PKA-Fortbildung 03-04/11

GOOD MANUFACTURING PRACTICE

Qualitätssicherung spielt heutzutage eine wichtige Rolle– GMP dabei primär in der Pharmaindustrie, ansatzweise auch in der Apotheke. Erfahren Sie hier das „kleine 1 x 1“ der „Guten Manieren beim Produzieren“.

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Im Rahmen der geplanten Novelle der Apothekenbetriebsordnung des Bundesgesundheitsministeriums, die im Laufe des Jahres 2011 in Kraft tritt, sickerte bisher durch, dass nicht nur ein Qualitätsmanagementsystem für jede Apotheke Pflicht werden soll, sondern auch die Herstellung sich stärker an die Regeln der Guten Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice, GMP) anzupassen hat.

Dabei handelt es sich um Richtlinien zur Qualitätssicherung der Produktionsabläufe und -umgebung in der Produktion von Arzneimitteln und Wirkstoffen; GMP gibt es aber auch für Lebens- und Futtermittel. Im Arzneimittelsektor nehmen die GMP-Anforderungen mittlerweile als internationaler Qualitätsstandard in der industriellen Fertigarzneimittelproduktion, also bei der Großherstellung der Pharmaindustrie, die dominierende Rolle ein. Grund: Arzneimittel-Qualitätsabweichungen können direkt Auswirkungen auf die Gesundheit der Anwender haben (Verbraucherschutz).

Wie wichtig GMP ist, zeigen jüngst erst die Beispiele von Neugeborenen-Todesfällen in der Mainzer-Kinderklinik, bei denen Haarrisse der Primärverpackung, also der angelieferten Infusionslösung, für die fatalen Folgen verantwortlich gemacht werden konnten oder – außerhalb des AM-Sektors im Tierfutterbereich – der aktuelle Dioxin-Futtermittelskandal.

Am Anfang stand die WHO Grundstein der heute geltenden Vorschriften sind die 1968 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verabschiedeten „Grundregeln für die Herstellung und Qualitätskontrolle von Arzneimitteln“ (WHO-GMP). Auf dieser Basis entwickelten sich die gesamten GMP-Regelwerke weiter. Die amerikanische Variante cGMP steht für „current Good Manufacturing Practice“ (current = aktuell), was deutlich macht, dass in Amerika die Richtlinien alljährlich von der für die Richtlinien zuständigen Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) aktualisiert werden, während sie in der Europäischen Gemeinschaft ausschließlich nach Bedarf angepasst werden.

Richtlinien, Leitfäden, Leitlinien & Co Das heutige EUGMP-Regelwerk besteht aus zwei Teilen, der rechtsverbindlichen Richtlinie (Grundsätze und Leitlinien) sowie dem nicht rechtsverbindlichen, aber dringend empfohlenen Leitfaden. Dies ist der EU-GMP-Leitfaden für Human- und Tierarzneimittel, der die Richtlinie 2003/94/EG zur Festlegung der Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis für Humanarzneimittel und für zur Anwendung beim Menschen bestimmte Prüfpräparate sowie die Richtlinie 1991/412/EWG zur Festlegung der Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis für Tierarzneimittel konkretisiert.

Kerndokument dieses EU-GMP-Leitfadens sind die zu beachtenden Anforderungen bei jeder erlaubnispflichtigen Arzneimittel-Herstellung – unabhängig von der Art der hergestellten Produkte. Dieses Kerndokument gliedert sich in die Punkte Qualitätsmanagement, Personal, Räume und Einrichtungen, Dokumentation, Herstellung, Prüfung, Herstellung und Prüfung im Auftrag, Beschwerden und Produktrückrufe, Selbstinspektion. Es wird durch GMP-Annexe zu speziellen GMP-Aspekten, wie bestimmten Arzneimittelgruppen (Beispiele: sterile Arzneimittel, Radiopharmaka, pflanzliche Medikamente, Blutprodukte), Darreichungsformen (Beispiele: Dosieraerosole, Liquida, Salben) oder wichtigen GMP-Maßnahmen (Beispiele: Probenahme, Qualifizierung/ Validierung, Computergestützte Systeme, Bestrahlung von Arzneimitteln) ergänzt.

Wesentliche GMP-Forderungen GMP fordert, dass Arzneimittel unter Bedingungen hergestellt werden, die einwandfreie Identität, Reinheit sowie den erforderlichen Gehalt sicherstellen – und das reproduzierbar. Grundlage ist äußerste Sorgfalt bei allen Herstellungs-, Produktionsschritten durch ein gut ausgebildetes, qualitäts- und verantwortungsbewusstes Personal.

Insbesondere für Personal in Schlüsselpositionen werden Mindestanforderungen bezüglich der Ausbildung festgelegt. Die Räumlichkeiten müssen geeignet sein und eine getrennte Herstellung, Bearbeitung, Verpackung, Etikettierung und Arzneimittel-Prüfung erlauben. Verwechslungen sind durch räumliche Trennung verschiedener Produktions- und Verpackungsvorgänge sowie eindeutige Kennzeichnung des Inhalts aller in den verschiedenen Produktionsstufen benutzten Behältnisse und Maschinen auszuschließen. Verunreinigungen müssen durch einwandfreie Produktionshygiene vermieden werden. Regelmäßige Reinigung der Arbeitsräume und -geräte sowie regelmäßige Gesundheitskontrollen des Personals sichern dies. Die mikrobielle Reinheit und die hohe Qualität aller verwendeten Materialien spielen eine entscheidende Rolle.

Qualität „hineinprüfen“ funktioniert nicht Das Erkenntnis hinter allen GMP-Regelungen ist: Qualität und Sicherheit kann nicht in ein Arzneimittel oder in Ausgangsstoffe hineingeprüft werden. Es ist bei der Herstellung der Ausgangsstoffe zu gewährleisten und auf dem Weg zur Produktion des Arzneimittels zu erhalten. Das bedeutet: Schon die Wirkstoff- und sogar die Hilfsstoffhersteller sind gesetzlich aufgefordert, die GMP-Grundsätze bereits bei der Herstellung ihrer Stoffe zu beachten. Und durch zahlreiche Qualitätskontrollen schon beim Wirkstoff- und Hilfsstoffhersteller, aber auch dem Weiterverarbeiter in der Industrie oder Apotheke ist dies zu überprüfen.

Da im globalisierten Zeitalter zahlreiche Ausgangsstoffe, die in Europa bei der Herstellung von Arzneimitteln verarbeitet werden, inzwischen aus Asien stammen, ist vor der Weiterverarbeitung auf eine detaillierte Beschreibung des Herstellungsverfahrens der Substanz, eine lückenlose Dokumentation des Vertriebswegs, durchgeführte In-Prozess und Endkontrollen, Validierung (genaue Dokumentation und Beweisführung) kritischer Herstellungsschritte, durchgeführte Stress-Stabilitätstests sowie das mögliche Verunreinigungsprofil zu achten.

In den GMP-Richtlinien, Leitlinien, Leitfäden werden nicht nur die Probleme des gewissenhaften Arbeitens und der lückenlosen Dokumentation auf allen Stufen der Produktion und Qualitätskontrolle geregelt, sondern sehr wesentlich auch die organisatorischen Probleme dargestellt. Es werden die Maßnahmen zur Qualitätssicherung vor, während und nach der Herstellung aufgezeigt. Durch die Dokumentation aller Herstellungsschritte und aller Qualitätskontrollen müssen Fehler oder Reklamationen nachträglich aufklärbar sein.

Um Übertragungs- oder Rechenfehler, beispielsweise bei der Einwaage auszuschalten, gilt es, Originalbelege und Ausdrucke in der Dokumentation abzuheften. Qualität ist somit durch laufende Kontrollen in allen Stufen der Herstellung vom Wirkstoff über die Hilfsstoffe bis zum fertigen Arzneimittel und dabei einwandfreie Dokumentation zu sichern. Böse Zungen behaupten deshalb: GMP bedeute primär eine „ganze Menge Papier“.

Für Apotheken: GMP mit „Augenmaß“ Bisher wurde der GMP-Standard nur für die industrielle Arzneimittelproduktion verbindlich gemacht. Insbesondere in Krankenhaus-Apotheken oder Krankenhäuser beliefernden Apotheken, die in größeren Mengen auch Arzneimittel produzieren, patientenindividuell sterile Rezepturen sowie Zytostatika herstellen, greifen aktuell unter anderem die Leitlinie der Bundesapothekerkammer zur „Aseptischen Herstellung und Prüfung applikationsfertiger Parenteralia mit toxischem Potential“ (BAK-Leitlinie) mit dazugehörigem Kommentar sowie die Qualitätsstandards für den pharmazeutisch-onkologischen Service (QuapoS). In der Normalapotheke spielt im Teilbereich der Rezeptur und Defektur in Folge des Qualitätsmanagementsystems (QMS) womöglich bald eine abgespeckte GMP-Variante eine Rolle.

Erfahrungen aus Untersuchungen zur Qualität von Rezepturarzneimitteln des unter GMP-Bedingungen arbeitenden Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker (ZL), das als von der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG) akkreditiertes Prüflabor seit mittlerweile etwa vierzig Jahren die unabhängige Prüfung und Sicherstellung der Qualität von Arzneimitteln und apothekenüblichen Waren übernimmt, zeigen, dass die Herstellung von Rezepturen und Defekturen in so mancher Apotheke noch optimiert werden kann.

Die Optimierungsansätze betreffen insbesondere die

  • Qualitätssicherung, etwa durch Festlegung der Verantwortlichkeiten, klare Kommunikation innerhalb der Apotheke,
  • Qualifizierung der Räumlichkeiten und Ausrüstung,
  • Prüfung und Lagerung der Ausgangsstoffe,
  • Einhaltung strenger Hygienevorschriften,
  • Herstellung der Zubereitungen, inklusive Rezeptkontrolle, Faktorisierung, Organisation des Arbeitsplatzes,
  • genaue Dokumentation und regelmäßige Selbstinspektion.

Standard Operations Procedures (SOPs), also definierte Arbeitsanweisungen für einen Arbeitsgang, dessen Ablauf eindeutig dokumentiert ist und die genau befolgt werden müssen, werden in den Apotheken also immer mehr um sich greifen. Eine einfache Übertragung von GMP-Richtlinien auf ad hoc angefertigte Individualrezepturen oder defekturartige Kleinchargen kann und sollte allerdings nicht erfolgen.

Wichtig für die Apotheken ist, dass die Durchführbarkeit der Maßnahmen, von denen viele mit der Novellierung der neuen Apothekenbetriebsordnung verbindlich werden sollen, im normalen Apothekenbetrieb mit einem finanziell überschaubaren Aufwand erfolgen kann – zumindest wenn es sich nicht um sterile Arzneiformen handelt. Das Schweizer Arzneibuch führt seit 2005 schon verbindliche GMP-Regeln für Arzneimittel in kleinen Mengen sowie für Zytostatika in kleinen Mengen. Eine gesicherte, standardisierte und prüfbare Qualität ist quasi das Überlebenselixier für die deutsche Rezeptur und Defektur. Denn in so manchem anderen europäischen Land, beispielsweise in Skandinavien, aber auch in Großbritannien oder Frankreich, dürfen Rezepturen nur noch in speziellen Herstellungszentren, etwa Krankenhaus- oder speziellen Schwerpunktapotheken, zubereitet werden. 

Den vollständigen Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/11 ab Seite 56.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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