Kleinkind in Badeschaum © ManEtli / fotolia.com
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Kopfläuse

HAARIGE ZEITEN

Früher oder später trifft es fast jedes Kind. Vor allem beim ersten Mal ist die Verunsicherung der Eltern groß – unterstützen Sie sie mit kompetenter Beratung und praktischen Tipps!

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Diese Insekten leben auf Kinderköpfen: zwei bis drei Millimeter lang, grau-bräunlicher flacher Körper, Saug-Stech-Rüssel, drei Beinpaare mit klauenartigen Fortsätzen zum Festhalten an den Haaren. Ihre einzige Nahrung: menschliches Blut. Weil sie davon mehrere Mahlzeiten täglich brauchen, stechen die flügellosen Gliederfüßler mit ihrem Rüssel immer wieder in die Kopfhaut, um zu saugen.

Geschickt krabbeln sie dazu durch die Haare. Befinden sich zwei Köpfe eng genug nebeneinander, klettern sie auch problemlos von einem zum anderen. Die Kopflaus, Pediculus huamanis capitis, ist der Erreger der häufigsten parasitären Erkrankung in Europa.

Kopfläuse sind perfekt an ihren Lebensraum auf dem Kopf angepasst. Jeden Tag legt ein befruchtetes Weibchen mehrere Eier und befestigt sie mit einem Klebesekret an den Haaren. Und zwar ganz in der Nähe der Kopfhaut, weil hier Temperatur und Luftfeuchtigkeit für den Nachwuchs optimal sind.

Nach sieben bis zehn Tagen schlüpfen die Larven – sie sehen bereits aus wie Läuse in Miniatur. Drei Häutungen und weitere neun bis elf Tage später ist die nächste Generation Läuse erwachsen und geschlechtsreif – und der Kreislauf beginnt von vorn. Freiwillig verlassen Läuse ihren Kopf-Lebensraum nicht. Tun sie es doch, weil sie etwa in einer Mütze hängen bleiben, gehen sie innerhalb von zwei bis drei Tagen zugrunde.

WICHTIG ZU WISSEN
Läuse haben nichts mit mangelnder Hygiene zu tun, denn sie leben ausschließlich von Blut und nicht von Dreck oder Hautschuppen. Auch Einkommen und Bildungsabschluss der Eltern ist unerheblich – danach fragen die Läuse nicht, wenn sie von einem Kinderkopf zum anderen krabbeln. Niemandem muss es also peinlich sein, wenn er Läuse hat. Weder den Eltern noch dem Kind.

Dies sind die wichtigsten Fakten über das Leben der Läuse. Wer diese grundlegenden Informationen über ihre Ernährung, Vermehrung und Übertragung verinnerlicht hat, ist gut gerüstet, um Eltern kompetent zu beraten. Denn von ihnen leitet sich ab, welche Maßnahmen sinnvoll und wichtig sind – und auf welche man getrost verzichten kann.

Läusealarm! Ob als Aushang im Kindergarten, als kopierter Zettel der Lehrerin oder als Rundmail des Horts: „Läusealarm“ kennen alle Eltern von Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter. Diese Information bedeutet: Bei einem Kind der Gruppe wurde eine Infestation mit Kopfläusen festgestellt. Alle Eltern sind nun aufgefordert, bei ihrem Kind nachzuschauen, ob es ebenfalls betroffen ist.

Die Wahrscheinlichkeit ist durchaus gegeben: Bei einer Befragung von Grundschulkindern in Düsseldorf gaben 85 Prozent an, schon mindestens einmal Läuse gehabt zu haben. Die gute Nachricht: Läuse sind harmlos, denn sie übertragen keine Krankheiten wie beispielsweise Zecken. Doch natürlich will man sie so schnell wie möglich wieder loswerden.

Diagnose: Läuse erkennen Nun fangen die Probleme für die Eltern an: Wie sehen Läuse eigentlich genau aus und wie ihre Eier, die Nissen? Gerade beim ersten Befall, aber auch später sind viele Eltern unsicher. Empfehlen Sie hier zum Beispiel die Website der Deutschen Pediculosis Gesellschaft (www.pediculosis.de). Sie bietet mit zahlreichen Fotos einen ausgezeichneten Überblick darüber, wie Läuse in ihren unterschiedlichen Entwicklungsstadien aussehen.

Solchermaßen informiert haben die Eltern nun prinzipiell zwei Möglichkeiten nach den Parasiten zu suchen: Sie können die trockenen Haare durchschauen, das geht am schnellsten. Allerdings sind erwachsene Läuse flink und lichtscheu. Zudem kann man Läuseeier leicht übersehen, besonders wenn der Befall noch frisch ist und erst wenige Eier gelegt wurden.

NISSEN
Streng genommen bezeichnet man nur die Chitinhüllen der Läuseeier als Nissen. Umgangssprachlich werden aber oft auch die Eier selbst so genannt. Läuseweibchen kleben ihre Eier ganz in die Nähe der Kopfhaut an die Haare. Wenn die Eier frisch und die Larven noch nicht geschlüpft sind, haben sie eine eher bräunliche Farbe. Nach dem Schlüpfen bleiben die weißen Eihüllen übrig, weil der Kleber äußerst haltbar ist, manchmal über Wochen oder sogar Monate.

Dunkle Eier, die weniger als ein Zentimeter von der Kopfhaut entfernt sind, weisen also auf einen aktuellen Läusebefall hin, der behandelt werden muss. Helle Eihüllen, die mehr als einen Zentimeter von der Kopfhaut entfernt sind (weil die Haare gewachsen sind), zeigen einen zurückliegenden Läusebefall an. Von ihnen geht keine Gefahr mehr aus. Der Unterschied zwischen Nissen und Schuppen: Nissen kleben am Haar fest, Schuppen nicht.

Die zuständigen Stellen in Deutschland, das Robert Koch-Institut (RKI) und die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (BZgA), empfehlen daher das „nasse Auskämmen“. Das dauert zwar länger, ist aber sicherer. Findet man dabei Eier, die weniger als einen Zentimeter von der Kopfhaut entfernt am Haar kleben, oder Läuse, so zeigt dies einen behandlungsbedürftigen Läusebefall an.

Was tun? Wurde eine Infestation festgestellt, so ist eine umgehende Behandlung erforderlich – also noch am selben Tag. RKI und BZgA empfehlen dazu eine Kombination aus einer Behandlung mit einer pedikuloziden (=Läuse-tötenden) Substanz und nassem Auskämmen. Dabei ist streng nach dem vorgegebenen Zeitschema vorzugehen, das auf den Vermehrungszyklus der Läuse abgestimmt ist.

Auch wenn es in den Beipackzetteln der Läusemittel anders angegeben ist, muss nach diesem Schema an Tag 8, 9 oder 10 unbedingt eine Wiederholungsbehandlung erfolgen, da die Mittel zwar gut gegen erwachsene Läuse, aber nur eingeschränkt gegen Läuseeier wirken.

Kombinationsbehandlung (von RKI und BZgA empfohlen):

  • Tag 1: mit einer pedikuloziden Substanz behandeln und anschließend nass auskämmen
  • Tag 5: nass auskämmen, um früh nachgeschlüpfte Larven zu entfernen, bevor sie mobil sind
  • Tag 8, 9 oder 10: erneut mit der pedikuloziden Substanz behandeln, um spät ausgeschlüpfte Larven abzutöten
  • Tag 13: Kontrolluntersuchung durch nasses Auskämmen
  • Tag 17: eventuell letzte Kontrolle durch nasses Auskämmen.

Die verschiedenen Läusemittel Pedikulozide lassen sich prinzipiell in zwei Klassen einteilen: Zum einen in Arzneimittel mit den Wirkstoffen Pyrethrum, Permethrin und Allethrin. Diese basieren chemisch auf dem Chrysanthemengift Pyrethrum, gehören somit zu den Pyrethroiden und wirken als Nervengift für die Läuse. Die zweite Klasse bilden Medizinprodukte, die Dimeticon (ein dünnflüssiges Silikonöl) oder Mineralöl enthalten. Ihr Wirkmechanismus ist rein physikalisch: Sie verschließen die Atemöffnungen der Läuse und Nissen. Nebenwirkungen sind selten, in Einzelfällen können allergische Reaktionen oder Reizungen auftreten.

Jeweils drei Produkte aus beiden Klassen sind in der Entwesungsliste des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit aufgeführt und damit offiziell empfohlen. Für darüberhinaus erhältliche Läusemittel liegen aus Sicht des öffentlichen Gesundheitsdienstes keine ausreichenden Daten vor, die ihre Wirksamkeit belegen. Welche Sorte von Läusemitteln Ihre Kunden bevorzugen, ergibt sich meist im Beratungsgespräch. Weisen Sie darauf hin, dass es essenziell ist, sich genau an die Angaben des Herstellers zu halten.

»Wichtig zu wissen: Einige Läusemittel sind leicht entflammbar. Hier ist also äußerste Vorsicht geboten.«

Mögliche Fehler, die einen Behandlungserfolg gefährden können, umfassen: zu kurze Einwirkzeit, ungleichmäßige Verteilung im Haar und zu geringe Dosierung. Letzteres kann beispielsweise passieren, wenn das Mittel zu sparsam angewendet wird oder das Haar bei der Anwendung triefnass ist und das Mittel dadurch verdünnt wird. In Bezug auf die Pyrethroide werden zudem immer wieder Resistenzen bei Läusen diskutiert. Diese Debatte beruht auf Studien, die in einigen europäischen Ländern und darüberhinaus durchgeführt wurden.

Mangels deutscher Untersuchungen existieren aber keine Informationen darüber, ob und wie viele Läuse hier zu Lande resistent sind. Wichtig zu wissen: Einige Läusemittel sind leicht entflammbar. Hier ist also äußerste Vorsicht beispielsweise mit Kerzen, Zigaretten oder heißen Föhns geboten. Apropos Föhn: Die heiße Luft kann Läusen nichts anhaben. Auch die Temperaturen, die in Saunen erreicht werden, reichen nicht aus, um Läuse abzutöten. Solche Aktionen bringen also nichts.

Weitere Maßnahmen Ebenfalls noch am Tag der Entdeckung der Läuse sind unbedingt auch alle Familienmitglieder – inklusive der Eltern – zu untersuchen und gegebenenfalls zu behandeln. Laut RKI kann eine prophylaktische Mitbehandlung unabhängig von einem Befall in Erwägung gezogen werden. Ausgedehnte Putzorgien sind dagegen nicht nötig, da Läuse den Kopf nicht freiwillig verlassen. Es wimmelt also keinesfalls im Kinderzimmer oder gar der ganzen Wohnung vor Läusen!

Mit anderen Worten: Nur Gegenstände und Wäsche, die direkt mit den Haaren in Berührung gekommen sind, bedürfen der Reinigung. Also in aller Regel Leibwäsche inklusive Jacke, Schals/Halstüchern und Kopfbedeckung, Bettwäsche, Schlafanzug, Handtücher, Kämme, Bürsten, Haargummis/- spangen und Kuscheltiere.

Für die Praxis bedeutet das: Was waschbar ist, wird gewaschen. Alles andere räumt man in Plastiktüten verpackt für drei Tage beiseite. Danach sind alle Läuse, die sich eventuell darauf befunden haben, verhungert und/ oder vertrocknet. Von Läuseeiern, die vielleicht mit einem Haar ausgefallen sind, geht keine Gefahr aus. Ihnen fehlt ohne die Nähe zur Kopfhaut die nötige Wärme, um sich zu entwickeln.

Kämme und Bürste werden mit heißer Seifenlösung gewaschen, optimalerweise bekommt jedes Familienmitglied sein eigenes Exemplar. Der Einsatz von Insektiziden in der Wohnung ist unnötig, kostet Energie, Zeit und Geld – und ist möglicherweise gesundheitsschädigend, warnen RKI und BZgA. Haustiere übertragen keine Läuse.

Information des Umfeldes Läuse sind Gruppensache. Wenn Eltern bei ihrem Kind Läuse oder Nissen entdecken, können sie davon ausgehen, dass auch andere Kinder im Freundeskreis, Kindergarten, Schule etc. betroffen sind. Raten Sie deshalb Ihren Kunden unbedingt – ebenfalls noch am gleichen Tag – das Umfeld zu informieren. Das Infektionsschutzgesetz verpflichtet Eltern zudem, Betreuungseinrichtungen wie Kindergarten oder Hort sowie die Schule von dem Läusebefall zu unterrichten.

„NASSES AUSKÄMMEN“
Die Methode der Wahl, um einen Läusebefall festzustellen: Dazu werden die Haare gewaschen und danach großzügig Pflegespülung hinein gegeben. Darin können sich die Läuse nicht mehr bewegen. Nun werden die Haare Strähne für Strähne mit einem Läusekamm (Zinkenabstand: nicht mehr als 0,2 Millimeter) bei guter Beleuchtung konsequent ausgekämmt und der Kamm jedes Mal auf einem Küchenpapier ausgestrichen. Ausgewachsene Läuse sind darauf mit dem bloßen Auge gut zu erkennen. Gerade geschlüpfte Larven sind dagegen so klein, dass dies schwierig sein kann – hier hilft eine Lupe. Nissen lassen sich mit einem Läusekamm oft nicht auskämmen. Trotzdem muss man beim Kämmen natürlich auch nach ihnen Ausschau halten. Für das nasse Auskämmen braucht man Zeit: mindestens 30 Minuten, bei langen, dichten Haaren auch länger.

Deren Aufgabe wiederum ist es, die jeweilige Gruppe/Klasse zu informieren – Stichwort „Läusealarm“. Schule und Betreuungseinrichtungen müssen außerdem den Läusebefall dem Gesundheitsamt melden.

Die Rolle des Arztes Aus medizinischer Sicht ist bei einem „ganz normalen“ Kopflausbefall ein Arztbesuch nicht nötig. Sollte sich das Kind allerdings bei starkem Juckreiz (ausgelöst durch den Speichel der Läuse) aufkratzen, so können sich diese Wunden entzünden. Auch bei Säuglingen und Kleinkindern sowie während der Schwangerschaft und Stillzeit sollte ein Arzt konsultiert werden, ob und welche Läusemittel angewendet werden können. Dies gilt auch für Betroffene, die an einer Chrysanthemenallergie oder dem seltenen MCS-Syndrom (multiple Chemikalienunverträglichkeit) leiden. Zudem kann der (Kinder-) Arzt die Läusemittel für Kinder bis zu zwölf Jahren verschreiben – dann übernehmen die Krankenkassen die Kosten.

Wann wieder in die Schule? Laut RKI ist nach der sachgerechten Behandlung am ersten Tag eine Weiterverbreitung nicht mehr zu befürchten. Deshalb steht einem Besuch der Schule bzw. des Kindergartens/der Betreuungseinrichtung ab dem Folgetag nichts entgegen. Voraussetzung ist, dass alle weiteren Behandlungen konsequent durchgeführt werden. Ein ärztliches Attest ist für die Wiederzulassung in der Regel nicht erforderlich, sondern es reicht die Bestätigung der Eltern, dass sie ihr Kind behandelt haben. Abweichende Regelungen sind möglich.

Prävention Einen effektiven Schutz vor Läusen gibt es nicht. Der mit Abstand wichtigste Übertragungsweg ist die Übertragung direkt von Kopf zu Kopf! Darüberhinaus können Läuse beispielsweise in Mützen, Kappen oder Fahrradhelmen hängen bleiben. Zieht ein anderes Kind diese kurze Zeit später auf, ist eine gelegentliche Übertragung möglich. Kopfbedeckungen sollten also möglichst nicht wechselseitig getragen und auch das gemeinsame Benutzen von Haarbürsten oder –gummis sollte vermieden werden.

Eine Wirksamkeit von Mitteln, die Läusen vorbeugen oder sie abschrecken sollen, ist laut Deutscher Pediculosis Gesellschaft wissenschaftlich nicht belegt. Das Risiko einer Ansteckung wird sich gerade in der Schule und in Betreuungseinrichtungen, in denen Kinder miteinander spielen und die Köpfe zusammenstecken, nie ausschließen lassen. Aufklärung, offene Kommunikation und regelmäßige Kontrolluntersuchungen, um einen Befall möglichst frühzeitig zu entdecken, stellen die beste Prävention dar.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/14 ab Seite 58.

Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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