Gluten in Arzneimitteln
FEINSTE SPUREN
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Bei Betroffenen mit einer Glutenunverträglichkeit, wie die Zöliakie auch genannt wird, kommt es durch den Genuss von glutenhaltigen Nahrungsmitteln zu einer chronischen Entzündung der Dünndarmschleimhaut. Diese kann sich – muss sich aber nicht – in Symptomen wie Durchfall, Übelkeit, Darmkrämpfen oder Gewichtsverlust äußern. Bei Kindern können Gedeihstörungen auftreten.
Die Entzündung der Dünndarmschleimhaut führt zu einer Abflachung der Schleimhautzotten und somit zu einer Verringerung der Dünndarmoberfläche. In der Folge können viele Nahrungsbestandteile nur noch vermindert in den Körper aufgenommen werden. Es kommt zu Nährstoffmangelerscheinungen, die wiederum langfristige Konsequenzen haben können.
Klebereiweiß Gluten Bei Zöliakiepatienten liegt eine lebenslange Unverträglichkeit gegen Gluten vor. Dieses Protein ist ein wichtiger Bestandteil von Weizen, findet sich aber auch in anderen Getreidesorten wie Roggen, Gerste oder Dinkel. Es führt dazu, dass sich beim Mischen von Mehl und Wasser eine klebrige Masse bildet – und wird deshalb häufig auch als Klebereiweiß bezeichnet.
Eine ursächliche Behandlung für die Zöliakie existiert nicht. Patienten müssen daher auf glutenhaltige Lebensmittel verzichten, um die chronische Entzündung in ihrem Darm zu verhindern. Doch auch in Arzneimitteln werden Bestandteile dieser Getreide verarbeitet, sodass für Zöliakiepatienten hier ebenfalls Vorsicht geboten ist.
Das Chamäleon der Erkrankungen Betroffene reagieren ganz unterschiedlich auf geringste Mengen Gluten, wie sie in Arzneimitteln enthalten sein können. Von starken Symptomen wie Übelkeit oder Erbrechen über allgemeines Unwohlsein bis überhaupt keine Beschwerden ist alles möglich. Während die Zöliakie früher als seltene Darmerkrankung im Kleinkindalter galt, so versteht man sie heute als systemische Erkrankung, die in jedem Lebensalter auftreten und sich sehr unterschiedlich, auch außerhalb des Darms, äußern kann.
Betroffen ist schätzungsweise eine von 200 bis eine von 500 Personen. Allerdings weist nur etwa jeder zehnte Patient das Vollbild der Symptome auf. Viele haben geringer ausgeprägte Beschwerden, darunter Blähungen, Verstopfung oder Appetitlosigkeit. Bei manchen sind sie auch sehr unspezifisch, wie beispielsweise Abgeschlagenheit oder Kopfschmerzen. Schließlich gibt es jene, die gar keine Beschwerden haben – und vielfach auch daher nichts von ihrer Erkrankung wissen.
Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie eine bestimmte genetische Disposition aufweisen. Dies trifft auf etwa 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung zu. Indem sie diese Eiweiße auf ihren Immunzellen tragen, haben sie ein um den Faktor drei erhöhtes Risiko, an Zöliakie zu erkranken.
Bei ihnen ist es möglich, dass Glutenbruchstücke, die durch die Dünndarmwand aufgenommen werden, diese Immunzellen aktivieren. Dies geschieht besonders dann, wenn diese Bruchstücke durch das Enzym Gewebstransglutaminase modifiziert wurden. Die Folge ist schließlich die beschriebene Entzündungsreaktion, bei der das Immunsystem unter anderem Autoantikörper gegen Gluten und die Transglutaminase bildet.
Diagnose Besteht ein Verdacht auf Zöliakie, so wird das Blut per ELISA auf die Antikörper gegen die Gewebetransglutaminase untersucht. Möglich ist auch ein Nachweis von Antikörpern gegen Gliadin (ein Baustein des Glutens). Schließlich können per Immunfluoreszenzverfahren so genannte Endomysiumantikörper bestimmt werden.
Zur Sicherung der Diagnose wird eine Dünndarmbiopsie vorgenommen, um die typischen Veränderungen der Schleimhaut nachzuweisen. Da die Antikörperverfahren immer verlässlicher werden, kann bei Kindern laut der aktuellen europäischen Leitlinie unter Umständen auf eine Biopsie verzichtet werden.
Für Betroffene
Online können kostenfreie DZG-Publikationen als Flyer oder Broschüre heruntergeladen werden. Die kostenpflichtigen Unterlagen können bei der DZG bestellt werden. Mitglieder erhalten nach ihrem Vereinseintritt ein umfangreiches Informationspaket zugeschickt. Dieses enthält unter anderem:
+ Ausführliches Informationsmaterial rund um die Erkrankung Zöliakie
+ die aktuelle „Aufstellung glutenfreier Lebensmittel“
+ die aktuelle „Aufstellung glutenfreier Arzneimittel“
+ die aktuelle Ausgabe der Mitgliederzeitung „DZG Aktuell“
+ eine umfangreiche Rezeptsammlung
+ den Kur- und Ferienführer „Sorglos Reisen“ mit Adressen von Restaurants, Hotels und Kureinrichtungen, die glutenfreie Kost anbieten
+ die „Bitte an den Koch“ in deutsch und mehreren anderen Sprachen im praktischen Scheckkartenformat
+ den Zöliakiepass
+ die „DZG Medizin“ – mit allen aktuellen wissenschaftlichen Kenntnissen über die Erkrankung.
Eine Zöliakie tritt häufig gemeinsam mit anderen Erkrankungen auf: Oftmals kommt es zusätzlich zu einer Laktoseunverträglichkeit, die sich aber bei strikt glutenfreier Ernährung häufig wieder normalisiert. Mögliche Folgen einer Zöliakie sind Eisenmangel oder Osteoporose. Schließlich leiden Zöliakiepatienten vermehrt an weiteren Autoimmunerkrankungen wie Diabetes Typ I oder solchen der Schilddrüse.
Achtung bei Medikamenten! Herauszufinden, ob ein Arzneimittel Gluten enthält, ist nicht immer einfach, denn eine Kennzeichnung wie die durchgestrichene Weizenähre auf Lebensmitteln gibt es bei Medikamenten nicht. Gluten ist als solches auch nicht unter den Hilfsstoffen aufgeführt. In der Datenbank der ABDA (und genauso in der Packungsbeilage und der Fachinformation) findet sich stattdessen das Stichwort Weizenstärke, bei dem Apothekenmitarbeiterinnen die Assoziation „Enthält Gluten!“ herstellen müssen.
Falls der Arzt beim Verschreiben eines Medikaments bereits auf die Glutenfreiheit geachtet hat, hat er wahrscheinlich das Kästchen „aut idem“ auf dem Rezept angekreuzt. Nach Informationen der Deutschen Zöliakie Gesellschaft e.V. (DZG) kommt es vor, dass Medikamente glutenhaltige Hilfstoffe enthalten, die nicht deklariert werden müssen.
Weizenstärke wird besonders bei der Herstellung von Tabletten verwendet. Das bedeutet aber nicht, dass alle Tabletten Gluten enthalten und dass alle flüssigen Arzneimittel und sowie Salben und Cremes glutenfrei sind. Auch Augen- oder Nasentropfen können Gluten enthalten, wobei gerade Nasentropfen über den Rachen in den Magen-Darm-Trakt gelangen können.
Kontakt
Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e.V. (DZG)
Kupferstraße 36
70565 Stuttgart
Telefon: 07 11/45 99 81–0
Fax: 07 11/45 99 81–50
E-Mail: info@dzg-online.de
Internet: www.dzg-online.de
Zäpfchen dagegen können nach Informationen der DZG auch dann angewendet werden, wenn sie Gluten als Bestandteil aufweisen. Das gilt auch für alle äußerlichen Anwendungen von Cremes, Salben, Shampoos und Körperpflegeprodukten. Bei der Anwendung im Gesicht ist jedoch Vorsicht geboten. Lippenpflegeprodukte, Mundspülungen und Zahncremes sollten glutenfrei sein. Bei Kindern empfiehlt die DZG grundsätzlich glutenfreie Produkte zu verwenden, da sie alles anfassen und die Hände häufig in den Mund stecken.
Tipps der DZG Die Gesellschaft bietet eine Aufstellung glutenfreier Medikamente, Kosmetik-, Mund- und Zahnpflegeprodukte. Basierend auf der Rote Liste® enthält sie circa 10 000 glutenfreie Arzneimittel. Für 45 Euro im ersten Jahr (danach die Hälfte) erhalten Apotheken jährlich die aktualisierte Aufstellung sowie weitere Informationen.
Weitere Angebote der DZG sind zum Beispiel der Kur- und Ferienführer „Sorglos Reisen“ und die Pocket-Guides. Darin sind zahlreiche Restaurants, Supermärkte, Bäckereien und Drogerien mit glutenfreien Angeboten aufgeführt. Darüber hinaus enthalten die Broschüren Empfehlungen für geeignete Speisen und Getränke auf Reisen und im Hotel.
Die Pocket-Guides gibt es für 17 deutsche Städte und Regionen von Hamburg bis München und von Köln bis Leipzig. Auf der DZG-Internetseite können sie heruntergeladen werden. Ebenfalls wichtig: Schon bei der Flugbuchung glutenfreies Essen bestellen. Vor Auslandsreisen sollten sich Betroffene unbedingt vorab über Einfuhrverbote (z. B. von Frischwaren), Deklarationsbestimmungen und Mengenbegrenzungen informieren. Auskünfte dazu erteilen Reisebüros. Um die Einfuhr glutenfreier Produkte außerhalb Europas zu erleichtern, muss ein ärztliches Attest ausgestellt werden.
Auch für den Restaurantbesuch können sich Zöliakiebetroffene wappnen.
Die DZG stellt für 120 Länder die Infokarte „Bitte an den Koch“ zur Verfügung. Darauf wird dieser darüber informiert, welche Lebensmittel und Zutaten Zöliakiebetroffene meiden müssen und worauf er bei der Zubereitung achten sollte. Urlauber sollten die Karte vor der Bestellung dem Kellner übergeben, damit er sie in die Küche bringen kann. Auch diese Karte kann im Internet heruntergeladen werden. (Quelle: DZG)
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/13 ab Seite 148.
Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin