© DIE PTA IN DER APOTHEKE

Welch ein Name

FLÜSSIGE MEDIZIN

Der Amerikaner John Pemberton war ein kreativer Apotheker: Er entwickelte gern Mixgetränke, die er dann Medizin nannte und in seiner pharmacy verkaufte. So auch mit dem Getränk „French Wine Coca“.

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Dass daraus einmal ein Konzern mit elf Milliarden Dollar Jahresumsatz werden sollte, konnte er nicht ahnen. Es hätte ihn nur geärgert, denn er verkaufte das Patent auf den braunen Sirup sofort, für schlappe 2300 Dollar.

Mixgetränke als Marotte John Pemberton war in vieler Hinsicht eine tragische Gestalt. 1831 geboren, trifft ihn im Amerikanischen Bürgerkrieg eine Kugel und ein Säbel versetzt ihm einen eindrucksvollen Schmiss im Bauchbereich. Pemberton betäubt die Schmerzen mit Morphium. Das war damals relativ leicht erhältlich; noch dazu ist der junge Mann ausgebildeter Apotheker. Auch um sein Rheuma und die Magenprobleme zu kurieren, erfindet er ständig neue Mixgetränke, eine Marotte von ihm. Das Ziel: Einen Drink zu finden, der das Leben leicht erscheinen lässt, der Schmerzen lindert und fröhlich macht. Erste Kreationen heißen „Eureka Oil“, „Dr. Stanford`s Great Invigorator“ und „Southern Cordial“. Doch Pemberton ist noch nicht zufrieden. Das Morphium hat ihn abhängig gemacht, er will davon loskommen. Und forscht nach Substanzen, die das möglich machen. John Pemberton hat 1853 geheiratet. Mit seiner Frau Anne und dem gemeinsamen Sohn Charley zieht er von Knoxville nach Atlanta, Georgia. 1885 verfällt er dem Morphium und er will eine andere Droge an dessen Stelle setzen, das Methadon seiner Zeit: Kokain gilt als nicht süchtig machend, der Konsum als gesundheitlich unbedenklich.

Papst als Werbefigur Er experimentiert. Besonders angetan hat ihm dabei der Vin Mariani, das Modegetränk jener Tage. Die Mischung aus Bordeauxwein und Extrakten des Cocastrauches macht munter und berauscht ganz außerordentlich, was am Ethylester des enthaltenen Benzoylecgonins liegt, denn die Substanz entspricht chemisch gesehen beinahe dem Kokain. Doch das wissen die Konsumenten nicht, wozu auch Königin Victoria von Großbritannien, Jules Verne und Emile Zola gehören. Auch verschiedene Päpste prosten ihren Gästen mit dem Mariani-Wein zu; Leo XIII. ziert sogar zu Werbezwecken eine Anzeige. Darin wird unter anderem Musikern das Getränk zur Stärkung der Stimmbänder empfohlen. Erst 1920 stoppt das Opiumgesetz in Deutschland den freien Verkauf. Doch Verbote dieser Art sind noch in weiter Ferne, als Pemberton den Wein mit der Pflanze Damiana, Kolanüssen, Blättern des Cocastrauches, echtem Kokain und viel Zucker mischt. Der dicke braune Sirup schmeckt grauslich; er wird erst erträglich, wenn man ihn mit viel Sodawasser versetzt. In seiner Apotheke „Jacob’s Pharmacy“ in Atlanta verkauft er die „Medizin“ pro Glas für einen Nickel, das sind fünf Cents. Und tatsächlich: Die braune Brause hilft gegen Müdigkeit und Kopfschmerzen, kein Wunder bei den Zutaten.

Flasche mit Hüftschwung Die Prohibition zwingt Pemberton ein Jahr vor Anmeldung des Patents den Alkohol aus der Originalrezeptur herauszunehmen. Und noch ein Jahr später muss er erkennen, dass auch die „Coca-Cola“, wie er sein Getränk nun nennt, ihm nicht hilft, von seiner Morphiumsucht loszukommen. Stattdessen hilft es ihm, sie zu finanzieren. Zwei Tage nach der Zulassung des Patentes verkauft er die Rezeptur an den Apothekengroßhändler Asa Griggs Candler, der sie eigentlich schon in Händen hält: Pembertons Buchhalter Frank Robinson hatte sie beleidigt weitergegeben, da er als Mitbieter nicht einmal in Betracht gezogen wurde. Der gewitzte Candler macht ihn zu seinem Partner und als Dank entwickelt Robinson den berühmten Schriftzug: Coca-Cola in kaligraphischer Schrift, weiß auf rotem Untergrund. Eine Weltmarke ist geboren. Der Zufall eröffnet ihr ungeahnte Möglichkeiten, denn zeitgleich wird der Kronenkorken erfunden und ein findiger Designer lässt eine bauchige kleine Glasflasche mit „Hüftschwung“ fertigen, die bis heute unverändert geblieben ist. Die Company vergreift sich sogar am Weihnachtsmann, der bis dahin in alten Sagen hager und ziemlich grimmig mit Rute durch die Lande zieht: Der Grafiker Haddon Sundblom zeichnet einen dickbäuchigen alten Mann mit bauschigem Bart und roten Bäckchen, der in die Firmenfarben gewandet vergnügt Geschenke verteilt. Seit 1931 glauben viele Kinder felsenfest daran, dass Santa Claus tatsächlich so aussieht.

John Stith Pemberton
… wurde am 8. Juli 1831 im amerikanischen Knoxville, Georgia, geboren und starb am 16. August 1888 in Atlanta. Der Apotheker gilt als Erfinder der Kultbrause Coca-Cola. Dabei hat sein Originalrezept wenig gemein mit dem, was heute millionenfach über den Ladentisch geht: In der ursprünglichen Mixtur fanden sich Alkohol, die Extrakte von Kolanüssen und dem Cocastrauch, die koffeinhaltige Pflanze Damiana und – Kokain.

Nicht gesetzeskonform Zu den Legenden der Firma, die heute zu einer der bekanntesten Marken der Welt zählt, gehört auch, dass tief in einem Safe der Sun Trust Bank in Atlanta das Originalrezept der braunen Limo verborgen ist. Nur zwei Spitzenmanager haben die Handschrift gelesen. Würden sie die alte Rezeptur anfertigen lassen und verkaufen, würden sie höchstwahrscheinlich wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ins Gefängnis wandern. Heute enthält die Mixtur vor allem sehr viel Zucker, weshalb es seit drei Jahrzehnten auch eine Variante mit Zuckeraustauschstoffen gibt.

Väter und Söhne John Pemberton wusste schon 1887, dass er nicht mehr lange zu leben hatte. Vom Patent verkaufte er nur zwei Drittel an den Apothekengroßhändler Candler – das letzte Drittel sollte sein Sohn Charley erben. Mit 57 Jahren starb Pemberton am 16. August 1888. Tragisch: Nur wenige Jahre später erlag Charley derselben Sucht wie sein Vater. Auch Asa Candler übergab die Aktien des Konzerns, die auf bestem Kurs waren, an seinen Sohn. Noch zu seinen Lebzeiten und hinter dem Rücken des Vaters verkaufte Howard Candler 1919 die Wertpapiere an ein Konsortium. Das Geschäft mit dem Rezept des kleinen Apothekers aus Atlanta machten nun andere. An den Apotheker John Pemberton erinnert heute eine kleine Messingplakette auf dem Bürgersteig vor der ehemaligen Pharmacy in Atlanta. Und ein Grabstein in seinem Geburtsort Columbus zeigt Symbole des Militärdienstes – Pemberton war Oberstleutnant der Konföderierten Armee – sowie das Zeichen der Freimaurerloge. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/17 ab Seite 68.

Alexandra Regner, PTA/Redaktion

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