© sanjagrujic / iStock / Getty Images
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Was ist eigentlich …

... EIN SCHNAPPFINGER?

Die geballte Faust wieder öffnen, doch es hakt: Ein Finger bleibt krumm, lässt sich nicht strecken. Schließlich gibt er doch nach und schnellt in gestreckte Haltung – der Schnappfinger.

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Die menschliche Hand besitzt ein stabiles Gerüst aus Knochen. Die Bewegungen werden von Muskeln ausgeführt. Vermittler zwischen beiden Systemen sind die Bänder und Sehnen. Beugesehnen verlaufen vom Unterarm durch den Karpaltunnel des Handgelenks bis in die Finger. Die Sehnenscheiden, die äußere Hülle, sorgen für die Gleitfähigkeit der Sehnen, schließlich müssen sie einiges an Reibung erdulden. Die Beugesehnen verlaufen an den Mittelhandknochen entlang und werden von Ringbändern in dieser anschmiegsamen Position fixiert: Wie bei einem Schmuckring, den man am Finger trägt, verlaufen diese Bänder einmal um den Finger herum, im Ring stecken Knochen und Sehne.

Beim Beugen und Strecken der Finger rutscht die Sehne also in dem engen Ringband hin und her. Bei einer Überbelastung der Hand, oft beruflich bedingt, kann sich die Sehnenscheide entzünden. Die Beugesehne schwillt an, entwickelt eine Verdickung und passt nicht mehr durch das Ringband. Dieses kann bei einer Ringbandstenose zusätzlich verengt sein. Versucht der Betroffene nun, seinen Finger zu strecken, funktioniert dies nicht. Die geschwollene Stelle der Sehne bleibt am Ringband hängen. Erst mit deutlicher Anstrengung oder nach Massieren der Hand quetscht die knubbelige Stelle sich mit einem Ruck hindurch. Der Finger schnellt unkontrolliert in die Streckhaltung – daher rührt der Name Schnappfinger. Diese Tendovaginitis stenosans ist meist schmerzhaft.

Ursachen Das Karpaltunnelsyndrom ist die bekanntere Überlastungsreaktion der Hand, dennoch tritt auch der schnellende Finger immer häufiger auf. Schätzungsweise drei Prozent der Bevölkerung leiden darunter. Vor allem bei den 55- bis 60-Jährigen tritt er gehäuft auf, bei Frauen sechsmal öfter als bei Männern. Ursachen können genetisch bedingt sein oder aus altersbedingtem Verschleiß resultieren. Oft sind auch immer gleiche Bewegungsabläufe schuld.

Rheumatische Erkrankungen und Diabetes erhöhen das Risiko, eine Tendovaginitis stenosans zu erleiden. Mittel-, Ring- und Zeigefinger sind am häufigsten betroffen. Meist kündigt der Schnappfinger sich an, bevor es zu der charakteristischen Blockade kommt: Erste Anzeichen sind ein tastbares Knötchen in der Hand, Schmerzen in der Handfläche, Gelenkschmerzen in den Fingern bei Bewegung oder Druck, Ziehen an der Seite eines Fingers oder Steifigkeit. Die Beschwerden sind morgens nach dem Aufstehen am stärksten, da die Beugesehnen aus der Ruhehaltung heraus noch nicht gedehnt sind.

Behandlung Die Diagnose des Springfingers erfolgt meist allein durch Beobachten und Abtasten der Hand; die Schnappbewegung ist eindeutig. Therapeutisch stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Gegen die Entzündung der Sehne kann ein Diclofenacoder Ibuprofengel aufgetragen werden, Kühlen kann helfen, ebenso wie leichte Massagen der verdickten Stelle. Eventuell injiziert der Arzt auch ein Corticoid. Durch gezielte Dehnübungen und Faszienrollmassagen kann gemeinsam mit einem Physiotherapeuten die Sehne gedehnt werden, sodass die verdickte Stelle wieder durch das Ringband passt. Durch Ruhigstellung des Triggerfingers mittels Schiene oder Tapeverband hingegen konnten bislang keine Erfolge erzielt werden. Im Gegenteil: Wird die Sehne nicht bewegt, kann sie weiter verkürzen.

OP: Ultima ratio Helfen die antiinflammatorischen und physiotherapeutischen Maßnahmen nicht, kommt auch eine Operation in Frage. Dabei wird unter lokaler Betäubung das Ringband durchtrennt, an dem die verdickte Sehne hängen blieb. Der Schnitt durch die Haut ist lediglich 1 bis 1,5 Zentimeter lang und der Eingriff dauert in der Regel nur zehn Minuten. Auch das Gleitgewebe um die Sehne herum wird entfernt, sofern es stark entzündet ist. Da der Operierte bei Bewusstsein bleibt und Handbewegungen möglich sind, kann der Chirurg schon während des Eingriffs kontrollieren, ob seine Arbeit erfolgreich ist. Noch am gleichen Tag beginnt der Patient mit leichter Bewegung des operierten Fingers, damit seine Sehnen nicht verkleben.

Allerdings raten viele Ärzte mittlerweile erst als letzte Maßnahme zur Operation, da es zu Verletzungen der Nervenbündel in der Hand und damit zu erheblichen Einschränkungen kommen kann. Auch im Anschluss an einen Eingriff muss eine Mobilisation durch Krankengymnastik erfolgen. Da diese allein, ohne den Schnitt, meist schon erfolgreich ist, stellt sich für viele die Frage nach der Sinnhaftigkeit der OP.

Die Schmerzspezialisten Liebscher und Bracht empfehlen, bei den Dehnübungen auf einer Schmerzskala von eins bis zehn bis an die neun heran zu gehen und das Training an sechs Tagen pro Woche zu wiederholen, im Idealfall morgens und abends. Das verlangt dem Betroffenen einiges an Geduld und Disziplin ab, doch die Heilungschancen stehen damit gut – besonders, wenn man frühzeitig mit den Übungen beginnt.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/2020 ab Seite 70.

Gesa Van Hecke, PTA/Redaktionsvolontärin

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