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Milzbrand

GEFAHR IM VERZUG

„Anthrax“ – dieses Synonym löst sofort Assoziationen von biologischer Kriegsführung aus. Der Erreger bildet Sporen, die jahrzehntelang hochtoxisch sind. Werden sie eingeatmet, können sie innerhalb von wenigen Tagen zum Tod führen.

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Ursprünglich war Milzbrand als Infektionskrankheit bei Paarhufern gefürchtet. Er konnte ganze Viehherden ausrotten und auch dem Menschen gefährlich werden, denn der Erreger, ein grampositives Stäbchenbakterium (Bacillus anthracis), bildet extrem resistente Sporen, die aus den Kadavern verendeter Tiere in den Boden und von dort ins Grundwasser gelangen konnten.

Kamen Menschen mit größeren Mengen der Sporen in Kontakt, konnten sie selbst am Milzbrand erkranken. Vor allem Viehwirte und Abdecker wurden daher häufig infiziert, aber auch Gerber, denn selbst der Gerbprozess bei der Lederherstellung konnte die Sporen nicht vernichten. Erst, als Tierkadaver nicht nur verscharrt, sondern verbrannt wurden, Kläranlagen dafür sorgten, dass sich die Sporen nicht mehr über das Grundwasser verbreiteten und Veterinärämter auf eine Eindämmung der Seuche achteten, schwand die Bedeutung der Krankheit als alltägliche Bedrohung.

Die „zweite Karriere”: Milzbrand als BiowaffeEin gefährliches Bakterium, das relativ leicht zu züchten ist und Sporen bildet, die extrem resistent gegen Umwelteinflüsse sind – das schien den Milzbranderreger als biologische Kriegswaffe zu prädestinieren. Tatsächlich experimentierten die Sowjetunion und die USA mit dem Bakterium, bis sie im Jahr 1972 die Biowaffenkonvention unterschrieben, die eine Entwicklung verbot.

Genetische Varianten der Milzbranderreger fanden sich aber weiterhin in den Labors der Supermächte, was im September 2001 dazu führte, dass der Milzbrand schlagartig ins Bewusstsein der Menschen zurückkehrte. Denn nur eine Woche nach den Terroranschlägen auf das Word Trade Center erhielten US-amerikanische Nachrichtensender, Zeitungsredaktionen und Senatoren mit Sporen verseuchte Briefe, wobei fünf Menschen starben. Dadurch verbreitete Anthrax plötzlich als potenzielle Bio-Terrorwaffe wieder Angst und Schrecken. Erst als sich solche Anschläge nicht wiederholten, ebbte die Panik wieder ab.

Auch nach Jahrzehnten noch gefährlich Die Sporen des Milzbranderregers können, wenn sie vor Sonnenlicht geschützt sind, jahrzehnte- oder sogar jahrhundertelang überleben. Die Gelände ehemaliger Abdeckereien oder Wasenplätze, auf denen Tierkadaver vergraben wurden, sind also immer noch verseucht. Werden sie heute als Viehweiden genutzt oder gar als Bauland ausgeschrieben, kann es zu Neuinfektionen kommen. So war es wohl auch bei einem an Milzbrand verendeten Rind, das im Sommer 2012 in der Elbe trieb. Die Herde hatte offensichtlich auf einem ehemaligen Wasenplatz gegrast.

Übertragungswege Menschen, die direkten Kontakt zu infizierten Tieren haben, können sich selbst anstecken (Zoonose). Möglich ist auch eine Infektion durch verseuchtes Wasser oder durch direkte Inhalation von mindestens 3000 bis 10 000 Sporen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch wurde bisher jedoch noch nicht beobachtet.

Das Bakterium kann dabei über mehrere Arten in den Körper gelangen:

  • Durch Hautkontakt, dabei entsteht Hautmilzbrand mit einem von Pusteln umgebenen Geschwür, aus dem sich eine Eiterbeule entwickelt.
  • DurchEinatmen, daraus entwickelt sich die sehr gefährliche Form des Lungenmilzbrandes. Nach einer Inkubationszeit von einigen Tagen bis hin zu einigen Wochen ähneln die Symptome einer Grippe, später kommt es dann zu Atemnot. Da beim Auftreten der ersten Symptome bereits eine starke Durchseuchung der Lunge mit Erregern stattgefunden hat, ist die Sterberate selbst bei früher Antibiotikagabe jedoch sehr hoch. Meist erliegen die Infizierten der Krankheit drei bis sechs Tage nach ihrem Ausbruch.
  • DurchVerzehr von kontaminiertem, rohem Fleisch oder infizierten Rohmilchprodukten entsteht Darmmilzbrand. Es kommt nach kurzer Zeit zu blutigem Erbrechen und Durchfall. Jeder zweite Infizierte stirbt an dieser sehr seltenen Form.

Im Körper entwickeln sich aus den Sporen Bakterien, die in die Blutbahn gelangen und Eiweißtoxine ausscheiden. Diese zerstören die auskleidenden Zellen der Blutgefäße, sodass die Bakterien von dort aus in die umliegenden Gewebe vordringen können. Hier vermehren sie sich weiter und überschwemmen mit ihren Toxinen bald den ganzen Organismus. In allen Fällen von Milzbrand kommt es schließlich zu einer Sepsis: Das Immunsystem wehrt sich gegen die Bakterien und ihre Toxine und ruft dabei eine auf den ganzen Körper ausgedehnte Entzündungsreaktion hervor. Dem ist der Organismus früher oder später nicht mehr gewachsen und er kollabiert.

Ist eine Infektion bereits so weit fortgeschritten, dass eine Sepsis entstanden ist, muss intensivmedizinisch behandelt werden. Wer Kontakt zu Nutz- oder Wildtieren hatte und daraufhin typische Symptome bei sich feststellt, sollte den Arzt darauf hinweisen, damit gezielt nach Anthraxerregern gesucht werden kann. Eine Verdachtsdiagnose liefert dabei die mikroskopische Untersuchung mit einer Gramfärbung der Bakterien.

Da aber nicht jedes grampositive Stäbchenbakterium ein Milzbranderreger ist, kann nur eine mikrobiologische Untersuchung Diagnosesicherheit geben; entweder über eine traditionelle Bakterienkultur oder eine molekulargenetische Analyse mithilfe der Polymerasekettenreaktion (PCR). Eine Weiterentwicklung der PCR, in der die Anzüchtung entfällt, liefert bereits nach einer Stunde Ergebnisse.

Bei früher Diagnose gut heilbar Je früher ein Milzbrand diagnostiziert wird, desto besser sind die Heilungschancen. Therapiert wird er mit Antibiotika (Doxycyclin und Ciprofloxacin). Bei Verdacht auf Inhalation kann man prophylaktisch eine Langzeitantibiotikatherapie (60 bis 100 Tage) durchführen, diese ist jedoch aufgrund der Nebenwirkungen nicht unumstritten. Impfstoffe gegen Anthrax gibt es zwar, jedoch sind sie aufwändig, teuer, und in Deutschland nicht zugelassen.

ZUSATZINFORMATIONEN

Milzbranderreger in Rauschgiff
Im Jahr 2009 griff die Angst vor Anthrax erneut um sich. Diesmal erkrankten Rauschgiftsüchtige am Milzbrand, wobei die Ursache offensichtlich verseuchtes Heroin war. Im Sommer dieses Jahres dann wieder eine beunruhigende Meldung: In Regensburg war ein Heroinsüchtiger beim Arzt vorstellig geworden, da sich eine Injektionsstelle auffällig entzündet hatte. Noch am selben Tag entwickelte der Patient eine Sepsis, an der er verstarb. Wieder war mit Milzbranderregern verseuchtes Heroin die Ursache. Im Laufe des Sommers gab es noch drei weitere solcher Fälle, die Betroffenen überlebten jedoch. Der Erregerstamm war derselbe wie bei den Vorkommnissen 2009, was darauf hinweist, dass das verseuchte Heroin immer noch in Umlauf ist und die Sporen immer noch infektiös sind.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/12 ab Seite 114.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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