Wirkstoffe – historisch beleuchtet
H WIE HEPARINE
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Dem Medizinstudenten Jay McLean von der Johns Hopkins Universität in Baltimore gelang es 1916 per Zufall, im Labor seines Doktorvaters William H. Howell einen körpereigenen, gerinnungshemmenden Stoff aus einer Hundeleber zu isolieren – Heparin. Anfänglich wurden schwere Nebenwirkungen beobachtet. 1928 hatte Howell die Forschung so weit vorangetrieben, dass es in ge reinigter Form vorlag und von da an als Mittel der Wahl für Bluttrans fusionen oder bei -reinigungen eingesetzt werden konnte.
Die Gewinnung aus der Hundeleber war sehr schwierig und teuer. Auch hielt man Heparin zunächst für ein Phospholipid. Erst 1935 identifizierte es Johan E. Jorpes (1894 bis 1973) vom Karolinska Institut als hochsulfatiertes Glycosaminoglycan. Zwischen 1933 und 1936 wurde in den Connaught Medical Research Laboratorien, unterstützt von der Universität Toronto, unter Dr. Charles H. Best (1899 bis 1978) und seinem Team die Herstellungstechnik für ein preisgünstigeres Heparin perfektioniert. Dieses wurde auch aus Organen anderer Tiere (Rind, Schaf) gewonnen. Best öffnete damit die Tür für Organtransplantationen, Operationen am offenen Herzen sowie für die Hämodialyse. Eine schwedische Firma brachte 1936 das erste Heparin für die intravenöse Anwendung auf den Markt.
Weiterentwicklung Nach dem zweiten Weltkrieg definierte die Weltgesundheitsorganisation einen Internationalen Standard für Heparin. Aber erst 1967 wurde der Wirkstoff erstmalig wirklich standardisiert eingesetzt: als Fertigspritze mit einer konzentrierten, auf eine bestimmte Aktivität eingestellte Heparinlösung. 1973 konnten Robert D. Rosenberg und Paul S. Damus den Wirkmechanismus aufklären.
Einen Meilenstein setzte Dr. Jean Choay (1923 bis 1993), dem es 1983 in einer 75-stufigen Synthese gelang, die für die Antithrombinbindung verantwortliche Pentasaccharidsequenz zu synthetisieren. Um Nebenwirkungen weiter zu reduzieren und die Anwendbarkeit zu verbessern, wurden mittlerweile niedermolekulare Heparine (NMH) entwickelt. Diese werden durch chemische oder enzymatische Degradation aus unfraktioniertem Heparin (UFH) gewonnen. Ausgangsprodukt ist für in Europa zugelassene Heparine Schweinedarmmukosa.
Aktuell stehen in Deutschland sechs NMH zur Verfügung: Nadroparin, Enoxaparin und Tinzaparin bei tiefer Beinvenenthrombose; Dalteparin, Enoxaparin, Nadroparin und Tinzaparin für die Hämodialyse und Hämofiltration, Enoxaparin auch beim akuten Koronarsyndrom. Weiterhin existiert Certoparin. Bemiparin gilt sogar als das erste NMH der zweiten Generation. Seit 1986 werden Heparine in niedriger Dosierung auch als Mittel der Wahl zur Prophylaxe venöser thromboembolischer Ereignisse (VTE) angesehen.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/11 auf Seite 20.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin