Wirkstoffe – historisch beleuchtet

I WIE INSULIN

Täglich spritzen sich rund eine Millionen Menschen in Deutschland das lebenswichtige Hormon, hinter dem ein hochinteressanter Abschnitt der Arzneimittelgeschichte steckt.

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Als Paul Langerhans 1869 inselartige Zellformationen im Pankreas beschreibt, hat er noch keine Ahnung, dass es sich hierbei um die Hormonproduktionsstätte der wichtigen Peptidhormone Insulin und Glukagon handelt – geschweige dass ihm deren lebenswichtige Funktion im Organismus bewusst gewesen wäre.

Erst 20 Jahre später stellten die Straßburger Joseph Freiherr von Mering und Oskar Minkowski (1858 bis 1931) fest, dass nach Entfernen der Bauchspeicheldrüse bei Hunden die Symptome der Zuckerkrankheit auftreten. Daraufhin eingesetzte Pankreaspräparate waren jedoch zunächst nur wenig wirksam. Der deutsche Internist Georg Ludwig Zülzer (1870 bis 1949) hatte bei Patienten Erfolg mit dem Pankreas-Insel-Extrakt von Schlachttieren, konnte jedoch keine Firma für eine langjährige Produktion gewinnen.

Die Isolierung von Insulin, das zunächst „Isletin“ genannt wurde, gelang 1921 dem kanadischen Chirurgen Frederick Grant Banting (1891 bis 1941) und dem Studenten der Physiologie, Charles Herbert Best (1899 bis 1978), in den Laboren des Physiologen John MacLeod von der Universität Toronto. Um größere Mengen zu produzieren, wurde ein neues Extraktionsverfahren entwickelt und, um größtmögliche Reinheit zu gewähren, der Biochemiker James Bertrand Collip (1892 bis 1965) einbezogen.

Die erste Behandlung am Menschen fand im Januar 1922 bei einem dreizehnjährigen Jungen statt, der bereits in ein diabetisches Koma gefallen war und ohne Hilfe vor dem sicheren Tod stand. Dank der Insulingabe sank der Blutzuckerspiegel drastisch – das Kind wurde gerettet. Schon 1923 erhielten MacLeod und Banting für ihre Entdeckung den Nobelpreis für Medizin und Physiologie, den sie mit Best und Collip teilten.

Um eine Monopolisierung der industriellen Insulinherstellung zu verhindern, ließen sich Banting, Best und Collip ihre Gewinnungsmethode patentieren und vermachten dieses Patent der Universität von Toronto mit der Auflage, dass diese die Produktion standardisieren und überwachen soll. Noch 1923 begann die industrielle Herstellung.

Weiterentwicklung Die Kristallisation von Insulin gelang 1926 dem Biochemiker und Pharmakologen John Jacob Abel (1857 bis 1938) in Baltimore, die Aminosäuresequenz wurde 1954 vom britischen Biochemiker Frederick Sanger (geb. 1918) aufgeklärt, der dafür 1958 den Nobelpreis erhielt. Da die Wirkdauer von Insulin (Altinsulin) sehr kurz ist, wurden Präparate mit protrahierter Wirkung (Verzögerungsinsuline, Depotinsuline) entwickelt. Die mehrmals täglich notwendigen Injektionen konnten dadurch wesentlich reduziert, die Abgabe an den Körper physiologischer gestaltet werden.

Gentechnik Die therapeutisch verwendeten Schweine- und Rinderinsuline unterscheiden sich nur in einer bzw. drei Aminosäuren vom menschlichen. 1979 entwickelte der Biochemiker David Goeddel (geb. 1951) ein Verfahren zur gentechnischen Vollsynthese von Humaninsulin aus Escherichia-Coli-Bakterien. 1980 kamen die ersten Pumpen, 1985 die ersten Pens auf den Markt. Neben verschiedenen humanidentischen Insulinen werden heute auch Insulinanaloga, also schnell wirksame Insuline (Insulin lispro, Insulin aspart), lang wirksame Insuline (Insulin glargin, Insulin detemir) und Mischinsuline, welche den raschen Wirkeintritt eines schnell wirksamen Insulins oder Insulinanalogons mit der Langzeitwirkung anderer Insuline verbinden, gentechnologisch produziert. Deswegen gilt heute: Insulin ist nicht mehr gleich Insulin.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/11 auf Seite 20.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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