Insektenschutz
ES KREUCHT UND FLEUCHT WIEDER
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So schön die warme Jahreszeit ist, so sehr ärgert man sich jedes Mal über von Mücken zerstochene Arme und Beine, Wespen, die einem den Kuchenklatsch im Garten vermiesen, oder schmerzende Kinderfüße, weil die Kleinen barfuß über eine Wiese gelaufen und in eine Biene getreten sind. Meist sind die Insekten nur lästig, doch wer eine Insektengiftallergie hat, der sieht dem Sommer mit Schrecken entgegen. Darüber hinaus werden durch die Globalisierung immer mehr gefährliche Insekten in unseren Breitengraden heimisch.
Plagegeister Nr. 1 Am lästigsten sind im Sommer wohl die Stechmücken. Sie halten sich bevorzugt in der Nähe von stehenden Gewässern auf, in denen sie ihre Eier ablegen. Die weibliche Mücke braucht nach der Befruchtung durch das Männchen eine Blutmahlzeit, denn sie benötigt die darin enthaltenen Proteine für die Bildung der Eier.
Daher stechen auch nur die Weibchen – männliche Mücken ernähren sich ausschließlich von Nektar und Pflanzensaft. Ihre Opfer finden weibliche Mücken über Stoffe wie Ammoniak, Milchsäure und ausgeatmetes Kohlendioxid, die den typisch menschlichen Duftcocktail ausmachen.
»Mücken mögen Gelb, meiden aber Blau. Diesen Vorlieben kann man sich mit der Kleidung anpassen.«
Schwangere ziehen Mücken magisch an, was wahrscheinlich an ihrem erhöhten Stoffwechsel liegt, der zu einer vermehrten Kohlendioxidabgabe führt und auch die Hauttemperatur heraufsetzt. Nachts ist der Körpergeruch besonders stark, weshalb Mücken Menschen meist im Schlaf stechen. Dass sie ihre Opfer durch den Stich nicht wecken, liegt daran, dass die Insekten mit ihrem Stech-Saugrüssel zunächst Speichel in die Stichwunde injizieren. Dieser enthält einen Stoff, der verhindert, dass das Blut beim Saugen gerinnt, gleichzeitig betäubt der Speichel die Einstichstelle.
Der menschliche Organismus reagiert auf den Gerinnungshemmer im Mückenspeichel allergisch, das heißt, er bildet Histamin, wodurch an der Einstichstelle die typische juckende Quaddel entsteht. Weisen Sie Ihre Kunden unbedingt darauf hin, dass sie sich dann nicht kratzen sollen, auch, wenn es schwer fällt. Denn durch das Kratzen wird das Allergie auslösende Eiweiß aus dem Mückenspeichel nur noch weiter verteilt. Stattdessen sollte man sofort einen heißen Lappen auf die Stelle legen, dessen Wärme das Eiweiß denaturiert und zersetzt.
Essigsaure Tonerde-Lösung kann später gegen den Juckreiz helfen, sie wirkt kühlend, desinfizierend und adstringierend. Mückenstiche aufzukratzen kann Infektionen auslösen, wenn in die Einstichstelle Schmutz eindringt. Empfehlen Sie Ihren Kunden bei aufgekratzten, vergrößerten oder gar entzündeten Mückenstichen, die schon seit längerer Zeit bestehen, den Tetanusimpfschutz zu überprüfen und zur Not auffrischen zu lassen. Außerdem sollte die Wunde regelmäßig desinfiziert werden.
Krank durch Mückenstiche? Tatsächlich nimmt eine Mücke mit der Blutmahlzeit Krankheitserreger ihres Wirtes auf. Dazu können zum Beispiel auch Hepatitis- oder HI-Viren zählen. Theoretisch könnten Mücken diese dann durch Schmierinfektion weitergeben, wenn sie bei der Blutmahlzeit gestört werden und eine andere Person stechen. Doch um auf diesem Wege beim Gestochenen wirklich eine Krankheit auszulösen, müsste die Erregerdichte auf dem Saugrüssel sehr hoch sein, was so gut wie unmöglich ist. Mücken können jedoch als Wirtstiere Erreger übertragen, die sich in ihrem Organismus vermehren und die dann über den Speichel bei der Blutmahlzeit in den Menschen injiziert werden.
BIENEN LIEBEN BANANEN
Wer Angst vor Bienenstichen hat, sollte in der Nähe dieser Insekten keine Banane essen, denn dieses Obst macht die sonst friedliebenden Bienen extrem aggressiv. Schuld ist der Geruch der reifen Banane. Sie riecht nämlich nach Essigsäureisoamylester, einem Duftstoff, den Bienen ausstoßen, wenn sie angegriffen werden. Sie rufen damit das Bienenvolk zur Verteidigung zu sich. Eine reife Banane kann also im schlimmsten Fall den Angriff eines ganzen Bienenschwarms verursachen.
Dabei ist nicht jede Mücke ein Wirt für alle Erreger, HI-Viren zum Beispiel werden in der Mücke sofort verdaut, eine Ansteckung mit HIV durch einen Mückenstich ist also nicht gegeben. Die Besiedlung einer Mücke mit Krankheitserregern ist sehr spezifisch. Ein Beispiel ist die Anopheles- Mücke, die die Malaria übertragen kann, aber auch Herzwürmer oder Tropenfieber wie das O’nyongnyong- oder das Chikungunya-Fieber. Da die Mücke ein Wirtstier ist, muss sie sich zunächst selbst mit der Krankheit infizieren. Nach 10 bis 14 Tagen ist der Erreger im Tier dann so präsent, dass er mit dem Speichel weitergegeben wird.
Tropische Krankheiten immer gefährlicher Anfang des Jahres wiesen Experten darauf hin, dass der bedrohlichste und klinisch bedeutsamste Malaria-Erreger Plasmodium falciparum Resistenzen gegen das Standardmedikament Artemisinin ausgebildet haben könnte. 2014 wurden bereits andere resistente Plasmodium-Arten ausgemacht, hauptsächlich in Kambodscha, Thailand, Vietnam und Burma.
Da besonders Thailand und Vietnam beliebte Winter-Fernreiseziele der Deutschen sind, könnten die resistenten Erreger durchaus auch nach Deutschland eingeschleppt werden. Sollten Ihre Kunden über wiederkehrendes Fieber und Gliederschmerzen klagen, sollten Sie auf jeden Fall überprüfen, ob sie kürzlich eine Fernreise nach Südostasien unternommen haben. Ist das der Fall, sollten Sie ihnen empfehlen, einen Tropenmediziner aufzusuchen.
Da aufgrund der Globalisierung jedoch auch schon in unseren Breitengraden tropische Mücken wie die Anopheles- oder die Tigermücke längst angesiedelt sind, sollten Sie generell bei malariaähnlichen Symptomen genauer nachfragen, vor allen Dingen in Hinblick auf auffällige Mückenstiche. Bisher sind zwar noch fast 90 Prozent aller Malariaerkrankungen in Deutschland auf eine Infektion in tropischen Regionen zurückzuführen, doch das könnte sich bald ändern.
Vorbeugung wichtig Der wirksamste Schutz gegen Krankheiten, die von Stechmücken übertragen werden, ist die Vorbeugung. Gut geeignet sind Repellents. Diese gibt es mit natürlichen oder synthetischen Wirkstoffen. Der Vorteil natürlicher Wirkstoffe ist die bessere Verträglichkeit. Als sehr wirksam hat sich dabei p-Menthan-3,8-diol erwiesen, das aus einem chinesischen Eukalyptus gewonnen wird. Mückenschutz mit synthetischen Wirkstoffen enthält meist DEET oder Icaridin.
Zuverlässigen Schutz vor tropischen Mücken bietet jedoch nur DEET, daher wird diese Substanz auch von der Weltgesundheitsorganisation für Fernreisen empfohlen, allerdings nicht für Schwangere, Stillende und Kinder unter zwei Jahren. Bei Säuglingen und kleinen Kindern muss man mit Repellents generell vorsichtig sein, da die Wirkstoffe Allergien und Atembeschwerden auslösen können. Insektenschutzgitter an Fenster und Balkontüren können eine schonende Alternative sein.
Moskitonetze sind allerdings wiederum nur für ältere Kinder und Erwachsene geeignet – kleinere Kinder können sich darin verfangen und ersticken! Die Maschenweite sollte am besten 0,6 mal 0,6 Millimeter betragen anstelle der handelsüblichen 1,2 mal 1,2 Millimeter, um auch kleinere Mückenarten fernzuhalten.
Schmerzhafter Insektenstich Während Mückenstiche meist nur eine Weile jucken, können Stiche von Bienen, Wespen oder Hornissen über längere Zeit sehr schmerzhaft sein. Denn die Fluginsekten injizieren ihren Opfern einen wahren Giftcocktail. Tödlich ist der jedoch im Normalfall nicht, denn um einen gesunden Menschen umzubringen, wären Hunderte von Stichen nötig. Bienen können zwar aggressiv werden, greifen aber meist nicht an, wenn man sich ruhig verhält. Da sie beim Stich ihren Stachel mit der anhängenden Giftdrüse verlieren, bedeutet ein Stich für eine Biene ihr Todesurteil.
Doch häufig sitzen die Tiere unbemerkt im Gras oder auf Stühlen und man setzt sich auf sie oder tritt barfüßig in sie hinein. Ähnlich sieht es bei Wespen aus, obwohl diese Tiere vor allen Dingen bei der Futtersuche aggressiver sind. Wespen bevorzugen Fleisch und Süßigkeiten – beim Picknick, einer Kaffeetafel oder beim Barbecue sind sie daher häufige Gäste. Sie können mehrmals stechen und tun das auch, selbst wenn sie nicht direkt angegriffen werden.
Bei Wespen sollte man also darauf achten, potenzielle Beute nicht offen herumstehen zu lassen. Gefährlich sind auch Getränkedosen oder nicht transparente Flaschen. Die Insekten können hineinfallen und beim Trinken verschluckt werden. Im schlimmsten Fall stechen sie in der Luftröhre zu und es kommt zu lebensbedrohlicher Atemnot. Daher sollte man draußen Getränke am besten nur mit Strohhalm trinken.
Um stechende Insekten gar nicht erst anzuziehen, sollte man keine geblümten Stoffe tragen, denn Insekten nehmen diese tatsächlich als „Blumenwiese“ wahr. Außerdem sind Parfums, parfümierte Körperlotionen oder Shampoos, gerade mit blumiger oder fruchtiger Note, unwiderstehlich für die Insekten. Dasselbe gilt für ausgeprägten Schweißgeruch. Im Sommer sollte man daher nach körperlicher Anstrengung duschen und stark duftende Pflegeprodukte meiden.
Kühlen Kopf bewahren Nach einem Insektenstich ist es wichtig, ruhig zu bleiben. Ein eventuell noch vorhandener Stachel muss herausgezogen werden, am besten mit einer Pinzette. Sollte die Giftdrüse noch am Stachel hängen, darf sie nicht gequetscht werden, da sonst noch mehr Insektengift in den Körper gelangt. Nachdem der Stachel entfernt ist, muss die Einstichstelle desinfiziert und gekühlt werden. Gegen den Juckreiz helfen eine frisch aufgeschnittene Zwiebel oder Essigwasser auf der Einstichstelle. Danach sollte die Wunde beobachtet werden.
ALLERGIKER NIE ALLEINE LASSEN
Es versteht sich von selbst, dass Allergiker sich ab einem gewissen Punkt mit ihrem Notfallset nicht mehr selbst helfen können. Daher ist es außerordentlich wichtig, dass immer jemand zur Stelle ist, der dieses Set im Notfall ebenfalls bedienen kann. Adrenalinspritzen sind meist als leicht handhabbare Pens verfügbar. Bei den Kortisonpräparaten handelt es sich in Deutschland um flüssige Medikamente, die bei einer Schwellung der Atemwege leichter einzunehmen oder zu verabreichen sind als Tabletten.
Schwillt sie handtellergroß an oder zeigt der Gestochene Symptome von Unwohlsein wie Schwindel, Kreislaufprobleme oder gar eine Ohnmacht, sollte sofort ein Notarzt alarmiert werden. Denn dann handelt es sich vielleicht um eine Insektengiftallergie, die im schlimmsten Fall tödlich enden kann. Hat das Insekt im Mundraum zugestochen, können gelutschte Eiswürfel erste Linderung bringen. Darüber hinaus sollte aber ebenfalls sofort ein Arzt aufgesucht oder ein Notarzt verständigt werden. Gerade bei Kindern ist es wichtig, sie gleichzeitig zu beruhigen, da Weinen die Atemwege noch weiter verengt. Bei Kreislaufproblemen sollten die Beine hochgelagert werden.
Wenn das Gift allergisch macht Eine handtellergroße Schwellung nach einem Insektenstich wird als „Allergiegrad 0“ bezeichnet. Die höchste Stufe ist „Grad IV“, bei der es zu einem lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock kommt. Da eine Allergie jederzeit auftreten kann, auch, wenn man zuvor nicht allergisch war, und sich die Symptome plötzlich verschlimmern können, sollte bei auffälligen Anzeichen ein Allergietest durchgeführt werden.
Der Arzt klärt mithilfe von Haut- und Bluttests ab, ob eine Insektengiftallergie vorliegt und wenn ja, gegen welches Gift. Allergene Stoffe können beispielsweise Phospholipase A und Hyaluronidase sein, die in allen Insektengiften vorkommen. Zum anderen gibt es jedoch auch spezifische Allergene: Wer gegen Mellitin allergisch ist, muss sich vor Bienenstichen fürchten, bei einer Unverträglichkeit von Phospholipase B sollte man hingegen Wespen aus dem Weg gehen.
Jeder, der eine nachgewiesene Insektengiftallergie hat, muss im Sommer ein Notfallset bei sich tragen. Dieses enthält ein Antihistaminikum, ein Kortisonpräparat und eine Adrenalinspritze. Das Kortisonpräparat ist wichtig, um zum Beispiel Schwellungen im Bereich des Atemapparates zu bekämpfen. Beim lebensgefährlichen anaphylaktischen Schock bekommt man Herztätigkeit und Blutdruck nur mit einer Adrenalinspritze wieder in den Griff.
Die Allergie bekämpfen Gegen eine Insektenallergie kann man eine Hyposensibilisierung vornehmen. Dabei wird das Allergen unter die Haut des Oberarmes gespritzt und die Dosis mit der Zeit langsam erhöht. Eine Hyposensibilisierung dauert etwa drei bis fünf Jahre, im schlimmsten Fall muss sie ein Leben lang durchgeführt werden. Anfangs werden alle vier Wochen Spritzen verabreicht, später alle sechs Wochen. Die Hyposensibilisierung ist allerdings nicht ohne Nebenwirkungen, schließlich wird dem Körper das Gift zugeführt, gegen das er allergisch ist.
Außerdem ist eine Hyposensibilisierung kontraindiziert, wenn bestimmte andere Medikamente eingenommen werden. Dazu zählen vor allen Dingen bluthochdrucksenkende Arzneimittel wie ACE-Hemmer oder Beta-Blocker (auch Betablocker-Augentropfen), aber auch NSAR wie ASS, Ibuprofen, Paracetamol oder Diclofenac. Diese Wirkstoffe erhöhen das Risiko, bei einer Hyposensibilisierung gegen Insektengift einen anaphylaktischen Schock zu erleiden.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/15 ab Seite 58.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist