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Eduard Gerlach GmbH | Diabetisches Fußsyndrom

DER NEUE GEHWOL DIABETES REPORT 2023

Menschen mit Diabetes steht inzwischen ein ganzes Netz an Versorgungsangeboten zur Verfügung, um die Erkrankung und ihre Begleiterscheinungen zu behandeln. Dennoch zeigt sich immer noch, dass ein Drittel der in Behandlung befindlichen Diabetespatienten ein hohes Risiko trägt, an einem besonders gefährlichen diabetischen Fußsyndrom zu erkranken.

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Ursächlich für seine Entstehung ist ein komplexes Zusammenspiel aus Nervenschädigungen, Gefäßinsuffizienz und einem geschwächten Immunsystem. Im schlimmsten Fall führen derartige Prozesse zu einer vollständigen oder teilweisen Fuß-Amputation. (1) Noch immer finden etwa 70 Prozent aller Amputationen bei Diabetikern statt. (2) Dieses bekannte Gesundheitsproblem wird im aktuellen GEHWOL Diabetes-Report adressiert. (3)

Immerhin: fünf von sechs Diabetes-Patienten wissen eigenen Angaben zufolge von der Erkrankung und sind vorgewarnt. Doch zwischen Selbst- und Ärzteeinschätzung klafft offenbar eine Lücke. Denn die befragte Ärzteschaft, zu der neben Hausärzten auch Diabetologen und Endokrinologen gehören, gibt indes an, dass im Schnitt immerhin vier von zehn Patienten ihren Füßen keine besondere Beachtung schenken.

Diese und weitere Erkenntnisse zu Untersuchungsmaßnahmen und Disease Awareness sind dem diesjährigen GEHWOL Diabetes-Report zu entnehmen. Anders als die vergangenen Reports, die ausschließlich die Sichtweise der Ärzte widerspiegelten, enthält er nun auch die Einschätzungen von 500 Diabetespatienten.

Weiterentwicklung des Diabetes-Reports

Der Diabetes-Report ist eine zweijährlich stattfindende Bestandsaufnahme des führenden Fußpflegespezialisten Eduard Gerlach GmbH (GEHWOL) in Kooperation mit Statista. Über eine Online-Befragung konnten in der aktuellen Welle 120 Ärzte und erstmals 500 Patienten rekrutiert werden. Ärzte und Patienten erhielten jeweils zwei unterschiedliche Fragebögen mit vergleichbaren Fragestellungen.

Die Rekrutierung der Patienten fand dabei durch einen Online-Fragebogen im Zeitraum Mai und Juni 2023 statt. Durch die Einbeziehung der Patienten in die Erhebung schafft der GEHWOL Diabetes-Report nicht nur eine größere Datengrundlage. Vielmehr tragen Angaben von Patienten dazu bei, einen anderen Blickwinkel auf das Thema zu bekommen und ein besseres Verständnis über die Wirkung von Prävention und Versorgung zu entwickeln.

Die Ergebnisse geben eindrucksvoll zu erkennen, wie sich die Sichtweise der Ärzte zur Einschätzung ihrer Patienten hinsichtlich wichtiger Parameter wie der Disease Awareness im Vergleich zu den Vorjahren unterscheidet bzw. weiterentwickelt hat. Zudem lässt der Bericht Rückschlüsse zu, wie weit bei Themen wie Adhärenz, dem regelmäßigen Gang zur Untersuchung, Wissen über Begleiterkrankungen, Präventionsmaßnahmen etc. die Ärztesicht und Selbsteinschätzung der Patienten auseinanderliegen.

Vielfältige Begleitbefunde bei Diabetes-Patienten

Die Ärzte beobachten bei Ihren Patienten regelmäßig eine große Bandbreite an Beschwerden. Hierzu zählen Neuropathie, mangelnde Hautdurchblutung, trockene Haut und eine Druckfehlbelastung der Füße. All diese Befunde stellen begünstigende Faktoren für schwerwiegende Nervenerkrankungen, wie z.B. den Diabetischen Fuß dar, der nach wie vor für einen Großteil der jährlichen Amputationen verantwortlich ist.

Um schwerwiegende Begleiterkrankungen frühzeitig vorzubeugen, bedarf es regelmäßiger Untersuchungen sowie Sensibilisierung für die Diabeteserkrankung auf Seiten der Patienten. Hier äußert die Ärzteschaft, dass lediglich 60 Prozent der Patienten wissen, dass sie auf ihre Füße achten müssen.

Jeder Vierte nimmt seltener als einmal im Jahr die empfohlenen Kontrolluntersuchungen in Anspruch. Das ist insofern bemerkenswert, da immerhin 94 Prozent der Patienten angeben, sie wüssten, dass eine Diabeteserkrankung auch zu Fußfolgekomplikationen führen kann. 61 Prozent haben Angst davor, dass sich der Zustand der eigenen Fußgesundheit verschlechtert.

Untersuchungsmaßnahmen des Arztes weiter umfangreich

Im Rahmen eines Disease Management Programms (DMP) ist eine eingehende Untersuchung des Fußes vollumfänglich vorgesehen. (4) Diese wird aber von den Fachgesellschaften generell für jede ärztliche Untersuchung empfohlen. Dem Arzt steht hierfür eine große Palette an Maßnahmen zur Verfügung. Auch hierzu gibt der Diabetes-Report Auskunft.

Zu den ärztlichen Untersuchungen gehören neben der allgemeinen Anamnese das Messen der Hauttemperatur, das Prüfen der Schuhe oder die Palpation der Fußpulse. Bleiben Fußpulse aus, gilt dies als ein Warnzeichen für den Diabetischen Fuß.

Beruhigend: Sind Fußpulse nicht tastbar, führen alle Ärzte eine Anschlussdiagnostik durch oder überweisen direkt zum Spezialisten. 84 Prozent tun dies zumindest teilweise sogar, wenn die Fußpulse tastbar sind. Fast alle zur Verfügung stehenden Untersuchungsmaßnahmen werden von der überwältigenden Mehrheit der Ärzte befürwortet und auch angewandt. Einschränkend muss festgehalten werden, dass einige Maßnahmen wie die Kontrolle des Hautstatus, Überprüfung der Muskulatur, das Vorliegen von Fußdeformitäten sowie der Schuhqualität zwar von den Ärzten durchgeführt werden, die Kontrolle aber nicht bei jedem Arztbesuch erfolgt – so wie empfohlen.

Die regelmäßige Fußkontrolle ist sehr wichtig. Doch manchmal ist ein Fußulkus schon zu weit fortgeschritten und eine Amputation ist medizinisch angezeigt. Durch eine Gesetzesänderung haben Patienten seit Mai 2021 die Möglichkeit, sich eine Zweitmeinung bei dieser gravierenden Diagnose einzuholen. (3)

In diesem Zusammenhang geben 58 Prozent der im GEHWOL Diabetes-Report befragten Ärzte an, dass sie jedem Patienten vor einer Fußamputation zu einer Zweitmeinung raten, unter den Diabetologen/Endokrinologen sind es sogar 67 Prozent. Nur 8 Prozent raten grundsätzlich von einer Zweitmeinung ab. Der Rest rät zumindest bestimmten Patienten zu dieser Absicherungsdiagnose.

Prävention auf mehrere Schultern verteilen

Ärzten fällt neben der Befundung vor allem eine wichtige Rolle in der Prävention zu. Für die Patientinnen und Patienten ist ihr behandelnder Arzt die wichtigste Informationsquelle vor den Medien und ihren Angehörigen. Somit liegt es auch an den Ärzten, gute Präventionsarbeit zu leisten. Oft steht hierfür nur ein geringes Zeitfenster zur Verfügung. Immerhin zwei Drittel aller Ärzte klären ihre Diabetes-Patienten über selbst durchzuführende Fußpflegemaßnahmen auf und empfehlen auch die Weiterbehandlung bei einem spezialisierten Podologen; in vielen Fällen (39 Prozent) auch dann, wenn kein Rezeptanspruch besteht.

Die Ärzteschaft spricht sich mehrheitlich für eine Evaluation der Präventionsangebote aus, die insbesondere die psychosoziale Situation der Patienten inkludiert. (5) Zudem sollen eine bessere Vergütung der Spezialberufe bei gleichzeitiger Klärung der Kostenübernahme durch Erhöhung der Krankenkassenzuschüsse dazu beitragen, das Versorgungsangebot weiter zu verbessern. Als wichtigste Einzelmaßnahmen werden dabei Diabetiker-Schulungen und die podologische Vorsorge genannt.

Um Patienten hierfür zu erreichen, ist für Ärzte besonders die breite Aufklärung in den Massenmedien von Bedeutung. Aber auch Fachpersonal und Krankenkassen wird diese Kompetenz zugeschrieben. Die Verteilung von Prävention auf die Schultern verschiedener Akteure kann also einen Beitrag dazu leisten, die tägliche Eigenkontrolle der Füße durch die Patienten zu erhöhen. Ein Bewusstsein zur Fußpflege ist hierfür Voraussetzung.

Einmal mehr zeigt sich dabei jedoch eine Diskrepanz: Einerseits geben 85 Prozent der Patienten an, dass ihnen Fußpflege wichtig oder sehr wichtig ist, andererseits verteilen die meisten Ärzte (48 Prozent) ihren Patienten bei diesem Thema allenfalls die Schulnote befriedigend. Auch wissen laut Ärzteeinschätzung annähernd die Hälfte der Patienten nicht, dass sie auf ihre Füße achten müssen oder was ein Fuß-Ulkus ist und wie er entsteht. Die Schuhversorgung und Maßnahmen zur Druckentlastung beurteilen Mediziner ebenfalls mehrheitlich mit höchstens befriedigend.

Fußpflegeprodukte leisten einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit

Mehr Hingabe wünschen sich die meisten Ärztinnen und Ärzte für ihre Patienten auch bei der Verwendung von Fußpflegeprodukten. Doch worauf kommt es bei einem guten Fußpflegemittel eigentlich an? Es sollte einen positiven Einfluss auf die Mikrozirkulation der Haut haben, sagen 82 Prozent der Ärzte – wissend, dass etwa 1/3 ihrer Patienten unter Neuropathie leidet, bei 26 Prozent mit Ausbildung einer Mikroangiopathie (mangelnde Hautdurchblutung) als diabetestypische Ursache von Hauttrockenheit (32 Prozent).

Diese sog. Xerosis steht häufig am Beginn einer Kaskade von Problemen, die sich zum Diabetischen Fußsyndrom weiterentwickeln können. Ein Nachweis der Wirksamkeit von Pflegeprodukten wird ebenfalls gern gesehen (74 Prozent). Weiterhin ist der Urea-Gehalt ein Indikator für eine Empfehlung. Dieser sollte laut ärztlicher Einschätzung bei trockener Haut bei 10 Prozent und bei Hornhaut darüber liegen.

Lipidhaltige Cremes werden unter den Formulierungen (38 Prozent) favorisiert. Doch die beste Creme hilft nichts, wenn sie nicht regelmäßig aufgetragen wird. Unter den am häufigsten angewandten Fußpflegemaßnahmen nennen die Patienten zu jeweils gut zwei Drittel das Eincremen und das regelmäßige Kontrollieren der Füße auf Verletzungen und Hautauffälligkeiten. Knapp ein Viertel (26 Prozent) der Befragten pflegt die Füße hingegen unregelmäßig bis nie.

Sozioökonomischer Status spielt entscheidende Rolle bei Fußpflege

Um Fußpflege konsequent und wirksam zu betreiben, bedarf es Zeit und Geld. Die Patientenbefragung liefert für den Report hierzu erstmals interessante Rückschlüsse hinsichtlich des Zusammenhangs von sozioökonomischem Status und Fußpflegemaßnahmen. 51 Prozent der Patientinnen und Patienten mit einem Haushaltseinkommen von unter 2.000 € suchen generell keinen Podologen auf. Bei den Personen mit einem Haushaltseinkommen von über 4.000 € beträgt dieser Anteil nur 17 Prozent.

Podologische Leistungen werden nur bei entsprechendem Hautbefund von der Krankenkasse übernommen. Knapp die Hälfte (46 Prozent) der Befragten gibt an, dass sie alle podologischen Leistungen selbst zahlen, beim einkommensschwächsten Personenkreis sind es immerhin noch gut ein Viertel der Befragten. Andererseits empfehlen 39 Prozent der Ärzte eine podologische Komplexbehandlung auch nur dann, wenn ein Verordnungsanspruch besteht und ein Rezept ausgestellt werden kann.

Gleiches gilt für biomechanische Untersuchungen in einer orthopädieschuhtechnischen Einrichtung, die ohne Rezept nur von 42 Prozent der Ärzte empfohlen wird. Der Diabetes Report zeigt noch einmal deutlich, dass Patienten und Ärzte unterschiedliche Einschätzungen und Einstellungen zum Gesundheitsbewusstsein haben. Für die Prävention gilt laut den Ärzten Folgendes:

  • Praxen, die an ein Fußnetz angeschlossen sind, klären häufiger alle ihre Patienten auf als Praxen, die keinem Fußnetz angehören.
  • Zu den meist empfohlenen Maßnahmen, die der Patient selbst umsetzen kann, gehören die Untersuchung von Füßen und Schuhen, das Eincremen und das gerade Abschneiden der Zehennägel.
  • Das Risikobewusstsein des Patienten ist der entscheidende Faktor zur Verhinderung von Fußfolgekomplikationen.
  • Eine Verringerung des Risikos kann durch einfache Maßnahmen erreicht werden wie z. B. Druckentlastung, Diabetikerschulungen und eine adäquate podologische Versorgung.

Zum GEHWOL Diabetes-Report 2023


Quellen: 
(1) Mohamad A. et al. Population-based secular trends in lowerextremity amputation for diabetes and peripheral artery disease. CMAJ Sep 2019; 191 (35): E955-E961; DOI: 10.1503/cmaj.190134
(2) Eckhard, M. Deutsches Ärzteblatt 2023 (120) Nr. 19 A864-A870.
(3) GEHWOL Diabetes-Report 2023. Strukturierte standardisierte schriftliche Befragung mit n = 500 Patienten sowie n = 120 Ärzte. Erhebung und Auswertung durch Statista. April bis Juni 2023. Im Internet: https://www.gehwol.de/Aktuelle...
(4) Gemeinsamer Bundesausschuss. 2022. Richtlinie zum Disease Management Programme, Diabetes Mellitus abrufbar unter: https://www.g-ba.de/downloads/...
(5) Hilienhof, A. Deutsches Ärzteblatt 2016; Diabetes: Ärzte betonen die Bedeutung der Prävention. 113(15): A-693 / B-585 / C-577

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