Repetitorium
HALS-NASEN-OHREN-ERKRANKUNGEN – TEIL 1
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Das Gebiet der HNO-Heilkunde umfasst definitionsgemäß die Vorbeugung, Erkennung, konservative und operative Behandlung, Nachsorge und Rehabilitation von Erkrankungen, Verletzungen, Fehlbildungen, Formveränderungen und Tumoren des Ohrs, der Nase, der Nasennebenhöhlen, der Mundhöhle, des Pharynx und Larynx (Kehlkopf) und von Funktionsstörungen der Sinnesorgane dieser Regionen sowie von Stimm-, Sprach-, Sprech- und Hörstörungen.
Klein aber Oho! Anatomie und Physiologie des Ohrs sind äußerst komplex. Ein grober Überblick: Das Ohr (Auris) wird in drei Bereiche eingeteilt, bestehend aus Außen-, Mittel- und Innenohr. Es beherbergt zwei wichtige Sinnesorgane des Menschen: das Hör- und das Gleichgewichtsorgan. Äußeres Ohr und Mittelohr werden auch als Schallleitungsapparat bezeichnet, da sie die Schallwellen aus der Luft aufnehmen und an das Innenohr weiterleiten. Das menschliche Ohr kann dabei Schallwellen in einem Frequenzbereich von 16 bis 16000 Hertz wahrnehmen, was etwa acht Oktaven entspricht. Frequenzen, die darüber (Ultraschall) oder darunter (Infraschall) liegen, sind außerhalb des menschlichen Hörspektrums.
Am empfindlichsten ist das Hörorgan zwischen 1000 und 4000 Hertz – das entspricht in etwa dem Frequenzbereich, der für die menschliche Sprache besonders wichtig ist. Je jünger der Mensch, desto besser sein Hörvermögen; mit zunehmendem Alter wird die Geräuschwahrnehmung etwas eingeschränkt.
Das Innenohr liegt gut geschützt im knöchernen Schädel und erfüllt zwei Funktionen, lässt sich also in zwei funktionale Abschnitte unterteilen: Die Hörschnecke (Cochlea) enthält das eigentliche Hörorgan. Sie dient als Schallaufnahmeapparat (Schallempfindungsapparat), mit dessen Hilfe das Gehirn die ankommenden Schallwellen verarbeiten kann. Das im Innenohr gelegene Gleichgewichtsorgan (Vestibularapparat) kann Lage und Bewegung des Kopfs registrieren und so Veränderungen der Position feststellen.
Hör- und Gleichgewichtsorgan zusammen werden auch „Organum vestibulocochleare” (Vorhof-Schnecken-Organ) genannt. Diese Bezeichnung wird allerdings nicht der Funktion, sondern eher dem Aussehen des komplizierten, knöchernen Labyrinths, einem kleinen Hohlraumsystem im Felsenbein, Teil des Schläfenbeins, gerecht. Denn die drei miteinander verbundenen Röhren, die als Bogengänge bezeichnet werden, und das Gleichgewichtsorgan erinnern in ihrer Form an eine Schnecke, wobei das Gleichgewichtsorgan wie ein Schneckenhaus, die Bogengänge andeutungsweise wie ein Schneckenkopf erscheinen.
Das Außenohr umfasst die Ohrmuschel, die insbesondere aus elastischem Knorpel mit charakteristischem Faltenrelief besteht, das knorpelfreie Ohrläppchen, den äußeren Gehörgang, eine mit Haut ausgekleidete, durchschnittlich 3 bis 3,4 Zentimeter lange Röhre sowie die Außenseite des Trommelfells. Letzteres bildet die Grenze zwischen äußerem Gehörgang und einem Teil des Mittelohrs, der Paukenhöhle. Es besteht aus einer ovalne bis kreisförmigen Membran von etwa eiem Zentimeter Durchmesser und ist etwa 0,1 Milimeter dünn. Auf der Gehörgangsseite ist diese Membran mit Haut und auf der Seite der Paukenhöhle mit Schleimhaut überzogen.
Zum Mittelohr wird das Grenzgebiet Trommelfell, die Paukenhöhle mit den drei winzigen Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel sowie die Eustachische Röhre, auch Ohrtrompete genannt, gezählt. Die Gehörknöchelchen übertragen und verstärken die Schallwellen vom Trommelfell auf das Innenohr. Die Eustachische Röhre ist ein drei bis vier Zentimeter langer Kanal und verbindet Mittelohr und Nasen-Rachen-Raum. Sie belüftet die Paukenröhre und ist wichtig für den Druckausgleich.
Im Unterschied zum Außen- und Mittelohr, die beide Luft enthalten, ist das Innenohr mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt, der Periund Endolymphe. Diese sind wichtig für die Weiterleitung der Schallwellen, um Tonhöhenunterschiede wahrzunehmen und letztlich die Weiterverarbeitung der elektrischen Signale im Gehirn.
Cerumen (Ohrenschmalz), der durch Drüsen im Gehörgang des Ohrs gebildet wird, befeuchtet den Gehörgang und erhält den Säureschutzmantel der Haut. Es schützt zudem vor Infektionen und befördert Schmutz, Staub und abgestorbene Hautzellen in Richtung Ohrmuschel. Fettig gelblich- bräunlicher Schmalz im Bereich der Ohrmuschel kann ohne Bedenken selbst entfernt werden. Von Stochern mit einem Wattestäbchen im Ohreingangsbereich ist abzuraten, da der Cerumen weiter nach innen ins Ohr geschoben wird und Ohrverletzungen auftreten können.
Bildet sich ein verhärtender Ohrenschmalzpfropf im Gehörgang, der ein unangenehmes Druckgefühl erzeugt oder sogar das Gleichgewichtsempfinden beeinträchtigt, ist ein HNO-Arzt aufzusuchen, da dieser die nötigen Hilfsmittel und das Fachwissen besitzt, das zähe Sekret zu beseitigen – ohne Ohrschäden zu verursachen. In der Alternativmedizin werden gerne Ohrenkerzen eingesetzt und angezündet, die durch den Unterdruck das Hörorgan säubern sollen. Verbrennungen, Trommelfellschädigungen oder eindringendes Wachs sind leider häufig unangenehme Nebenwirkungen.
Ohrenerkrankungen Es existieren verschiedene, die jeweils für den betroffenen Ohrenteil spezifisch sind. Der Gang zum Hals-Nasen-Ohrenarzt oder bei Kindern, insbesondere Kleinkindern, auch zum Kinderarzt sollte immer geraten werden. Denn selbst einfache Ohrenentzündungen mit einhergehenden Schmerzen sind nicht immer harmlos. Inspektion, Palpation (Abtasten), Otoskopie (Ohrenspiegelung, also Betrachten des äußeren Gehörgangs bis zum Trommelfell mithilfe eines Otoskops), klassische und elektroakustische Hörprüfungen, Tubenfunktionsprüfungen, aber auch Bildgebende Untersuchungsverfahren (Röntgen, Computertomografie, Magnetresonanztomografie, Digitale Subtraktionsangiografie, Positronenemissionstomografie) sind dabei nur einige der anwendbaren Untersuchungsmethoden.
Ohrenschmerzen können sehr plötzlich auftreten, drückend oder stechend, einseitig oder beidseitig sein, aber auch nur beim Kauen auftreten. Da das Ohr Hör- und Gleichgewichtsorgan enthält, gehen Ohrenschmerzen oft mit einer Hörminderung und Schwindel einher. Letztlich sind Ohrenschmerzen aber ein Symptom, die Ursache dafür gilt es abzuklären und zu beseitigen.
Bei einer Otitis externa (Gehörgangsentzündung, Außenohrentzündung) ist die Haut im äußeren Gehörgang, also im Bereich von Ohrmuschel bis Trommelfell entzündet, was Juckreiz, heftige Ohrenschmerzen (auch Tragusschmerz, also Schmerz beim Druck auf den Knorpel am Eingang des Gehörgangs), oft auch eitrige oder blutige Absonderungen nach sich ziehen kann. Die Haut des Gehörgangs ist häufig gerötet, geschwollen (Hörminderung), trocken und schuppig oder feucht.
Meist ist eine Infektion mit Bakterien (meist Pseudomonas aeroginosa, Staphylokokken), Viren oder Pilzen Ursache. Mazeration der Gehörgangshaut durch Flüssigkeiten (Wasser beim häufigen Schwimmen oder Tauchen), kleine Verletzungen (Manipulieren im Gehörgang mit Wattestäbchen oder anderen Fremdkörpern wie Stiften), aber auch bestehende Allergien, das Tragen eines Hörgerätes oder ein Diabetes mellitus begünstigen eine Gehörgangsentzündung.
Auch ein Ohrfurunkel (Gehörgangsfurunkel, Haarbalgentzündung), also eine tief gehende, eitrige, einschmelzende Entzündung eines Haarbalges des äußeren Gehörgangs, kann Auslöser einer Gehörgangsentzündung sein.
Therapie: Gründliche Reinigung und Spülung des Gehörgangs sind Grundvoraussetzung. Anschließend werden je nach Ursache antibiotische (häufig: Ciprofloxacin), antimykotische und entzündungshemmende (Glukokortikoid-haltige) Ohrentropfen, seltener Salben lokal verabreicht. Manchmal wird auch ein mit Ohrentropfen oder (essigsaurem) Alkohol getränkter Mullstreifen in den äußeren Gehörgang eingelegt. Nur in schweren Fällen ist die systemische Gabe eines Antibiotikums erforderlich. Gegen die Ohrenschmerzen sollten zunächst zusätzlich auch Schmerzmittel wie Paracetamol oder Ibuprofen eingenommen werden. Kühlende und desinfizierende Umschläge sind unterstützend zu empfehlen.
Bei einer Otitis media acuta (akute Mittelohrentzündung) ist das Mittelohr von einer entsprechenden schmerzhaften Entzündung und womöglich Vereiterung der Schleimhäute betroffen. Ursache ist in der Regel eine virale oder häufig auch bakterielle (meist Streptokokkus pneumoniae, Moxarella catarrhalis, Haemophilus influenzae, seltener Streptokokkus mucosae, Staphylokokken) Infektion. Betroffen sind vor allem kleinere Kinder bis zum Vorschulalter; 80 bis 90 Prozent erkranken mindestens ein Mal, 20 bis 30 Prozent sogar mehr als sechs Mal an einer akuten Mittelohrentzündung. Die Besiedelung des Mittelohres erfolgt meist durch die Eustachische Röhre (Ohrtrompete) aus dem Nasen-Rachen- Raum.
Voraus geht häufig ein Luftwegsinfekt, etwa ein viraler Schnupfen oder eine Rachenentzündung, was dazu führt, dass die Ohrtrompete zuschwillt und der Druckausgleich zwischen Rachen- und Mittelohr behindert wird (Paukenbelüftungsstörung). Schon die Viren können die Schleimhäute der Tube und des Mittelohres entzünden (virale Mittelohrentzündung). Bakterien, die aufsteigen, können sich im Mittelohr zusätzlich ungehindert vermehren; angelockte Entzündungszellen bilden im Kampf gegen die Bakterien Eiter (eitrige Otitis media).
Oft schon nach wenigen Stunden setzen unvermittelt starke Ohrenschmerzen ein, da das Trommelfell nach außen in den Gehörgang gepresst wird. Wird die Entzündung nicht rechtzeitig behandelt, kann das Trommelfell platzen (Trommelfellruptur) und der Eiter über den Gehörgang abfließen. Bei einer bestehenden Trommelfellperforation können Erreger auch von außen, etwa durch Badewasser eingeschleppt werden. Neben den starken, stechenden Ohrenschmerzen sind Druckgefühl im Ohr, Hör-Verschlechterung, Ohrgeräusche (Tinnitus), manchmal auch Schwindelgefühle und Fieber Symptome einer Otitis media acuta.
Therapie: Mit schleimhautabschwellenden Nasensprays oder -tropfen (Wirkstoffe Xylometazolin, Oxymetazolin) zwecks Belüftungsverbesserung und Analgetika (insbesondere die Wirkstoffe Diclofenac, Ibuprofen, Paracetamol) heilt die Mehrzahl der Otitiden, aus – besonders bei frühzeitiger Diagnosestellung. Auch antientzündlich, abschwellend und das Immunsystem mobilisierend wirkende pflanzliche Mittel mit Echinacea purpurea (roter Sonnenhut), Sambucus nigra (schwarzer Holunder), Sanguinaria canadensis (kanadische Blutwurzel) und Chamomilla recutita (echte Kamille) sowie das Enzymgemisch Bromelain können empfohlen werden.
Heilt die Mittelohrentzündung nicht ab oder um Komplikationen beziehungsweise Folgeschäden zu vermeiden, wird vom Arzt ein Antibiotikum (Aminopenicillin mit oder ohne beta-Lactamase-Inhibitor, Cephalosporine, Makrolide, Chinolone) verordnet. Bei Therapieversagen muss die Antibiose womöglich nach Antibiogramm erfolgen. In Sonderfällen sowie bei Komplikationen (etwa einer Mastoiditis, also einer Entzündung des knöchernen Warzenfortsatzes des Schläfenbeins mit schmerzhafter Rötung und Schwellung der Haut hinter der Ohrmuschel; Meningitis, also Hirnhautentzündung; Hirnabszess; Gesichtsnervlähmung; Schwerhörigkeit; Tinnitus, also Ohrgeräuschen) sind manchmal kleine operative Eingriffe erforderlich.
Im zweiten Repetitoriumsteil steht die Nase mit ihren Erkrankungen im Vordergrund. Schwerpunkt bildet hier der auch in der Apotheke beratungsaktive Erkältungsbereich.
ZUSATZINFORMATIONEN
Wiederholte Mittelohrentzündungen können in eine chronische Mittelohrentzündung (Otitis media chronica) übergehen, weshalb eine adäquate Therapie und gründliche Verlaufskontrolle von großer Bedeutung ist. Meist treten chronische Mittelohrentzündungen eher bei Erwachsenen auf. Leitsymptom einer chronischen Mittelohrentzündung ist die dauerhafte Trommelfellperforation mit eitrigem Ausfluss. Unterschieden wird ansonsten zwischen der chronischen Schleimhauteiterung (Otitis media chronica mesotympanalis) und der chronischen Knocheneiterung (Otitis media chronica epitympanalis; Chelesteatom).
Ist bei ersterem die immer wiederkehrende oder dauerhafte Entzündung noch auf die Schleimhaut beschränkt, kommt es bei letzterem zu einer entzündlichen Knochendestruktion. Viele Betroffene haben anfangs relativ geringe Beschwerden, bemerken deshalb die chronische Mittelohrentzündung gar nicht. Dabei können Sekretfluss aus dem Ohr (übelriechend), Hörminderung bis hin zu Schwerhörigkeit, Schwindel oder Ohrgeräusche (Tinnitus) erste Anzeichen sein. Lebensbedrohliche Komplikationen wie eine Meningitis (Hirnhautentzündung), eine Gehirnentzündung (Enzephalitis) oder ein Hirnabszess sind möglich.
Therapie: Die ursächliche Behandlung ist in der Regel nur chirurgisch mittels geeigneter Mittelohr-Operation möglich. Antibiotikagabe (oral, intravenös oder lokal via Ohrentropfen) ist begleitend in manchen Fällen sinnvoll.
Ein ganz eigenes großes Gebiet ist der Tinnitus aurium (lat. = das Klingeln im Ohr; Ohrgeräusche). Betroffene nehmen Geräusche (Klingeln, Pfeifen, Brummen, Summen etc.) wahr, die keine äußere, für andere wahrnehmbare Quelle besitzen (Phantomgeräusche). Ein akuter Tinnitus tritt dabei häufig im Zusammenhang mit anderen Ohrenerkrankungen auf, weshalb eine gründliche Abklärung möglicher Ursachen durch den HNO-Arzt unabdingbar ist. Bei einem idiopathischen Tinnitus sind keine körperlichen Erkrankungen als Auslöser nachzuweisen. Hält der Tinnitus länger als drei Monate bis zu einem Jahr an, wird von einem subakuten Tinnitus, bei Überschreiten der Jahrgrenze von chronischem Tinnitus gesprochen. Das Symptom oder Syndrom Tinnitus selbst ist zwar an sich nicht gefährlich, dennoch kann der Leidensdruck, der Belastungsgrad für die Betroffenen immens sein.
Therapie: An erster Stelle steht die Behandlung der womöglich als Auslöser fungierenden Ohrenerkrankung. Entzündungshemmende und durchblutungsfördernde Wirkstoffe in Form von Infusionen oder Tabletten helfen im Akutstadium bei statistisch gesehen etwa 70 Prozent. Die Erfolgsaussichten sind umso besser, je früher die Behandlung beginnt. Eventuell kommt auch eine hyperbare Sauerstofftherapie in Frage. Da die seelische Verfassung, die Psyche eine nicht unerhebliche Rolle spielt, sind Entspannungstechniken (Yoga, Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen, Meditation, Qigong, Tai Chi etc.) sinnvoll. Im langfristigen Umgang mit Tinnitus haben sich akustische Stimulation (etwa Tinitus-Masker, Tinnitus-Noiser, aber auch Musiktherapie) und kognitive Verhaltenstherapie, beispielsweise gebündelt in einer speziellen Tinnitus-Retraining-Therapie als hilfreich erwiesen.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 01/13 ab Seite 34.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin