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Problemkeime

EIN NEUES SCHRECKGESPENST

An einer Infektion mit dem „Krankenhauskeim“ MRSA sterben hier zu Lande jährlich etwa 5000 Menschen. Jetzt werden allerdings weitere multiresistente Erreger in der Altenpflege zum Problem.

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Die Namen klingen wie aus einem Science-Fiction-Film: ESBL und 4MRGN. Doch die Gefahr ist längst schon real. Anders als die gefürchteten, grampositiven MRSA-Keime , die heute in Krankenhäusern für zahlreiche schwer zu behandelnde Infektionen sorgen, breiten sich die neuen gramnegativen Problemkeime hauptsächlich in Altenpflegeheimen aus. Harnkatheter scheinen dabei als Infektionsquelle eine große Rolle zu spielen.

Krankenhauskeim versus Pflegeheimkeim Bei Staphylococcus aureus handelt es sich um ein grampositives Bakterium, das bei jedem Dritten auf der Haut oder den Schleimhäuten des Nasen-Rachen-Bereichs siedelt, ohne Krankheitssymptome auszulösen. Gefährlich kann es jedoch werden, wenn die Hautbarriere geschädigt ist und der Erreger in Wunden eindringen kann. Kommt dazu noch ein geschwächtes Immunsystem, kann sich das Bakterium schnell im Körper ausbreiten.

Bekämpfen lasen sich Staphylokokken mit Antibiotika, allerdings gibt es bereits multiresistente Stämme, die nur noch auf wenige Antibiotika ansprechen und somit zu lebensbedrohlichen Komplikationen wie etwa Sepsis führen können. Ein Mechanismus, mit dem Bakterien gegen Antibiotika resistent werden können, ist die Produktion von Betalactamase. Das Enzym spaltet den in verschiedenen Antibiotika vorhandenen Betalactamring, sodass sie ihre Wirkung verlieren.

Normalerweise funktioniert das nur bei einem oder wenigen Antibiotika, nicht jedoch im Fall ESBL. Bei diesen gramnegativen Bakterien ist das ursprüngliche Betalactamasegen durch Punktmutation so verändert, dass ihnen ein deutlich größeres Spektrum an Antibiotika nichts anhaben kann. Hierher rührt auch ihr Name, denn ESBL steht für Extended-Spectrum-Betalactamase. Die Keime sind heute bereits resistent gegen Penicilline, Monobactame und Cephalosporine.

ESBL-KEIME
Dazu gehören zum Beispiel E. coli-Bakterien, die für Magen-Darm-Krankheiten verantwortlich sind, Klebsellien, die Harn- oder Atemwegsinfektionen auslösen können oder Salmonellen, die Gastroenteritis und Brechdurchfall, aber auch Typhus hervorrufen.

Selbst Substanzen wie Clavulansäure, Sulbactam und Tazobactam, die als Betalactamase- Inhibitoren speziell auf diese Erreger zugeschnitten sind, wirken zwar noch im Labor, aber meist nicht mehr in der klinischen Praxis. Bei vielen ESBL-Infizierten muss schon früh auf Reserveantibiotika wie etwa Carbapeneme zurückgegriffen werden. Verschärft wird die Situation noch dadurch, dass die Erreger ihr Resistenzgen auch an andere Arten von Bakterien weitergeben können.

Gefährlichster Keim bisher noch Zukunftsmusik Noch mehr als ESBL fürchten Hygieniker 4MRGN, also vierfach resistente gramnegative Stäbchen, da diese nicht einmal mehr auf Reserveantibiotika ansprechen. In der Praxis wurden diese Erreger zwar noch nicht gefunden, doch Experten sind sich sicher, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis diese hochgefährlichen Keime in Pflegeheimen zum Alltag werden.

Hausgemachtes Problem Wurden die Multiresistenzen von Staphylococcus aureus zum größten Teil durch den übermäßigen Einsatz von Antibiotika in der Tiermast verursacht, sieht es bei den ESBL-Erregern anders aus. Hier machen Experten die Humanmedizin verantwortlich. Antibiotika würden leichtsinnig und viel zu schnell verschrieben.

Unterschiedliche Hygienevorschriften Harnwegsinfektionen, die vor allen Dingen in der Altenpflege sehr häufig sind, werden fast immer mit Fluorchinolonen bekämpft, einer Gruppe von Antibiotika, gegen die 4MRGN ebenfalls resistent sind. Und da ESBL und 4MRGN hauptsächlich Keime der ambulanten Pflege sind, können sie sich durch mangelnde Hygiene rasend schnell ausbreiten. So werden beispielsweise viele Pflegebedürftige mit nicht-medizinischen Krankentransporten befördert, die nicht den strengen medizinischen Hygieneregeln unterliegen, sondern denen von Taxi- und Beförderungsunternehmen.

Das heißt: Eine gründliche Reinigung nach einer erfolgten Krankenfahrt ist freiwillig und nicht unbedingt die Regel. Dadurch werden multiresistente Keime immer weiter in die Umgebung getragen, was bei einem tatsächlichen Aufkommen von 4MRGN verheerende Folgen haben könnte.

ESBL bereits in Lebensmitteln gefunden Für ESBL gibt es eine weitere erschreckende Neuigkeit: Der Keim hat es nun auch über das Grundwasser in die Nahrungskette geschafft. In einer von der Grünen-Bundestagsfraktion Ende Mai in Auftrag gegebenen Stichprobe fanden sich bereits in 10 von 63 Wurstsorten ESBL-Bakterien. Ärzte und Patienten stehen also mit den neuen Resistenzen von gramnegativen Erregern vor einem neuen, hausgemachten Problem. Die Wunderwaffe Antibiotikum könnte bald zum stumpfen Schwert werden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/14 ab Seite 110.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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