulsion, mit der der Körper nach gründlicher Reinigung vollständig eingerieben wird.
Die Behandlung muss an den darauf folgenden zwei Tagen jeweils wiederholt werden. Die belegte Wirksamkeit liegt jedoch deutlich unter der des Ivermectin oder der Permethrinsalbe. Welche Therapie sinnvoll ist, wird der Arzt individuell entscheiden, er wird auch eine Kontrolluntersuchung nach vier Wo- chen durchführen. Auch wenn alle Milben abgetötet wurden, kann der Juckreiz noch einige Zeit bestehen bleiben, da der Körper auf die Milbenzerfallprodukte ebenfalls mit einer Immunantwort reagieren kann. Diese postskabiösen Symptome können mit antientzünd- lichen Salben und rückfettenden Cremes gelindert werden
Umgebung hygienisch halten Da die Krätzemilben sich auch in Wohntextilien oder Handtüchern einnisten können, ist eine Behandlung aller Stoffe in der Wohnung unumgänglich. Die Fälle, in denen ei- ne Ansteckung nicht über Körperkontakt, sondern lediglich über Textilien stattgefunden hat, sind zwar extrem selten, jedoch besteht immer ein Restrisiko. Alles, was dazu geeignet ist, sollte bei 80 °C gewaschen werden. Alle anderen Textilien kann man zumindest luftdicht für einige Tage in Plastiktüten verpacken und möglichst kühl lagern, um die Tiere abzutöten.
Schwer therapierbare Sonderform Eine echte therapeutische Herausforderung kann eine „Scabies norvegica“ (Borkenkrätze) sein. An dieser speziellen Form erkranken meist Menschen mit einer Immunschwäche. Im Gegensatz zur herkömmlichen Krätze, bei denen es nur vereinzelte Milbengänge gibt, ist der Körper der Patienten hier mit Milbengängen übersät und auf jeder Hautschuppe finden sich mehrere tausend Tiere. Die Haut wird dadurch großflächig regelrecht borkig wie Baumrinde, während der typische Juckreiz ganz fehlen kann. Meist bekommt man die Borkenkrätze nur durch eine langwierige Therapie in den Griff, bei der die Patienten isoliert werden müssen.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/17 ab Seite 114.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist