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FÜNF SINNE
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Ein Sinn wird definiert als die Fähigkeit unseres Körpers, Reize mithilfe von Rezeptoren in Informationen umzuwandeln. Klassischerweise sprechen wir meist von fünf Sinnen, doch gehen Physiologen noch von vier weiteren aus: der Schmerzempfindung , dem Körpersinn (Propriozeption), dem Temperatursinn (Thermorezeption) und dem Gleichgewichtssinn (vestibulärer Sinn). Doch gleich, wie viele es tatsächlich sind – ist einer davon eingeschränkt, nehmen wir die Welt und uns selbst nicht mehr umfassend wahr.
„Shannon“ misst die Informationsverarbeitung Die Aufnahmefähigkeit unserer Sinne ist unterschiedlich und lässt sich mit der Maßeinheit „Shannon“, bestimmen, die den Informationsgehalt eines Reizes widerspiegelt. Auf dem ersten Platz liegt hierbei der Gesichtssinn, der gleichzeitig bis zu 10 Millionen Shannon an Informationen verarbeiten kann. Darauf folgt der Tastsinn mit 1 Million Shannon, gefolgt von Hören und Riechen mit jeweils 100 000 Shannon. „Schlusslicht“ der fünf Sinne ist der Geschmackssinn mit etwa 1000 Shannon.
„Wichtige“ und „weniger wichtige“ Sinne Sehen und Hören sind – evolutionstechnisch gesehen – unsere wichtigsten Sinne, denn sie sind „Fernsinne“, die unseren Vorfahren halfen, früh genug die Entscheidung „Fliehen oder Angreifen“ zu treffen. Tasten und Schmecken hingegen sind „Nahsinne“, die für das Überleben weniger wichtig waren. Eine Sonderstellung nimmt der Geruchssinn ein. Er funktioniert auf Distanz, wodurch man ihn einerseits den Fernsinnen zurechnen kann. Allerdings ist er aber auch untrennbar mit dem Geschmackssinn verbunden, sodass er gleichzeitig als Nahsinn gilt.
Sehen – die visuelle Wahrnehmung Unser visuelles System besteht aus den Augen, dem Sehnerv und dem Sehzentrum im Gehirn. Im Auge werden dabei Lichtreize in elektrische Impulse umgewandelt, was durch die Fotorezeptoren (Stäbchen und Zapfen) der Netzhaut geschieht. Hierbei sind die Stäbchen für das Lichtempfinden (hell/dunkel), die Zapfen für das Farbensehen zuständig. Wie bei einer Camera obscura entsteht auf der Netzhaut ein seitenverkehrtes, auf dem Kopf stehendes Bild.
Das Bild, das wir sehen, kommt somit erst im Sehzentrum des Gehirns zustande, wohin die elektrischen Impulse aus der Netzhaut über den Sehnerv geleitet werden. Hier werden auch die zwei unterschiedlichen Bilder der beiden Augen zu einem räumlichen Bild verarbeitet, was uns ein dreidimensionales Sehen ermöglicht. Unser Gesichtssinn ist der Sinn, dem wir am meisten vertrauen, was kein Wunder ist, liefert er uns doch 80 Prozent aller Informationen.
Hören – die auditive Wahrnehmung Der Gehörsinn ist der erste Sinn, den wir ausbilden. Bereits in der 28. Schwangerschaftswoche reagiert das Ungeborene auf Geräusche und Stimmen. Das Außenohr mit dem äußeren Gehörgang nimmt Schallwellen auf und gibt sie über das Trommelfell ins Mittelohr weiter, wo sie über die Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel ans Innenohr übertragen werden. Dort wird der Schall an den Rezeptoren der Gehörschnecke in Nervenimpulse umgesetzt und über den Hörnerv ins Gehirn transportiert. Die Hörfläche des Menschen, also der Bereich, in dem wir Geräusche wahrnehmen, liegt zwischen 16 und 20 000 Hertz. Auch der Gehörsinn ermöglicht uns eine räumliche Orientierung im Raum, da die Schallwellen an einem Ohr früher ankommen als am anderen. Aus dieser minimalen Differenz kann das Hörzentrum errechnen, wo sich die Schallquelle im Raum befindet.
Riechen – die olfaktorische WahrnehmungUnser Geruchssinn hilft uns nicht nur, Gefahren wie Feuerrauch oder verdorbene Lebensmittel zu erkennen, sondern hat auch Einfluss auf unser Sexualverhalten, da wir über ihn auch auf sexuelle Lockstoffe (Pheromone) reagieren. Insgesamt kann unsere Nase mehr als 10 000 Gerüche wahrnehmen und unterscheiden.
Das Riechen findet im obersten Teil der Nasenhöhle über die Riechschleimhaut statt. Sie besitzt Riechzellen, aus denen kleine Härchen (Zilien) herausragen. Diese verfügen über Geruchsrezeptoren, die nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip immer nur auf ein bestimmtes Duftmolekül ansprechen und dann einen elektrischen Impuls erzeugen. Die Signale der circa 400 unterschiedlichen Geruchsrezeptoren werden über den Riechnerv zum Gehirn weitergeleitet. Der Geruchssinn ist bereits bei der Geburt vollständig ausgebildet und eng mit dem Geschmackssinn verknüpft – einer kann ohne den anderen nicht vollständig funktionieren.
Schmecken – die gustatorische Wahrnehmung Unser Geschmackssinn kann lediglich die fünf Eindrücke bitter, sauer, salzig, süß und umami (Empfindung für Glutamat, das Natriumsalz der Aminosäure Glutamin) unterscheiden. Bitter und sauer soll uns dabei vor verdorbenen Lebensmitteln warnen, während salzig, süß und umami auf gesunde, gehaltvolle Lebensmittel hinweisen. Die gustatorische Wahrnehmung ermöglichen Sinnesszellen, in deren Membranen die für die Reizaufnahme nötigen Rezeptorproteine sitzen.
Circa 10 bis 50 Sinneszellen sind in jeweils einer Geschmacksknospe angeordnet; diese enthält zudem auch so genannte Stütz- und Basalzellen. Mehrere dieser Geschmacksknospen befinden sind schließlich – tulpenförmig angeordnet – in den Wänden und Gräben der Geschmackspapillen. Vereinzelt kommen Geschmackssinneszellen auch im Bereich des Kehlkopfes und des Rachens vor. Von den Sinneszellen werden die Informationen über den Zungen-Rachen-Nerv, den Gesichts- und den Vagusnerv weiter ins Gehirn geleitet. Insgesamt tragen aber nur etwa 20 Prozent des Geschmackssinns wirklich zum Schmecken bei. Der größte Teil, nämlich 80 Prozent, wird durch Aromen hervorgerufen, die wir mit unserem Geruchssinn wahrnehmen.
DICK WEGEN OTITIS MEDIA?
Erwachsene, die in der Kindheit unter Mittelohrentzündungen litten, sind Studien zufolge öfters übergewichtig oder adipös. Grund: Da Geschmacksfasern auch durch das Mittelohr verlaufen, beeinflusst eine Schädigung einerseits die Geschmackswahrnehmung der vorderen zwei Drittel der Zunge, andererseits wird der Trigeminusnerv gehemmt. Da Letzteres insbesondere die somatosensible Fettwahrnehmung betrifft, kann es bei einigen der Betroffenen zu einem erhöhten Fettverzehr kommen – denn während früher sozusagen wenige Fettmoleküle ausreichten, um den Geschmack „fett“ auf der Zunge hervorzurufen, braucht es nun durch die Nervenschädigung wesentlich mehr davon – und das führt somit in der Folge zu einer Gewichtszunahme.
Tasten – taktile und haptische Wahrnehmung Beim Tastsinn unterscheidet man die taktile Wahrnehmung, also das Berührtwerden, von der haptischen Wahrnehmung, dem Berühren. Die Rezeptoren des Tastsinns sitzen in unserem größten Organ, der Haut. Wir verfügen über unterschiedliche Rezeptoren für Berührung, Druck, Vibration, Schmerz und Temperatur. Dadurch ermöglicht uns der Tastsinn, taktile oder haptische Reize als angenehm oder gefährlich einzuschätzen. Eine Besonderheit dieser Nervenzellen liegt darin, dass sie Wiederkehrendes erlernen und filtern können, sodass es beispielsweise nicht zu einer Reizüberflutung durch das Tragen von Kleidung kommt.
Angeborene und erworbene Sinneseinschränkungen Wir brauchen unsere fünf Sinne, um uns und die Welt vollständig wahrnehmen zu können. Ist einer dieser Sinne beeinträchtigt, kann ein anderer Sinn diesen Mangel bis zu einem gewissen Punkt kompensieren.
Wir empfinden jedoch manche Sinneseinschränkungen belastender als andere. So spricht man nur dann von einer Sinnesbehinderung, wenn die Fernsinne „Sehen“ und „Hören“ betroffen sind, da uns diese Störung am meisten einschränkt. Zudem fallen Menschen mit Seh- und Hörbehinderung in der Gesellschaft schneller auf als Menschen, deren Tast-, Geruchs- oder Geschmackssinn beeinflusst ist. Sind Defizite angeboren, sind immer Teile des Sinnessystems gestört, also entweder die Gewebe der Organe selbst oder ihre zugehörigen Nervenleitungen und Gehirnareale.
Auslöser können Erbkrankheiten, spontane Mutationen, Schädigung des Embryos durch Infektionen (z. B. Röteln), Alkoholmissbrauch oder schwere Verletzung der Schwangeren (und damit des Embryos) sein. Manchmal verliert ein Mensch jedoch im Laufe seines Lebens einen seiner Sinne, entweder plötzlich durch ein Trauma oder schleichend durch eine Krankheit.
Krankheiten und Lärm verursachen Hörschäden Eine durch Bakterien oder Viren hervorgerufene Mittelohrentzündung kann das Hörvermögen akut beeinträchtigen. Meist klingt eine solche Entzündung folgenlos wieder ab, jedoch gibt es manchmal Komplikationen, die bis zur Taubheit führen können, etwa, wenn sich das Innenohr entzündet. Um Komplikationen zu vermeiden, sollte eine Mittelohrentzündung immer austherapiert werden.
Dazu gehören zuallererst Bettruhe, dann entzündungshemmende Medikamente und notfalls auch Antibiotika. Gefährlich für unser Gehör ist auch ein hoher Schalldruck, zum Beispiel durch Schüsse, Explosionen oder einem starken Schlag auf das Ohr. Wird dabei das Innenohr geschädigt, spricht man von einem Knalltrauma. Die Symptome reichen über Schmerzen, Klingeln, Pfeifen und Schwindel bis hin zum Hörverlust. In den meisten Fällen sind sie jedoch nur vorübergehend.
Weitere Folge eines Knalltraumas kann ein Tinnitus sein, der zwar unangenehm, aber meist harmlos ist. Tinnitus kann zudem eine Folge von Grunderkrankungen wie Morbus Menière, Ohrentzündungen, Infektionen oder Autoimmunerkrankungen sein.
Einschränkungen des Tastsinns Empfindungsstörungen treten dann auf, wenn die Rezeptoren in unserer Haut geschädigt sind. Häufige Ursache sind neurologische Ausfälle, zum Beispiel bei einem Bandscheibenvorfall, oder Durchblutungsstörungen. Da die Sinnesrezeptoren in der Haut ihre Impulse direkt an das zentrale Nervensystem übermitteln, können auch Störungen dieses Systems den Tastsinn beeinträchtigen, so zum Beispiel bei der Multiplen Sklerose oder nach einem Schlaganfall.
Gefahren für das Auge Dass unsere Sehfähigkeit mit dem Alter abnimmt, ist ganz normal und wird von den meisten nicht als bedrohlich empfunden. Es gibt jedoch auch Krankheiten, die zur Beeinträchtigung oder gar zum Verlust der Sehfähigkeit führen können. So zum Beispiel die gefürchtete Makuladegeneration. Dabei verliert die Netzhaut am Punkt des schärfsten Sehens, dem Gelben Fleck, langsam ihre Funktionsfähigkeit. Das hat zur Folge, dass die Schärfe im zentralen Sehbereich immer mehr abnimmt, bis hin zur Blindheit.
Die altersbedingte Makuladegeneration ist heute die Hauptursache für Erblinden bei Menschen über 50 Jahre in den westlichen Industriestaaten. Sie kann medikamentös oder durch Lasertherapie zumindest teilweise behandelt werden. Vorbeugen kann man, indem man Risikofaktoren wie Rauchen und hohen Blutdruck vermeidet. Fetter Fisch, die Vitamine C und E sowie Provitamin A und Zink sollen ebenfalls vorbeugend wirken.
Eine andere häufige Krankheit ist der Grüne Star (Glaukom), bei der ein erhöhter Augeninnendruck zu einer eingeschränkten Durchblutung des Sehnervs und damit zur Zerstörung von Nervenzellen führt. Das Glaukom kann heute durch Senkung des Augeninnendrucks mittels Augentropfen, durchblutungsfördernde Medikamente oder operative Eingriffe verhindert werden. Auch ein Diabetes kann sich zu Beginn in Sehstörungen äußern. Im fortgeschrittenen Stadium kann er sogar zur diabetischen Retinopathie führen, bei der die Netzhaut bis zur Blindheit geschädigt werden kann.
UNTERSCHIEDLICHE GESCHMACKSPAPILLEN
Nur drei der vier Papillentypen sind für die Geschmackswahrnehmung verantwortlich: Pilz-, Blätter- und Wallpapillen. Die Fadenpapillen verfügen lediglich über taktile Funktionen. Während es etwa 200 bis 400 Pilzpapillen gibt, existieren nur 15 bis 20 Blätterpapillen an den hinteren Seitenrändern der Zunge sowie etwa sieben bis zwölf Wallpapillen an der Grenze zum Zungengrund. Dagegen haben Letztere die meisten Geschmacksknospen, nämlich mehr als 100 im Gegensatz zu etwa 50 in
Blätter- sowie nur drei bis vier in Pilzpapillen.
Dysosmien und Dysgeusien Geruchs- und Geschmackssinn sind eng miteinander verknüpft. Daher gilt: Wenn einer der beiden Sinne eingeschränkt ist, wirkt sich das auch auf den anderen aus. Trotzdem unterscheidet man Dysosmien (Geruchsstörungen) und Dysgeusien (Geschmacksstörungen) voneinander. Diese Sinneseinschränkungen können sehr verstörend sein, weil sie auch mit Geruchs- oder Geschmackshalluzinationen einhergehen können.
Riech- und Geschmacksstörungen können tatsächlich psychische Ursachen haben, aber auch auf Schädel-Hirn-Traumata, Krebserkrankungen oder Verletzungen der Rezeptoren zurückgehen. Außerdem können sie ein Hinweis auf eine Alzheimererkrankung sein. Auch Autoimmunerkrankungen wie das Sjögren-Syndrom, bei dem eine Tränen- und Speicheldrüsenfehlfunktion vorliegt, können Geruchs- und Geschmackssinn beeinträchtigen.
Nicht alle Beeinträchtigungen sind gefährlich Manchmal haben wir unsere fünf Sinne auch aus ganz harmlosen Gründen nicht beieinander. So kann etwa Flüssigkeitsmangel Sehstörungen hervorrufen, die sofort verschwinden, wenn der Wasserhaushalt des Körpers wieder ausgeglichen wird. Ähnliches gilt für Empfindungsstörungen, weil wir zu lange regungslos in einer bestimmten Position verharrt haben und der Körperteil „eingeschlafen“, also nicht mehr richtig durchblutet, ist. Dass man manchmal nichts riecht oder schmeckt, kann auch an Vitamin-oder Zinkmangel, einer Allergie oder einem Schnupfen liegen, der die Schleimhäute anschwellen lässt.
Dadurch, dass der Nasen-Rachen-Raum durch die Eustachische Röhre mit dem Gehörgang verbunden ist, kann es dabei sogar zu Einschränkungen beim Hören kommen. Ist die Erkältung überstanden, funktionieren die Sinne wieder normal. Medikamente können als Nebenwirkung sämtliche Sinne beeinträchtigen. Auch da gilt: Sobald der „Normalzustand“ wieder hergestellt ist, funktionieren auch unsere Sinne wieder normal.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/11 auf Seite 110.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist