Trotz großer Entwicklungen in der Diabetes-Therapie sind insulinpflichtige Diabetiker noch auf das Spritzen von Insulin angewiesen. © dolgachov / iStock / Getty Images Plus

Antidiabetika | Insulin

DIABETES MELLITUS: SPRITZE ADE?

Wird Insulin nicht mehr vom Körper produziert, muss das lebenswichtige Hormon täglich zugeführt werden, und zwar mit einer subkutanen Injektion oder unter Umständen mit einer Pumpe. Eine neue Technik soll nun bald eine orale Gabe ermöglichen.

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Abgesehen vom täglichen Piks durch das Blutzuckermessen müssen Diabetiker, die auf die äußerliche Zufuhr von Insulin angewiesen sind, zusätzlich regelmäßiges Spritzen in Kauf nehmen. Auch wenn sich in der Diabetes-Therapie in den letzten Jahren viel getan hat, darauf kann noch nicht verzichtet werden – oder doch? Forscher entwickelten jetzt eine neue Methode, das Hormon mit Hilfe einer Tablette zuzuführen. Und das kommt vor allem Menschen zugute, die Angst vor Spritzen oder Nadeln haben. „Viele Menschen scheuen die Schmerzen und haben regelrechte Angst vor der Nadel oder sie empfinden das Spritzen im Alltag als störend“, erläutert Samir Mitragotri von der Havard University in Cambridge. Ist die Angst vor der Nadel so groß, kann mitunter die Insulintherapie vernachlässigt werden oder nicht oft genug der Blutzucker kontrolliert werden – lebensbedrohliche Stoffwechselkrisen können die Folge sein.

Daher besteht schon seit längerem die Bestrebung, Insulin in eine andere Applikationsform zu überführen. Zeitweise war zum Beispiel von Insulin zur Inhalation die Rede, auch an Tabletten oder Kapseln wird schön länger geforscht. Das Problem hierbei: Das proteinbasierte Hormon würde zum einen die saure Umgebung des Magens nicht unbeschadet überstehen. Zum anderen kann es nur schwer aus dem Darm aufgenommen werden. Mitragotri und seinen Kollegen um Amrita Banerjee von der University of California in Santa Barbara scheint es nun gelungen zu sein, das Hormon so zu verpacken, dass es die Reise durch den Verdauungstrakt gut übersteht und sicher am Zielort ankommt. „Wir geben der Pille dafür sozusagen ein Schweizer Messer mit. Sie hat für jedes Hindernis ein spezielles Werkzeug zur Verfügung“, sagt Mitragotri.

Und wie sieht dieses Allzweck-Werkzeug nun aus? Das Insulin wird in ein ionisches Flüssigkeitsgemisch aus Cholin und Geraniumsäure eingebettet und mit einem säurestabilen Mantel überzogen. So löst sich die Kapsel erst im alkalischen Milieu des Dünndarms auf. Die Flüssigkeit garantiert einen Schutz vor proteinabbauenden Enzymen und verhilft dem Hormon in einem späteren Schritt, die tight junctions des Dünndarms zu überwinden. Im Tierversuch konnte die Kapsel bereits überzeugen. Der Glucose-Spiegel von Ratten ließ sich durch die Gabe der Insulin-Kapsel signifikant senken – bis zu zwölf Stunden lang. Länger als bei manch einem subkutan applizierten Insulin. Auch die Stabilität scheint passabel: Eine Aufbewahrung bei Raumtemperatur ist zwei Monate lang möglich, gekühlt sogar vier Monate.

Der nächste Schritt wäre die klinische Erprobung am Menschen. Das Forscherteam arbeitet zurzeit an der Genehmigung. Stellt sich das System als praktikabel heraus, würde das neben vielen Diabetikern auch eine Therapierevolution für andere Erkrankte darstellen, die sich proteinbasierte Medikamente aktuell noch spritzen müssen.

Farina Haase,
Apothekerin, Volontärin

Quelle: www.wissenschaft.de

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