© Die PTA in der Apotheke
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Interview mit Christine Heiniger

DIE ZAUBERPFLANZEN VON HARRY POTTER

Mit den Büchern und Filmen verzauberte der junge Magier Millionen von Fans weltweit. Im Botanischen Garten Bern finden sogar entsprechende Führungen statt, erklärt die Pflanzenökologin Christine Heiniger.

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Alraune, Blutblasenschote oder Weinraute – sind alle Zauberpflanzen bei Harry Potter erfunden?
Viele der Pflanzen, die in den Harry-Potter-Büchern vorkommen, sind real. So ist beispielsweise die Weinraute ein bis zu einem Meter hoher Halbstrauch aus der Familie der Rautengewächse und in Südeuropa heimisch. Ebenso real ist das Nachtschattengewächs Alraune (Mandragora officinarum). Bei der Auswahl der Pflanzen für ihre Geschichten ging die Autorin Joanne K. Rowling sehr sorgfältig vor und hat sich wahrscheinlich intensiv mit den Gewächsen, ihren Eigenschaften und ihrer Geschichte befasst.

So galten viele auch bei uns im Mittelalter als so genannte Hexen- und Zauberpflanzen. Dass ausgerechnet die Alraune bei Harry Potter auftaucht, ist deshalb nicht verwunderlich: Sie war die wohl mächtigste Zauberpflanze zur damaligen Zeit. Die dicken, gegabelten Wurzeln, die mit etwas Fantasie einer menschlichen Gestalt ähneln, wurden als Talisman verwendet, der dem Besitzer Reichtum, Glück und Gesundheit bringt, und ebenso bei Liebeszaubern eingesetzt.

Es kommen in den Harry-Potter-Geschichten aber auch viele erfundene Pflanzen vor, so beispielsweise die Fangzähnige Geranie, die Teufelsschlinge und ebenso die Blutblasenschote. Wahrscheinlich hat sich Joanne K. Rowling aber auch bei diesen Fantasiepflanzen von der Realität inspirieren lassen. So gibt es in Südamerika einen Blasenschotenbaum (Sacoglottis amazonica), der wahrscheinlich als „Vorbild“ für die Blutblasenschote galt.

Stimmen die „realen“ Eigenschaften der jeweiligen Pflanze mit denen bei Rowling überein – ist die Alraune wirklich so gefährlich?
Was die Eigenschaften der Pflanzen anbelangt, so wurde vieles von der Autorin erfunden, vieles entstammt aber auch aus alten Legenden „unserer“ Welt. Dass der Schrei der Alraune tödlich ist, war im Mittelalter ein sehr verbreiteter Aberglaube. Sie ist jedoch kein ungefährliches Gewächs, da sie sehr giftig ist. Der Verzehr von nur geringen Mengen kann zu Atemlähmung und zum Tod führen.

Welche der Pflanzen bei Harry Potter hat auch heute noch eine Bedeutung?
Baldrian (Valeriana officinalis), der im Buch für den „Trank der lebenden Toten“ verwendet wird, einem sehr starken Schlafzaubertrank, wird auch heute noch in der pharmazeutischen Industrie verwendet, als Arznei gegen leichte Schlafstörungen und nervösen Beschwerden. Beifuß (Artemisia sp.) benötigt Harry ebenso für den „Trank der lebenden Toten“. Der Gemeine Beifuß (Artemisia vulgaris) wie auch der Wermut (Artemisia absinthium) enthalten Bitterstoffe, die Appetit und Verdauung anregen.

Die Brennnessel (Urtica dioica) benutzt Harry für einen Zaubertrank gegen Furunkel. Das Brennnesselkraut und die Wurzel wirken leicht harntreibend und allgemein stoffwechselanregend. In der Volksheilkunde wird das frische Kraut bei rheumatischen Beschwerden eingesetzt, währenddem die Wurzel als Extrakt bei Prostatabeschwerden im Frühstadium Verwendung findet.

Salbei (Salvia sp.) wird im Roman von den Zentauren zur Vorhersage der Zukunft benutzt. Bei uns wird er vor allem erfolgreich als Gurgel- und Spülmittel bei Entzündungen im Mund und Rachenraum (z. B. bei Angina) eingesetzt. Der lateinische Name des Salbeis leitet sich übrigens vom Wort „salvare“ für „heilen“ ab.

Ingwer (Zingiber officinale) ist bei Harry Potter eine wichtige Zutat für den „Gripsschärfungstrank“. Bei uns wird er vor allem wegen seiner Wirkung gegen Übelkeit und Erbrechen geschätzt.

Die Holzarten der Zauberstäbe – findet man diese auch in heimischen Gärten?
Außer Mahagoni (der Zauberstab von Harrys Vater) sind alle Gehölze der Zauberstäbe – Stechpalme (Harry Potter), Weinrebe (Hermine Granger), Esche (Ron Weasley), Eibe (Lord Voldemort), Eiche (Hagrid) usw. auch bei uns zu finden, sowohl in der Natur als auch in Gärten.

Auch die Gehölze der Zauberstäbe wurden von der Buchautorin nicht zufällig ausgewählt. So sind die Zauberstäbe von Harry, Hermine und Ron aus dem Holz desjenigen Baumes, der nach dem keltischen Baumkalender zu ihrem jeweiligen Geburtstag gehört. Zudem wurde die Stechpalme, aus der Harrys Zauberstab gefertigt ist, von altersher als heiliger Baum geehrt (daher der englische Name „Holly“), der vermag, Böses abzuwehren. Eiche wiederum passt hervorragend zum riesenhaften, „knorrigen“ Hagrid. Sie galt schon immer als Symbol von Schutz und Kraft. Und Eibe – der tödlich giftige Nadelbaum – passt zum Bösewicht Lord Voldemort.

Wie kam es zu den speziellen Führungen rund um die Zauberpflanzen von Harry Potter?
Die Idee stammte von unserer Gartenpädagogin Marianne Schmitt. Gerade Stadtkindern fehlt heutzutage oft der Bezug zur Natur. Da die Geschichte des Harry Potter die meisten Kinder fasziniert, sind die Bücher ein hervorragendes Mittel, um ihnen die Welt der Pflanzen näherzubringen. Mithilfe von Harry Potter lernen sie nicht nur einige wichtige Heilpflanzen kennen, sondern werden vor allem auch in Bezug auf die Giftigkeit von Pflanzen sensibilisiert.

Welches ist Ihre persönliche Lieblings-Zauberpflanze?
Meine Lieblingspflanze in den Harry-Potter-Büchern ist der Diptam (Dictamnus albus), ein einheimisches, aber seltenes Rautengewächs. Im Roman bewährt er sich als Zaubertrankzutat gegen Hautwunden verschiedenster Art. In der Realität hat der Diptam keinerlei wundheilende Wirkung. Trotzdem ist er eine spezielle Pflanze, die ihren Platz in einem Buch über Zauberer und Hexen durchaus verdient.
 

VITA
Christine Heiniger (*1976) hat nach mehreren Berufsjahren als diplomierte Pflegefachfrau im Berner Universitätsspital an der dortigen Universität Biologie mit Schwerpunkt Pflanzenökologie studiert. Seit einem Jahr arbeitet sie im Botanischen Garten Bern an ihrer Doktorarbeit, in der sie sich intensiv mit Forschung in Botanischen Gärten und Alpenvegetation beschäftigt. Christine Heiniger unterrichtet außerdem PharmaziestudentInnen zum Thema Heilpflanzen und bietet Führungen im Botanischen Garten Bern an.

Diptam enthält so viel ätherisches Öl, dass sein zitronenähnlicher Duft schon von weitem gerochen werden kann. Zudem kann es vorkommen, dass sich die Öle bei großer Hitze und Windstille von selbst entzünden. Eine Pflanze, die ohne sichtbare äußere Einwirkung in Flammen aufgeht, das finde ich schon ziemlich „zauberhaft“.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/11 ab Seite 86.

Das Interview führte Dr. Petra Kreuter, Redaktion

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