Der Apothekenkrimi

DIE SPANISCHE FLIEGE – LETZTER TEIL

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Kapitel 10 Am nächsten Tag hatte die Apotheke Notdienst. Da das bedeutete, dass die Apotheke 24 Stunden lang geöffnet sein würde, hatte sich Britta während der Mittagszeit ins Nachtdienstzimmer zurückgezogen. Dort war sie für dringende Fälle erreichbar, konnte aber ein wenig vorschlafen. Normalerweise nickte sie ein, sobald ihr Kopf das blau-weiße Sofa berührte. Doch heute war sie von einer seltsamen Fiebrigkeit befallen. Würde es ihr heute Abend auf der Veranstaltung von Ems Zeitung endlich gelingen, das Rätsel um die Spanische Fliege zu lösen? Immerhin waren alle Tatverdächtigen geladen. Und Britta, die vor einem der Bilder des Malers Dombrowski eine unklare Vorahnung befallen hatte, wollte diese Tatsache nutzen. Sie musste herausfinden, ob das Motiv derjenigen Person, die sie verdächtigte, ausreichte, um den Tod eines Menschen zu planen. Um neun würde Billie kommen, um sie abzulösen.

Dann würde sie mit Robert zum Verlagsgebäude fahren und am Sommerfest der Zeitung teilnehmen, einem gesellschaftlichen Ereignis, zu dem sie normalerweise nicht geladen war. Denn dort gaben sich Landrat, Fraktions- und Verbandsvorsitzende sowie die Vertreter der obersten Behörden und wichtigsten Wirtschaftsgrößen die Klinke in die Hand. Wer dort auflief, galt als wichtig; garniert wurde die Schar der Seriösen durch ein paar bunte Vögel, die der ganzen Sache die Würze gaben. Das waren Menschen, die im vergangenen Jahr von sich reden gemacht hatten: Sportler, Köche, Künstler waren dabei, aber auch ein verrückter Frisör, dessen Extensions die Fashion-Blogs begeisterten, und ein Tierarzt, der einen Stammplatz in einer Doku-Soap ergattert hatte. Und eben die Beteiligten an jenem mörderischen Dinner, dem Professor Hans Ferdinand zum Opfer gefallen war. Soweit Britta wusste, wollten sie alle kommen: Albert Zurmuehl-Wiedenhausen mit Gattin Gertrud, Dr. Thomas Wennerhold und seine Frau Miriam.

Em, die Journalistin war sowieso da. Und natürlich Britta mit ihrem Robert. Als hielte der Abend den Atem an, begann er ruhig. Ein einziges Mal klingelte die Notdienstglocke; Britta gab ein Antibiotikum für ein krankes Kind heraus. Die Uhr zeigte 20.30 Uhr, als Billie erschien und mit ihr Robert. Billie war hingerissen von dessen Erscheinung und machte keinen Hehl daraus. „Sie sind ein schöner Doktor“, sagte sie nachdenklich mit schief gelegtem Kopf und der ihr eigenen Offenheit. „Sie müssen gut auf ihn aufpassen, Chefin.“ „Sehr charmant“, antwortete er, nahm ihre Hand und deutete einen Handkuss an. „Aber ich glaube, das wird heute Abend eher umgekehrt sein. Ich werde Britta wahrscheinlich von potenziellen Meuchelmördern, charismatischen Chefredakteuren und professionellen Eintänzern losreißen müssen. Wer weiß, in welche Verwicklungen wir da wieder geraten. Ich rechne mit dem Schlimmsten.“

„Ach was“, warf Britta ein, die genau fühlte, dass sie bis unter die Haarwurzeln errötet war. „Es wird vielleicht ein bisschen… interessant, nichts weiter. Du glaubst doch wohl nicht, dass wir dort irgendwelche spektakulären Enthüllungen erleben werden.“ „Naja, immerhin ist der Polizeipräsident auch anwesend“, sagte Robert leichthin. „Das beruhigt mich ein bisschen. Er wird ja wohl hoffentlich die Nummer des diensthabenden Kommissars in seinem Handy haben.“ „Quatschkopf“, sagte Britta zärtlich. Bevor sie gingen, öffnete sie noch einmal die Tür zur Rezeptur und steckte die Kruke, die dort auf der Arbeitsplatte stand, in ihre Handtasche. Zum Sommerfest einer Zeitung gehört immer auch Glück mit dem Wetter. „Letztes Jahr“, flüsterte Em Britta und Robert zu, „haben wir mit dem Prosecco in der Hand in der Grafik-Abteilung herumgestanden, weil die eine verglaste Front zum Innenhof hat. Draußen regnete es in Strömen und zu allem Überfluss fuhr auch noch der Blitz in den Verstärker der Band. Es war furchtbar. Wir Redakteure hatten die Aufgabe, die Gäste bei Laune zu halten. Ich sag‘ dir, da schreib ich lieber ‘ne fünfteilige Serie über den Frankfurter Haushaltsplan.“

Was bisher geschah
Dr. Hans Ferdinand wurde während eines Galadinners auf perfide Weise ermordet und Britta Badouin war Zeuge – logisch, dass sie alles daran setzt, den Mörder zu finden. Denn schon zweimal zuvor hat die Apothekerin ein Verbrechen aufklären können. Bereits im „Mord am Mainufer“ und beim „Tod im Labor“ blieb der Schuldige nicht unentdeckt. Alle Beteiligten der „Spanischen Fliege“ sind beisammen, man sieht sich beim Sommerfest einer Zeitung wieder und Britta verfügt endlich über die eine entscheidende Information, die den Mörder überführt. Zwischen Fingerfood und weinhaltigen Getränken stellt sie ihn zur Rede. Wie gut, dass auch der Polizeipräsident geladen ist…

Regen, so stand es im Wetterbericht der Frankfurter Zeitung zu lesen, hatte der redaktionseigene Meteorologe für heute Abend ausgeschlossen. Stattdessen wehte ein laues Lüftchen durch den japanisch angehauchten Garten im Innenhof, eingebettet in jene warme und wiesenduftende Atmosphäre, die diese Jahreszeit ausmacht - perfekt für einen lauschigen Sommerabend. Bedienstete des Caterers huschten in ihren wadenlangen schwarzen Bistro-Schürzen durch die Gästeschar, nahmen leere Gläser auf silberne Tabletts und tauschten sie durch volle aus. Unter einem Baldachin war ein wunderbares Buffet aufgebaut, Fingerfood vom feinsten; Britta lief das Wasser im Mund zusammen bei dessen Anblick. Sie hatte noch nichts gegessen. „Ist er da?“ fragte sie Em, als sich Robert kurz abgewandt hatte, um einen Kollegen zu begrüßen. „Ja, er ist gekommen. Und das hier hat er mir gegeben.“

Britta betrachtete die Tasche, die Em in der Hand hielt. Dann ließ sie ihre von der Schulter gleiten, nicht ohne vorher die Kruke herauszunehmen. „Hier“, sagte sie, „wir tauschen. Aber vorher zeigst du mir noch schnell den Kommissar.“ Em wies mit einem Kopfnicken in Richtung des dezent plätschernden künstlichen Wasserfalls. „Dort drüben steht er.“ „Er sollte unbedingt was trinken“, bemerkte Britta. „Sonst merkt ja jeder, dass er im Dienst ist.“ „Ich bring ihm schnell was.“ Em flitzte los, schnappte sich ein Sektglas mit O-Saft und drückte es dem Mann mit dem weißen Hemd und dem Späherblick in die Hand. Mit den dunklen Hosen sah der irgendwie aus wie ein Oberkellner, dachte Britta. Er sollte ja nicht unbedingt in Dienstkleidung auftauchen, aber so… Sie mischte sich mit Robert unters Volk und wurde schnell aufgenommen von der wogenden Menge. Sie wanderte von einem Grüppchen zum nächsten, wechselte Worte, lauschte dem Lounge Jazz der Band, flüsterte Robert etwas zu. Der sah erstaunt auf.

„Natürlich ist das in Ordnung“, murmelte er. Der Polizeipräsident war bereits sehr lange im Dienst. Er würde nächstens Jahr in Rente gehen und sein Nachfolger stand schon fest. „Ich schätze, bis elf hält er durch, dann schnappt er sich die Wodkaflasche“, wisperte Em Britta ins Ohr. Jedoch, der Alkohol hatte bereits das Gleichgewichtsorgan des Mannes durcheinandergebracht, das sah Britta mit einem Blick. Er stützte sich mit einer Hand am Stahlgestänge des Baldachins ab und bedachte jeden der vorbeikam, mit zutraulichem Lächeln und leicht glasigem Blick. So ist es recht, dachte Britta, und stellte sich neben ihn. „Ich kenn‘ Sie von irgendwoher“, sagte der Präsident mit nicht ganz sicherer Stimme. Britta richtete das volle Geschütz ihrer kajalumrandeten graugrünen Augen auf ihn. „Das schmeichelt mir ungemein“, sagte sie und lächelte ihn an. „Wissen Sie was?“ Der Präsident ließ die Stange los und machte einen Ausfallschritt.

„Ich hol uns jetzt mal was zu trinken, das ist ja eine furchtbar trockene Luft hier.“ „Sehr gern“, flötete Britta. Sie schaute ihrem Begleiter hinterher, aber nicht lange, denn er war in Rekordzeit wieder da. „Bitte sehr, schöne Frau.“ Und er überreichte feierlich ein Glas mit rubinroter Flüssigkeit. Normalerweise trank Britta Aperol furchtbar gern, nur heute Abend wollte sie einen klaren Kopf bewahren, deshalb nippte sie nur daran. „Kann es sein“, fragte sie nachdenklich, „dass wir uns im Rahmen unserer beruflichen Tätigkeiten einmal getroffen haben?“ „Ssind Sie auch von der Polizei?“ nuschelte der Präsident. „So ähnlich“, sagte Britta und legte kurz den Finger auf die Lippen, lächelte ihm dabei verschwörerisch zu. „Wir sind immer noch dabei, das Rätsel um den Mord beim Galadinner zu lösen, der Ferdinand, Sie wissen schon.“

„Ja, ehrlich“, sagte der Behördenchef erstaunt, „das is ja eine ganz komische Sache. Mein zuständiges Dezernat hat mir zu verstehen gegeben, dass die Falsche in U-Haft sitzt. Wir können das nicht mehr lange aus… aufrecht erhalten. Aber wer ist es gewesen?“ Britta legte eine Hand auf seinen Unterarm. „Wollen wir tanzen?“ fragte sie. Robert, dachte Britta, wäre nach dem heutigen Abend fällig für das Bundesverdienstkreuz, Sektion der Sitzengelassenen. Dass es mit dem Polizeipräsidenten solche Ausmaße annehmen würde, hatte sie nicht vorausahnen können. Nach dem zweiten Tänzchen, bei dem sie mehr oder weniger die Führung übernommen hatte, hatte ihr der Mann die ersehnten Sätze ins Ohr geflüstert. Endlich! Dass es aber auch so lange dauern musste… Britta hatte jetzt die Information, die sie brauchte. Aus den Augenwinkeln bekam Britta mit, wie Em die Schäfchen zusammengetrieben hatte: Wennerhold plus Frau, Albert Zurmuehl-Wiedenhausen und seine Gertrud standen nun in einer meditativ gestalteten Ecke mit Holzbank und kreisrund geharkten Kiesflächen.

Von links sabbelte der Chefredakteur auf die Wennerholds ein, von rechts mühte sich Em um den Professor. Gertrud ließ bereits ihre Äuglein schweifen, ob sich irgendwie die Flucht ergreifen ließe, denn sie langweilte sich sichtlich. Britta musste jetzt handeln. „Adalbert.“ Sie lächelte ihren Verehrer süß an; inzwischen war man beim Du. „Kommst du mit rüber? Ich möchte gern jemanden begrüßen.“ „Ich folge Dir, wohin du willst“, sagte Adalbert ganz flüssig, hakte sich bei ihr ein und schlingerte in ihrem Kielwasser zur Meditationsecke. Britta stellte Adalbert hastig vor, denn dann blieben alle zusammen; es sollte jetzt keiner mehr vom Haken gehen. Miriam, deren Gesicht keine Regung verriet, nickte dem Polizeipräsidenten artig zu, ebenso wie ihr Mann. Albert, der in seinem ockerfarbenen Tweed-Jackett heute einem Teddybär besonders ähnlich sah, schaute den Mann verwirrt an. Seine Gattin mit ihrem Faible für mächtige Männer zirpte irgendwas Honigsüßes.

Es ging Britta nicht aus dem Kopf, das Gemälde „Bulimische Ballerina“. Einziger Fabklecks auf dem Bild war eine blaue Umhängetasche.

„Na, wen haben wir denn da?“ fragte Adalbert, der mittlerweile ziemlich angeschickert und nicht mehr Herr seiner Sinne war. „Eine wahrhaft mörderische Runde, tsss…“ Und er gackerte ausgiebig über seinen eigenen Witz. Britta hätte vorhersagen können, dass Gertrud die Erste sein würde, die reagierte. Sie nahm den Mann an Brittas Seite ins Visier und fragte ein wenig spitz: „Wann fängt eigentlich endlich der Prozess an? Die, die’s getan hat, sitzt doch schon hinter Schloss und Riegel.“ „Nana!“ Der Präsident drohte ihr schelmisch mit dem Finger. „Es gilt immer noch die Unschuldsvermutung. Wie können Sie bloß sowas sagen.“ Gertrud schnaubte wie ein Pferd, tatsächlich. Fehlte bloß noch, dass sie mit ihren Absätzen im Sand scharrte. Miriam warf überraschend ein: „Hans Ferdinand muss viele Feinde gehabt haben.“ „Warum?“ fragte der Chefredakteur. „Ach, nur so…“ sagte sie und errötete ein wenig. „Also…“ Britta druckste ein wenig.

„Wenn Jeanette Scholz, die jetzt in U-Haft sitzt, es doch nicht war, wie soll man denn auf den wahren Mörder schließen können?“ Sie nestelte nervös an ihrer Handtasche und fühlte durch das Krokoleder die Kruke. Rot-weiß, 50 Gramm Fassungsvermögen. Ein unbehagliches Schweigen legte sich über die Gruppe. Beabsichtigt von den einen, kaum auszuhalten von den anderen. Albert Zurmuehl-Wiedenhausen brach es schließlich. „Schau mal, Schatz“, sagte er und zeigte auf die Tasche, die von Brittas Schulter hing, „ist das nicht so eine, wie du sie hast?“ Gertrud guckte auf das blau gemusterte Leder und wurde plötzlich weiß wie die Wand. „Wo haben Sie die her?“ fragte sie mit ganz anderer, fremder Stimme. Britta ließ sich Zeit mit der Antwort. Alle Blicke ruhten auf ihr, als sie die Kruke herauszog. Gertrud griff sich an den faltigen Hals. „Die Tasche stammt aus der Asservatenkammer der Polizei“, sagte sie. „Es ist die Tasche, die an der Stuhllehne von Jeanette Scholz hing.“

Adalbert schaute ein wenig entrüstet auf Britta. Aperol war die eine Sache, sich Sachen aus der Asservatenkammer über die Schulter zu hängen, etwas anderes. „Ja, und?“ fragte er streng. „Was soll das hier überhaupt?“ Britta schaute Gertrud an. „Was ist das für eine Tasche?“ fragte sie. Gertrud Zurmuehl-Wiedenhausen seufzte und klang beinahe ehrfürchtig. „Eine Birkin Bag von Hermès.“ Albert schaute verwirrt vom einen zum andern. „Was machen Sie mit der Handtasche meiner Frau?“ Der Mann im weißen Hemd hatte sich nun hinter Gertrud geschoben, Britta sah es wohl. „Diese Tasche ist ein Original, man sieht das an einem kleinen Stempel im Innern. Die Dinger sind Kult. Es gibt Leute, die sammeln sie als Wertanlage. Jeanette Scholz hatte genauso eine, nur war das eine Kopie – eine sehr gut gemachte Kopie und nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Sie hat sie während eines Urlaubs in Taiwan gekauft und eigentlich hätte der Zoll sie konfiszieren müssen. Sie hielten sie für echt, nicht wahr?“

Getrud erwiderte Brittas Blick nicht, sie schaute auf ihre Fußspitzen. „Sie wussten, dass sie diese Tasche besaß, Sie hatten die Birkin Bag einmal in Ferdinands Büro gesehen. Ich kann nur mutmaßen: War Jeanette Scholz dabei?“ „Sie wissen gar nichts.“ Britta nickte abwesend. „Sie wussten, dass Ferdinand an einer Laktose-Intoleranz litt und Laktase schlucken musste. Sie wussten auch, dass er nichts mehr schmeckte. Sie wussten, dass das Enzym in Pulverform in einer üblichen Apothekenkruke aufbewahrt wurde.“ Gertrud verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr Mann starrte sie fassungslos an. „Aber Mäuschen! Sag, dass das nicht wahr ist!“ „Sie haben sich irgendwie, wahrscheinlich über die Auslands-Kontakte Ihres Mannes, reines Kantharidin besorgt. Ein weißes Pulver sieht schließlich wie das andere aus. Eine Kruke gleicht der anderen. Sie haben die beiden Taschen, die identisch aussahen, in einem unbeobachteten Moment vertauscht. Und sich dann seelenruhig an ihren Platz gesetzt.“

Gertrud, die bisher keinen Ton gesagt hatte, trat einen Schritt vor. „Liebe Frau Badouin“, sagte sie. „Ihre Argumentation in allen Ehren – aber ich glaube nicht, dass diese Tasche echt ist. Also kann es auch nicht meine sein. Außerdem würde das ja auch wirklich jede Frau merken, allein wegen des Inhaltes…!“ Sie schaute fein lächelnd und siegessicher auf die Krokotasche. Ihre Finger zuckten vor, die Fingerspitzen berührten die Oberfläche. Brittas Stimme klang sehr kalt, als sie sagte: „Richtig. Sie haben die Kruke mit der Lactase herausgenommen und als dann alle Gäste in Richtung Hans Ferdinand stürmten, der sterbend am Boden lag, haben sie die beiden Taschen rückgetauscht. Kein Mensch hat in dem Trubel irgendetwas gemerkt. So hatte Jeanette Scholz die Imitat-Tasche zurück und es sah so aus, als ob sie die Kruke mit dem todbringenden Inhalt dort herausgenommen hatte.“ „Woher wollen Sie das wissen?“ fragte Gertrud. „Nur der Mörder wusste, dass in der Asservatenkammer der Polizei das Imitat lag“, sagte Britta. „Wie konntest du so sicher sein?“ fragte Robert.

Es war früh am Morgen, und sie lag in seinem Arm. An der Schlafzimmer-Decke malte das Mondlicht Kringel an die Decke und die Vorhänge bauschten sich ganz leise im Wind. „Ihr selbstsicheres Auftreten hat sie verraten“, sagte Britta und wackelte mit den Zehen. „Sie wusste ganz genau, dass es nicht die richtige Tasche war. Ich hatte auf ihre, mhm, Einfachkeit gesetzt. Sie hätte ja einfach nur die Klappe halten brauchen…“ „Ich vermute, ihr hättet es auch so herausbekommen.“ „Ja, das stimmt. Wahrscheinlich über das Labor, das geliefert hat, die Polizei hat ja da Möglichkeiten.“ „Und warum?“ fragte Robert und zog die Decke ein wenig höher. Er fror leicht. „Ach, Gertrud ist einfach eine narzisstische Frau, die sich über ihr Äußeres definiert. Sie hat es nicht ertragen, dass Hans Ferdinand sie wegen einer Jüngeren abserviert hat. Und anscheinend ist sie immer wieder zurückgekommen, bis er sie dann wirklich rausgeschmissen hat und ihr zu verstehen gab, dass sie auch nicht mehr wiederkommen bräuchte. Diesen letzten Auftritt muss Em mitbekommen haben.“

„Wie bist du drauf gekommen?“ Britta lächelte. „Weißt du noch, bei der Ausstellungseröffnung vom Dombrowski. Da war ein Gemälde, das hieß „Bulimische Ballerina“. Ich schwör’s, die hat genauso ausgesehen wie unsere Gertrud.“ „Dieses ganz in Grautönen gehaltene Bild? Die Ballerina sah aus wie Gertrud? Ist mir gar nicht aufgefallen…“ „Ja, doch, es ist groß und viereckig und fast ganz grau. Bis auf eine Kleinigkeit.“ „Die wäre?“ „Die Ballerina trägt, aus welchen Gründen auch immer, eine kleine blaue Tasche über der Schulter. Das ist der einzige Farbklecks auf dem Bild. Als ich zuhause war, ließ mir das keine Ruhe.“ „Du schlaues Weib, du.“ Robert drehte sich zu ihr und sah sie bewundernd an. „Ja, und irgendwie hat’s dann Klick gemacht. Ich erinnerte mich an diese blaue Tasche, die über der Stuhllehne hing und auch an die andere…. Ich rief Em an. Die telefonierte mit ihrem Kommissars-Freund. Und der besorgte mir das Ding aus der Asservatenkammer. Ist ja streng verboten, deshalb musste ich mir den Polizeipräsidenten ein bisschen zum Freund machen.“ „Ein bisschen?“ rief Robert empört.

„Der Kommissar war der im weißen Hemd. Er hat dann seine Herren im blau-weißen Auto gerufen und schon war Gertrud weg. Ohne Aufsehen zu machen. Wennerhold hat sich danach die Kante gegeben. Albert war ja mitgefahren und hat wohl den Anwalt aus dem Bett geholt.“ „Und der Herr Chefredakteur musste an diesem Abend nochmal richtig was arbeiten.“ „Ja, online sind sie die ersten, die einen Bericht darüber haben. Der wird mir ewig dankbar sein.“ „Fragst du eigentlich auch mal nach mir?“ „Warum? Was ist mit dir“ Britta war ein wenig erschrocken. „Ich“, sagte Robert von der Leyden stolz, „bin dann mit der schönsten Frau des Abends nach Hause gegangen.“ „Du bist ein Held“, sagte Britta.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 09/17 ab Seite 100.

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