Sportverletzungen
HALS- UND BEINBRUCH!
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Sportunfälle ereignen sich nicht nur bei Leistungs- oder Extremsportlern. Vielmehr sind untrainierte Freizeitaktive und Sportanfänger gefährdet, da mangelnde Technik, ungewohnte Belastung und unzureichendes Leistungsvermögen das Risiko für Verletzungen erhöhen. Ebenso provozieren ungenügendes Aufwärmen und eine mangelhafte Sportausstattung beziehungsweise fehlende Schutzausrüstung diverse Blessuren.
Besonders verletzungsträchtig sind Ballsportarten. Bei den männlichen Sporttreibenden führt der Fußball die Statistik an, gefolgt von Unfällen beim Hand- und Volleyball. Dabei kommt es am häufigsten zu Verletzungen des Sprunggelenks, die sich meist als Verstauchungen manifestieren. Die Knie sind fast genauso oft lädiert, wobei vor allem ihre Bänder in Mitleidenschaft gezogen werden. Am Kopf sind schnell Platzwunden und Gehirnerschütterungen, aber auch Nasen- und Jochbeinbrüche zu verzeichnen.
Akut – chronisch Die häufigsten akuten Unfälle beim Sport betreffen den Muskelapparat. Dazu zählen stumpfe Verletzungen wie Prellungen, Muskelzerrungen und -faserrisse. Kaum seltener werden Bänder, Sehnen und Knochen beeinträchtigt, was sich als Verstauchung, Bänderdehnung, -riss oder Knochenfraktur äußert. Daneben sind chronische Sportschäden wie beispielsweise ein „Läuferknie“, eine „Schwimmerschulter“ oder ein „Tennisarm“ gefürchtet, bei denen es durch ständige Überlastung und Fehlbelastung zu schmerzhaften Beschwerden kommt.
ein Fall für die Selbstmedikation Sind die Gelenke extrem geschwollen, eine ausgedehnte Hämatombildung vorhanden oder dauern die Schmerzen unvermindert mehrere Tage lang an, ist ein Arztbesuch unumgänglich. Ebenso gehören Gefühl- und Funktionseinschränkungen, Blockaden sowie Instabilität eines Gelenkes in die Hand des Mediziners. Und auch Beschwerden, die zur Chronifizierung neigen (z. B. Muskelverhärtungen, Gelenkentzündungen) sollten ärztlich behandelt werden, damit sich daraus kein Sportschaden entwickelt.
Beim Sport sind auch offene Wunden keine Seltenheit. Um kleine Läsionen gleich am Unfallort selbst zu versorgen, können Sie Aktiven raten, immer ein kleines Notfallset mit einer Grundausstattung an Wundschnellverbänden, Kompressen, Mullbinden und einem Wunddesinfektionsmittel mit sich zu führen. Bei großflächigen, stark blutenden oder klaffenden Blessuren (> ein Zentimeter) sowie Platzwunden am Auge ist der Arzt gefragt. Sie müssen meist genäht oder geklammert werden oder erfordern gar weitere chirurgische Maßnahmen.
Sind tiefer liegende Gewebeschichten verletzt, können Nerven, Sehnen oder größere Gefäße mitbeschädigt sein, die medizinisch versorgt werden müssen. Auch tief eingedrungene Fremdkörper sollte man nicht selber entfernen, da erhöhte Infektionsgefahr besteht und unstillbare Blutungen die Folge sein können. Verletzungen im Kopfbereich und an der Wirbelsäule müssen grundsätzlich einem Arzt zur Begutachtung vorgestellt werden.
Häufige Schäden am Bewegungsapparat Prellungen (Kontusionen) machen sich mit Rötungen, Schwellungen, Blutergüssen (Hämatomen), Schmerzen und Bewegungseinschränkungen bemerkbar. Am häufigsten werden die Gelenke der Knie, Knöchel und Schulter geprellt. Sie entstehen häufig im Team- oder Kampfsport durch direkte stumpfe Gewalteinwirkung von außen (z. B. Tritt, Schlag oder Sturz), wodurch Muskelgewebe kurzzeitig auf den Knochen gepresst und Lymph- und Blutgefäße geschädigt werden. Bei starken Prellungen kann die Knochenhaut zerreißen.
Unter einer Muskelzerrung (Distension) wird die übermäßige Dehnung der Muskelfasern verstanden, was zu Mikroverletzungen der Faserstruktur führt. Schon eine ruckartige Bewegung kann ausreichen, eine Zerrung der Waden- und Oberschenkelmuskulatur auszulösen. Folge ist ein plötzlich einsetzender krampfartiger Schmerz, der den Betroffenen in seiner Bewegung für einige Tage einschränken kann.
Die Muskelzerrung kann sich zur einem -faserriss ausweiten, bei dem größere Anteile der Muskulatur bis hin zu ganzen Muskelfaserbündeln zerstört sind. Das Ausmaß der Muskelschädigung ist also größer, was der Betroffene am schlagartig einsetzenden stechenden Schmerz verspürt, der es ihm unmöglich macht, das betroffene Körperteil weiterhin zu belasten. Sichtbar wird der Muskelfaserriss durch eine Schwellung und einen Bluterguss. Mit den Fingern lässt sich im Muskelverlauf eine Unterbrechung ertasten.
Zu einer Verstauchung (Distorsion) kommt es durch Umknicken eines Gelenkes, sodass der normale physiologische Bewegungsradius eines Gelenks überschritten wird. Die daraus resultierende Überdehnung von Bändern und Sehnen geht mit Schmerzen, Schwellungen und Hämatomen einher. Neben dem Sprunggelenk des Fußes ist häufig das Knie betroffen. Auch ein Bänderriss ist möglich, der sich in der Regel mit einem kurzen stechenden Schmerz und einem schnalzenden Knallen bemerkbar macht.
Besonders gefährdet sind das äußere Band des Sprunggelenkes und die Kreuzbänder des Knies. Ein Bänderriss ist mit einem deutlichen Verlust der Belastbarkeit verbunden, da die Gelenke destabilisiert werden. Außerdem schwillt das Gelenk stark an und es bilden sich große Blutergüsse. Manchmal kommt es auch zu Kapselrissen, die besonders häufig am Knie und der Schulter zu beobachten sind. Auch Sehnen, welche die Muskeln mit den Knochen verbinden, können reißen, vor allem bei älteren Sportlern durch Überlastung (z. B. Achillessehne).
»Der verletzte Körperteil sollte nach Abklingen der Beschwerden erst langsam wieder belastet werden.«
Knochenfrakturen sind Folge eines ungeschickten Abfangens nach Stürzen. Beim Sport sind am häufigsten Brüche des Unterarms und des Schlüsselbeins zu beobachten. Sie verursachen starke Schmerzen, bilden Schwellungen und Hämatome. Offene Brüche, bei denen der Knochen die Haut durchstößt, gehen mit einer Infektionsgefahr einher. Ermüdungsbrüche, bei denen es zu Mikrorissen im Knochen kommt, werden durch eine ständige unphysiologische Be- oder Überlastung ausgelöst. Häufig ermüden der Mittelfußknochen und das Schienbein.
Bei den Kopfverletzungen dominieren Gehirnerschütterungen, die mit blasser Hautfarbe, Übelkeit und Erbrechen sowie Kreislaufstörungen einhergehen. Tritt Blut aus Mund, Nase oder Ohren, kann ein Schädelbasisbruch vorliegen, der unverzüglich in die Klinik gehört.
Pechvögel profitieren von PECH Das Schema (Pause, Eis, Compression, Hochlagern) beschreibt Verhaltensregeln für die Soforthilfe am Unfallort. Eine richtige und vor allem sofortige Behandlung stumpfer Traumen kann deren Dauer und Schwere günstig beeinflussen. Schmerzen können gelindert sowie Schwellungen und Entzündungsreaktionen reduziert werden. Im Einzelnen erfolgt die Akutversorgung folgendermaßen:
- Pause Die sportliche Aktivität muss nach dem Sportunfall sofort abgebrochen und das betroffene Köperteil ruhig gestellt werden.
- Eis Danach wird gekühlt. Kälte lindert vornehmlich den Schmerz. Zudem verengen sich die Blutgefäße, wodurch der Eintritt von Flüssigkeit ins Gewebe sowie Hämatombildung und damit auch Schwellungen minimiert werden. Die Kühlung erfolgt intervallmäßig und muss alle 20 bis 30 Minuten für drei bis fünf Minuten unterbrochen werden, um Durchblutungsstörungen zu verhindern. Zum Kühlen eignen sich besonders kaltes Wasser, Eisbrei (Wasser und Eis im Verhältnis 2:1) oder Kältekissen. Die Kühlquelle darf nicht direkt auf die Haut aufgebracht werden. Vielmehr ist sie zur Vermeidung von Erfrierungen in ein dünnes Tuch zu wickeln.
- Compression Das anschließende Umwickeln des betroffenen Gliedmaßes mit einer elastischen Binde verhindert ein starkes Anschwellen des verletzten Bereiches. Dabei sollte der Druckverband nicht zu straff gewickelt werden, um eine ausreichende Durchblutung zu gewährleisten. Gegebenenfalls muss der Verband bei zunehmender Schwellung des Körperteils nochmals gelockert werden.
- Hochlagern Nach dem Bandagieren wird das verletzte Körperteil ein bis zwei Tage möglichst hoch gelagert. Ein Hochlagern über Herzhöhe begünstigt den Rückfluss des venösen Blutes und der Lymphflüssigkeit in Richtung Herz, wodurch sich Schwellungen und Schmerzen vermindern lassen.
Bewährte Topika Nach erfolgter Erstversorgung können leichte stumpfe Verletzungen wie Verstauchungen, Prellungen und Zerrungen vom Verletzten eigenverantwortlich therapiert werden. In der Apotheke stehen rezeptfreie Mittel zur Verfügung, die Beschwerden wirksam lindern und eine schnelle Heilung ermöglichen. Häufig kommen topische Zubereitungen mit nicht-steroidalen Antiphlogistika beziehungsweise Antirheumatika (NSAR), Pflanzenextrakten oder homöopathischen Wirkstoffen gegen Schmerzen, Entzündungen und Schwellungen zum Einsatz. Bewährt haben sich in der Praxis zudem Salben mit Heparin, welche die Resorption von Blutergüssen im Gewebe beschleunigen. Als Gel werden sie aufgrund des zusätzlichen Kühleffektes geschätzt.
Schmieren statt schlucken Zubereitungen mit Diclofenac, Ibuprofen, Indometacin oder Ketoprofen stillen Schmerzen, hemmen die Entzündung und unterstützen die Rückbildung von Schwellungen. Lokal aufgetragen weisen sie gegenüber der systemischen Anwendung von NSAR zahlreiche Vorteile auf. Sie erreichen in Form von Cremes, Gelen oder Sprays mit ausgeklügelter Galenik (z. B. Mizellentechnologie, mehrphasige Emulsionsgele) gleiche oder gar höhere Gewebekonzentrationen als bei oraler Applikation des Wirkstoffes. Gleichzeitig sind die Plasmaspiegelkonzentrationen wesentlich niedriger, wodurch unerwünschte Wirkungen wie beispielsweise Beschwerden am Gastrointestinaltrakt seltener sind. Dabei ist die dermale Verträglichkeit topischer NSAR insgesamt gut.
Vor der eigentlichen sportlichen Aktivität sollte unbedingt eine Aufwärmphase eingeplant werden.
Richtig cremen In der Regel werden alle topischen Zubereitungen zwei bis drei Mal täglich auf das betreffende Areal aufgetragen, wobei ein Einmassieren das Eindringen der Wirkstoffe durch die Haut ins Zielgewebe unterstützt. Außerdem sollen die Präparate in ausreichender Menge (circa drei bis fünf Zentimeter langer Gel- oder Cremestrang) großflächig eingerieben werden, damit sich ein Depot in der Haut bildet, aus dem kontinuierlich Wirkstoff freigesetzt werden kann. Dabei dürfen die genannten Topika nicht auf offene Wunden aufgebracht werden. Gele oder Sprays haben zudem einen angenehmen Kühleffekt auf der Haut.
Eine Alternative sind Salbenverbände, bei denen die Wirkstoffpenetration durch Okklusionseffekt gefördert wird. Dafür werden häufig topische Zubereitungen mit Arnika- und Beinwellextrakten oder homöopathische Topika dick und großflächig auf das betroffene Areal aufgetragen, darüber eine angefeuchtete Kompresse oder eine Folie gelegt und abschließend mit einer Binde fixiert.
Wärme tut gut Etwa drei bis fünf Tage nach Abklingen der akuten Gewebereaktion können Präparate mit hyperämisierenden Wirkstoffen wie beispielsweise Nonivamid und Nicoboxil, Capsaicin sowie ätherischen Ölen aus Fichtennadeln, Latschenkiefer oder Rosmarin verwendet werden. Sie erwärmen das betreffende Hautareal und aktivieren so körpereigene Heilungsprozesse. Nicht geeignet sind sie als Akutmedikation nach dem Sportunfall, da Wärme die Entzündung fördert.
Verletzungsrisiko minimieren
Um Sportverletzungen vorzubeugen, können Sie Ihren Kunden einige Verhaltensregeln mit auf den Weg geben:
+ Anfänger und Wiedereinsteiger sollten vorsichtig mit dem Training starten, um allmählich ihre körperliche Fitness zu erlangen und zu steigern.
+ Regelmäßig trainieren.
+ Sorgfältige Aufwärmphase von etwa 15 Minuten einplanen. Ein „Warm up“ mit Lockerungsübungen und submaximalen Ausdauerbelastungen machen vor Spielbeginn die Muskeln, Sehnen und Bänder elastisch und sorgen für eine bessere Durchblutung und Versorgung der Muskulatur mit Sauerstoff.
+ Ein abschließendes „Cool down“ mit langsamen und gleichmäßigen Dehnungsübungen sollte nach dem Training nicht fehlen.
+ Mit richtiger Sportausrüstung (z. B. geeignete Schuhe, eine auf die Sportart abgestimmte Kleidung, Schutzkleidung) trainieren.
+ Korrekte Technik erlernen.
+ Erholungsphasen zwischen den Trainingstagen integrieren. Muskeln, Sehnen, Bänder und Knorpel benötigen trainingsfreie Tage, um sich an die gestellten Anforderungen anzupassen.
+ Nach einer Verletzung kurz pausieren und erst nach Abklingen der Beschwerden wieder langsam belasten.
Geschätzt werden Wärmecremes besonders bei Muskelverhärtungen, -verspannungen, -kater oder Zerrungen. Geeignet sind sie auch bei Beschwerden mit Tendenz zur Chronifizierung. Eine Alternative sind Wärmepflaster und warme Bäder mit durchblutungsfördernden Zusätzen zum Beispiel wie Kampfer, Salicylat und Rosmarinöl.
Entzündung mit Enzymen hemmenMit der Einnahme proteolytischer Enzyme soll der Heilungsprozess von Sportverletzungen beschleunigt werden. Aufgrund ihrer entzündungshemmenden und abschwellenden Wirkung verbessert sich der Blutfluss, sodass Gelenke und Muskeln besser mit Sauerstoff versorgt und die Selbstheilungskräfte des Körpers angeregt werden. Dadurch lassen die Schmerzen schneller nach. Für einige Enzyme wie Bromelain wird auch eine direkte analgetische Wirkung angenommen.
Um effektiv wirken zu können, sind Enzyme durch einen magensaftresistenten Überzug vor einer unerwünschten Zerstörung durch den Magensaft geschützt. Eine optimale Resorption wird durch eine Einnahme außerhalb der Mahlzeiten (30 bis 60 Minuten vor beziehungsweise 90 Minuten bis zwei Stunden nach dem Essen) gewährleistet. Wichtig ist zudem eine ausreichend hohe Dosierung gemäß den Herstellerangaben.
Für Stabilität und Mobilität sorgenSportärzte und Orthopäden setzen bei stumpfen Verletzungen auf funktionelle Verbände wie Tapeverbände. Sie stabilisieren das verletzte Gliedmaß und erlauben dabei zugleich eine gewisse Beweglichkeit. Damit erhält und schafft der Tapeverband eine Balance zwischen Stabilität und Mobilität. Er verhindert extreme Bewegungen und vermeidet zugleich ungünstige Schon- und Schutzhaltungen.
In akuten Verletzungssituationen reduzieren Tapeverbände Schwellung und Schmerz und unterstützen Regeneration und Ausheilung verletzter Körperregionen, da Entzündungssubstanzen schneller abtransportiert und Blutergüsse vereinfacht ausgeschwemmt werden. Außerdem werden Tapeverbände eingesetzt, um Überlastung und Sportunfällen vorzubeugen. Anzeigt sind Tapeverbände beispielsweise bei Verstauchungen, Prellungen, Kapseleinrissen, Überlastungserscheinungen oder Reizzuständen.
Kontraindiziert sind sie zum Beispiel bei Muskelrupturen, Knochenbrüchen oder vollständigen Kapselbandrupturen. Letztendlich sollte ein Arzt entscheiden, ob die Verletzung überhaupt für einen Tapeverband geeignet ist oder ob andere Behandlungsoptionen notwendig sind. Außerdem sollen die Verbände nur von entsprechend geschulten Personen angelegt werden.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/13 ab Seite 14.
Gode Meyer-Chlond, Apothekerin