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PTA-Fortbildung 07/13

DIABETES

Mindestens acht Millionen Menschen in Deutschland leiden an einem Diabetes mellitus – Tendenz steigend. Der Beitrag erläutert verschiedene Ursachen, Symptome und Behandlungsstrategien.

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Erschöpft, müde und mangelnde Leistungsfähigkeit gepaart mit ungewohnt großem Durst, häufigem Wasserlassen und einem ausgeprägten Gewichtsverlust – alles Symptome, die für einen Diabetes mellitus typisch sind. Mit dem Begriff Diabetes mellitus wird eine Gruppe von Stoffwechselkrankheiten zusammengefasst, die sich durch krankhaft erhöhte Blutzuckerwerte auszeichnen.

Auslöser sind Defekte bei der Insulinausschüttung, eine gestörte Insulinwirkung oder eine Kombination aus beidem. Je nach Ursache, klinischem Erscheinungsbild und erforderlicher Behandlungsstrategie werden verschiedene Diabetestypen unterschieden, wobei die zwei häufigsten Formen der Typ-1- und Typ-2-Diabetes sind.

Natürliche Blutzuckerregulation Für die Normalisierung des Blutzuckerspiegels sind hauptsächlich zwei Hormone der Bauchspeicheldrüse verantwortlich, deren Ausschüttung von der Blutzuckerkonzentration abhängig ist. Während Insulin den Blutzuckerspiegel senkt, ist sein natürlicher Gegenspieler Glukagon in der Lage ihn zu erhöhen. Darüber hinaus haben die Nebennierenhormone Adrenalin und Kortisol sowie die Schilddrüsenhormone blutzuckersteigernde Effekte.

Steigt nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit der Blutzuckerspiegel, schüttet der Organismus Insulin aus, wobei Inkretine (spezielle Darmhormone) die Ausschüttung fördern. Insulin ist ein aus 51 Aminosäuresequenzen zusammengesetztes Peptidhormon, das in den Betazellen des Pankreas, in den Langerhans-Inseln, produziert wird. Es sorgt dafür, dass die aus der Nahrung aufgespaltene Glukose aus dem Blut in die Zellen eingeschleust werden kann. Mithilfe von Insulin werden Glukosetransporter in die Zellmembran eingebaut, welche die Glukoseaufnahme in das Zellinnere ermöglichen.

Bildlich gesprochen schließt Insulin quasi wie ein Schlüssel die Tür der Körperzellen für den Eintritt der Glukose auf, wodurch der Blutzuckerspiegel sinkt. Zudem reguliert Insulin den Blutzuckerspiegel, indem es die Zuckerneubildung (Glukoneogenese) in der Leber hemmt.

In den Zellen wird der Zucker entweder sofort zur Energiegewinnung verwendet (Glykolyse) oder zu Glykogen, einer Speicherform der Glukose, umgebaut und im Leber- und Muskelgewebe als Energiereserve kurzfristig eingelagert. Dieser Reservezucker kann bei zu niedrigen Blutzuckerspiegeln mithilfe des Hormons Glukagon, das in den Alphazellen der Bauchspeicheldrüse gebildet wird, wieder ins Blut abgegeben werden. Dieser Vorgang wird als Glykogenolyse bezeichnet.

Erhöhte Blutzuckerspiegel Beim gesunden Menschen hält dieser feine Regelmechanismus den Blutzuckerspiegel bedarfsgerecht in gewissen Grenzen konstant. Doch ist der Regelkreislauf störanfällig. Kommt es beispielsweise – wie beim Vorliegen eines Typ-1-Diabetes – zu einer sukzessiven Zerstörung der Betazellen, wird schließlich kein Insulin mehr produziert und die Glukose verbleibt nach der Nahrungsaufnahme im Blut, was mit einem erhöhten Blutzuckerspiegel (Hyperglykämie) einhergeht.

Zudem entfällt bei einem absoluten Insulinmangel auch die Hemmung der Glukoneogenese in der Leber, wodurch – unabhängig von der Nahrungsaufnahme – die körpereigene Glukoseneubildung ungebremst weiter verläuft, was sich wiederum mit erhöhten Blutzuckerwerten äußert und die erhöhten Nüchternwerte bei Diabetikern erklärt.

Beim Typ-2-Diabetes ist zu Anfang Insulin zwar noch vorhanden, doch lässt seine Wirkung auf das Muskel- und Fettgewebe nach. Hier ist also eine verminderte Ansprechbarkeit der Zellen, eine Resistenz, für den erhöhten Blutzuckerspiegel verantwortlich. So ist also das Insulin nicht in der Lage, die Glukose adäquat in die Zellen zu schleusen.

Blutzuckerwerte bestimmen Der Befund Diabetes erfolgt anhand der Blutzuckerwerte. Nach den aktuellen Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) sollte zur Diagnosestellung die Messung der Glukose im venösen Plasma, also durch Blutentnahme aus der Vene, erfolgen. Die Blutzuckerwerte werden in Milligramm pro Deziliter (mg/dl) oder Millimol pro Liter (mmol/l) Blut angegeben. Dabei entsprechen 100 mg/dl = 5,6 mmol/l.

Zu beachten ist, dass für Messungen aus kapillärem Vollblut (aus der Fingerbeere) andere Werte gelten. So entspricht ein Plasma-Glukosewert von 126 mg/dl einem Vollblut-Glukosewert von 110 mg/dl. Ein manifester Diabetes liegt bei folgenden Plasma-Glukosewerten vor:

  • Nüchtern-Plasmaglukose von >= 126 mg/dl (7,0 mmol/l)
  • Gelegenheits-Plasmaglukosewert >= 200 mg/dl (11,1 mmol/l)
  • oGTT-2-h-Wert im venösen Plasma >= 200 mg/dl (11,1 mmol/l).

Für die Bestimmung des Nüchternblutzuckers sollte vor der Blutentnahme eine mindestens zehn- bis zwölfstündige Nahrungspause liegen. Zudem wird die Diagnose Diabetes erst durch zwei Messungen bestätigt. Nüchternwerte zwischen 100 bis 125 mg/dl (5,6 bis 6,9 mmol/l) können auf eine Vorstufe eines Diabetes (Prädiabetes) hindeuten, bei der schon erhöhte Blutzuckerspiegel zu messen sind, die aber noch unterhalb der Grenzen zum Diabetes liegen.

Oraler Glukosetoleranztest Gewissheit verschafft der Zuckerbelastungstest (oraler Glukosetoleranztest, oGGT). Er ermittelt den oGGT-2-h-Wert, das heißt, den Blutzuckerwert, der zwei Stunden nach Gabe eines definierten Zuckergetränks gemessen wird. Der Test erfolgt morgens nach einer 10 bis 16-stündigen Nahrungs- und Alkoholkarenz im Sitzen oder Liegen. Mindestens drei Tage zuvor sollte sich der Patient kohlen-hydratreich ernährt haben.

Zu Beginn wird der Nüchternblutzucker bestimmt. Im Anschluss trinkt der Patient innerhalb von fünf Minuten 75 Gramm in 250 bis 300 Milliliter Wasser gelöste Glukose. Nach zwei Stunden wird eine erneute Blutzuckermessung durchgeführt. Bis dahin sollte der Betroffene sich nicht körperlich betätigen, da Muskelanstrengung die Werte beeinflusst. Auch Rauchen ist vor oder während des Tests nicht gestattet. Werden im venösen Plasma oGTT-2h-Werte von mindestens 200 mg/dl (11,1 mmol/l) festgestellt, liegt ein Diabetes vor. Bei Werten zwischen 140 und 199 mg/dl (7,8 bis 11,1 mmol/l) spricht man von einer gestörten Glukosetoleranz.

HbA1c-Wert Die Leitlinien sehen zur Diabetesdiagnose auch die Verwendung des HbA1c-Wertes vor. Ein Diabetes liegt demnach bei einem HbA1c über 6,5 Prozent (48 mmol/mol) vor. Bei Werten unter 5,7 Prozent wird ein Diabetes ausgeschlossen. Der HbA1c-Wert gibt an, wie viel Glukose sich im Blut an das Hämoglobin in den Erythrozyten angelagert hat. Diese „Verzuckerung“ ist umso ausgeprägter, je höher der Blutzuckerspiegel in den letzten Wochen war.

Der Anteil des glykosylierten Hämoglobins wird in Prozent oder in mmol/mol angegeben. Während mit der Bestimmung des Blutzuckerwertes die aktuelle Stoffwechselsituation betrachtet wird, lässt der HbA1c-Wert also Rückschlüsse über die Einstellung des Stoffwechsels in der Vergangenheit zu und wird daher auch als Langzeitblutzucker oder Blutzuckergedächtnis bezeichnet.

INKRETINE
Dies sind blutzuckersenkende Peptidhormone des Dünndarms, die in Abhängigkeit von der Blutzuckerhöhe wirken. Sie verstärken die Insulinsekretion aus den Betazellen, hemmen die Ausschüttung des Insulingegenspielers Glukagon und reduzieren die Glukoneogenes in der Leber.

Da die Lebensdauer der roten Blutkörperchen circa 120 Tage beträgt, kann mit der Bestimmung des glykosylierten Hämoglobins eine Aussage über den Blutzuckerwert der letzten drei Monate gemacht werden. Dementsprechend sollte der Arzt vierteljährlich zur Verlaufskontrolle mit Messung des HbA1c-Wertes die Blutzuckereinstellung und somit den Behandlungserfolg überprüfen.

Um das Risiko für diabetische Folgeerkrankungen zu reduzieren, wird in der Regel bei Typ-1-Diabetikern ein HbA1c-Wert unter 7,5 und bei Typ-2-Diabetikern unter 6,5 Prozent angestrebt. Zu niedrige HbA1c-Werte sind nicht wünschenswert, um schwere Unterzuckerungen (Hypoglykämien) zu vermeiden. Zudem scheint beim Typ-2-Diabetes eine zu starke Absenkung des HbA1c-Wertes mit einer erhöhten Mortalität einherzugehen.

Typ-1-Diabetes Früher wurde diese Form als jugendlicher (juveniler) Diabetes bezeichnet, da dieser Typus schon bei Jugend-lichen und jungen Erwachsenen diagnostiziert wird. Heute wird dieser Begriff nicht mehr verwendet, da der Krankheitsbeginn auch noch im höheren Lebensalter sein kann, beispielsweise beim Latent Autoimmune Diabetes of the Adult (LADA).

Beim Typ-1-Diabetes kommt es in der Regel bei genetisch disponierten Personen im Sinne einer Autoimmunerkrankung zu einer progressiven Selbstzerstörung der insulinproduzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse, die schließlich einen absoluten Insulinmangel herbeiführt, was eine lebenslange Substitution erforderlich macht. Darauf bezieht sich die ältere Bezeichnung insulinpflichtiger Diabetes, die jedoch nicht mehr zur Charakterisierung des Typ-1-Diabetes herangezogen wird, da auch für andere Diabetesformen eine Insulingabe obligatorisch werden kann.

Selten liegt ein ideopathischer Typ-1-Diabetes vor, bei dem keine Immunreaktion nachweisbar ist.
Die genauen Ursachen sind für die fehlgeleitete Immunreaktion noch nicht geklärt. Doch gibt es Hinweise, dass vor allem Virusinfekte und ein im Säuglingsalter früh erfolgter Kontakt mit Kuhmilcheiweiß oder Gluten eine Rolle spielen könnten. Schon Monate bis Jahre vor Ausbruch des Diabetes sind verschiedene Antikörper, die gegen körpereigenes Gewebe agieren, nachweisbar (z. B. zytoplasmatische Inselzell-Antikörper (ICA), Insulin-Autoantikörper (IAA), Glutaminsäure-Decarboxylase-Antikörper (GADA) und Insulintyrosinase-Antikörper).

Stoffwechselentgleisung Sind mehr als 80 bis 90 Prozent der Betazellen zerstört, treten die typischen Diabetessymptome schlagartig auf. Da die Glukose durch fehlendes Insulin nicht mehr von den Körperzellen aufgenommen werden kann, steigt der Glukosespiegel im Blut an. Ab einer Zuckerkonzentration von 160 bis 180 mg/dl Blut wird vermehrt Glukose mit dem Urin (Glukosurie) ausgeschieden, da dann die Rückresorption von Glukose in der Niere (Nierenschwelle) nicht mehr komplett möglich ist.

Darauf bezieht sich auch der Name der Krankheit „honigsüßer Durchfluss“ (griech. Diabetes = Durchfluss, griech./lat. mellitus = honigsüß). Folge ist häufiges Wasserlassen (Polyurie), wodurch der Betroffene vermehrt unter starkem Durst leidet, der die Aufnahme mehrerer Liter Flüssigkeit am Tag erforderlich macht (Polydipsie). Da der Körper die Glukose nicht mehr zur Energiegewinnung nutzen kann, reagiert er mit Müdigkeit, nachlassender Konzentration und einem Absinken der körperlichen Leistungsfähigkeit.

diabetiker-notfallset mit glukagon
Geschulte Typ-1-Diabetiker sollten immer ein Notfallset mit Glukagon mit sich führen – der Notarzt ist trotzdem zu verständigen.

Zudem mobilisiert er Energie aus den Eiweiß- und vor allem aus den Fettreserven, was mit einer drastischen Gewichtsabnahme einhergeht. Der verstärkte Abbau von Fettsäuren führt zu einem Anstieg von Ketonkörpern im Blut, wodurch es zu einer Übersäuerung des Blutes (Ketoazidose) kommt.

Dies macht sich mit einem Acetongeruch der Atemluft sowie mit Übelkeit und Erbrechen bemerkbar und kann sich bis zum lebensgefährlichen diabetischen Koma verschlimmern, was die unverzügliche Aufnahme in ein Krankenhaus erforderlich macht. Oft wird ein Typ-1-Diabetes über eine ketoazidotische Stoffwechselentgleisung diagnostiziert, da sie zu Beginn bei Manifestation der Erkrankung auftritt.

Typ-2-Diabetes Etwa 90 Prozent der Diabetiker leiden an einem Typ 2. Früher sprach man von einem Altersdiabetes, da die überwiegende Zahl der Betroffenen über 60 Jahre alt ist. Heute erkranken aber zunehmend jüngere Menschen, sogar Kinder und Jugendliche, sodass der Begriff inzwischen nicht mehr gebraucht wird. Vielmehr bezeichnet man den Typ-2-Diabetes vermehrt als Wohlstandskrankheit, da man beobachtet, dass die steigende Anzahl an Patienten mit einer wachsenden Zahl an Übergewichtigen einhergeht.

Während die Typ-1-Diabetiker in der Regel normalgewichtig sind, tritt der Typ-2-Diabetes zumeist bei übergewichtigen Personen auf, schlanke Menschen sind weitaus seltener betroffen. Grundsätzlich wird die Anlage zum Diabetes-Typ 2 vererbt. Risikofaktoren begünstigen die Krankheitsentstehung, wobei Übergewicht in Verbindung mit Bewegungsmangel eine entscheidende Rolle spielt. Viszerales Fett, also das Bauchfett, welches sich im Bauchraum um die inneren Organe ablagert, scheint dabei einen besonders schädlichen Einfluss zu haben. So weisen Frauen ab 88 Zentimeter Taillenumfang und Männer ab 102 Zentimetern ein stark erhöhtes Risiko auf.

Übergewicht verursacht eine Insulinresistenz, das heißt eine verminderte Ansprechbarkeit der Muskel- und Fettzellen auf Insulin. Das Hormon ist beim Typ-2-Diabetes also noch vorhanden, wirkt aber nicht mehr richtig. Die Glukose kann daher nicht mehr in die Körperzellen eingeschleust werden und der Blutzuckerspiegel steigt. Ist dieser erhöht, ist dies wiederum ein Signal für den Pankeras, vermehrt Insulin zu produzieren, um die Resistenz zunächst zu kompensieren.

Im Anfangsstadium des Typ-2-Diabetes lassen sich daher sogar erhöhte Insulinspiegel im Blut messen (Hyperinsulinämie). Der Blutzuckerspiegel liegt dabei nahezu im Normbereich. Im weiteren Verlauf lässt die Insulinproduktion jedoch nach, da die insulinproduzierenden Betazellen auf Dauer allmählich erschöpfen und somit den erhöhten Bedarf nicht mehr decken können. Folglich beginnt der Insulinspiegel allmählich zu sinken bis die Bauchspeicheldrüse die Produktion ganz einstellt und schließlich ein absoluter Insulinmangel und ein erhöhter Blutzuckerspiegel vorliegen.

Häufig Zufallsbefund Die Stoffwechselentgleisungen verlaufen zu Anfang nahezu unbemerkt, sodass ein erhöhter Blutzuckerspiegel schon jahrelang im Verborgen vorhanden sein kann, bevor ein Typ-2-Diabetes vom Arzt diagnostiziert wird. Symptome wie Müdigkeit, verstärktes Durstgefühl oder vermehrtes Wasserlassen sind sehr unspezifisch. Diese Beschwerden sind beim Typ-2-Diabetes zudem nicht immer vorhanden oder werden von den Betroffenen nicht zwangsläufig mit einem sich manifestierenden Diabetes in Verbindung gebracht.

Meist wird die Zuckerkrankheit rein zufällig bei Routineuntersuchungen entdeckt. Oft sind dann schon schwere Schäden an Augen und Nieren, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems sowie der Nerven aufgetreten. Beispielsweise weisen mehr als die Hälfte der Betroffenen bei der Erstdiagnose Veränderungen an den Herzkranzgefäßen auf und etwa ein Drittel hatte bereits Schäden an der Netzhaut.

Langfristige Folgeschäden Ursache für die diabetischen Folgeerkrankungen ist eine irreversible Anlagerung des Zuckers an verschiedene Proteine im Blut. Durch die Glykosylierung treten Gefäßerkrankungen mit nachfolgenden Durchblutungsstörungen auf. Je nach Größe der betroffenen Blutgefäße unterscheidet man die diabetische Mikroangiopathie, bei der die kleinen Gefäße Schaden nehmen, sowie die diabetische Makroangiopathie mit arteriosklerotischen Veränderungen an den mittleren und großen Arterien mit Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System wie Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Die häufigste Folge ist eine diabetische Retinopathie, bei der es am Auge zu einer Netzhautschädigung mit sackförmigen Ausstülpungen der kleine Gefäße (Mikroaneurysmen) und kapillaren Gefäßverschlüssen kommt. Blutungen oder eine Netzhautablösung können die Folge sein, die mit einer Sehverschlechterung und letztendlich mit Erblindung einhergehen können.

An den Nieren ist die diabetische Nephropathie gefürchtet, die durch eine vermehrte Eiweißausscheidung gekennzeichnet ist, die neben einem Bluthochdruck eine fortschreitende Nierenschädigung nach sich ziehen kann. Bei nachlassender Nierenfunktion kann der Diabetiker schließlich dialysepflichtig werden.

Bei der diabetischen Neuropathie liegt eine Schädigung der Nerven vor, die alle Teile des Nervensystems betreffen kann. Häufig klagen die Betroffenen unter einer peripheren Polyneuropathie, die sich mit Beeinträchtigungen an den Beinen und Füßen bemerkbar macht. Brennende Fußsohlen, extreme Berührungsempfindlichkeit, Taubheitsgefühl sowie Missempfindungen wie Ameisenlaufen, Kribbeln oder nächtliche Wadenkrämpfe sind typische Symptome. Ein Sonderfall ist der diabetische Fuß.

Gefäß- und Nervenschädigungen am Fuß bedingen Durchblutungs- und Gefühlsstörungen und verzögern die Wundheilung. Aus kleinen Verletzungen können sich unbemerkt gefährliche Geschwüre bilden, die nicht mehr abheilen und schließlich eine Amputation erforderlich machen. Damit es nicht so weit kommt, sollten Diabetiker täglich ihre Füße inspizieren und mit Pflegepräparaten regelmäßig eincremen.

Insulinbehandlung Ziel jeder Therapie ist die Normalisierung des erhöhten Blutzuckers, um Akutkomplikationen und diabetesassoziierte Folgeschäden zu vermeiden. Dafür ist beim Typ-1-Diabetiker ein Spritzen von Insulin unvermeidbar. Aber auch beim Typ-2 kann eine Insulintherapie notwendig werden, wenn diätetische Maßnahmen und die Einnahme oraler Antidiabetika keine optimale Blutzuckereinstellung ermöglichen oder Kontraindikationen gegen die Tabletteneinnahme bestehen.

Für die Insulintherapie stehen verschiedene Zubereitungen zur Verfügung. Die einzelnen Insuline unterscheiden sich hinsichtlich ihres Wirkprofils, sprich ihres Wirkungseintritts, ihrer Wirkdauer und ihres Wirkungsmaximums. Während früher Insulin aus tierischen Bauchspeicheldrüsen gewonnen wurde, stehen heute biotechnologisch hergestellte Humaninsuline sowie davon abgewan delte Analoginsuline zur Verfügung.

»Metformin ist das Mittel der ersten Wahl in den akutellen Leitlinien bei der Diagnose eines Typ-2-Diabetes.«

Bei letzteren machen synthetische Veränderungen der Molekülstruktur verschiedene Wirkprofile möglich, wodurch ein schnellerer Wirkeintritt oder eine verlängerte -dauer im Vergleich zu einem Humaninsulin erreicht werden kann. Zudem wird die Gefahr von Hypo- und Hyperglykämien verringert.

Kurz, ultrakurz, lang, mittellang Unter einem Normal- oder Altinsulin versteht man ein Humaninsulin ohne Zusätze zur Resorptionsverzögerung, weshalb es stets als klare Lösungen vorliegt. Es wird auch als kurz wirksames Insulin bezeichnet, da seine Wirkung bereits nach 15 bis 20 Minuten einsetzt und nur circa vier bis sechs Stunden anhält. Dieses Insulin muss etwa 15 bis 30 Minuten vor einer Mahlzeit gespritzt werden, das heißt, es muss ein gewisser Spritz-Ess-Abstand eingehalten werden.

Ultrakurz wirksame Analoginsuline (auch Kurzzeitanaloga genannt) wie Insulin Lispro, Aspart und Glulisin gelangen noch schneller als Normalinsuline ins Blut, sodass kein Spritz-Ess-Abstand mehr notwendig ist. Sie haben eine besonders kurze Wirkdauer von zwei bis drei Stunden.
Verzögerungsinsuline (auch Basalinsuline genannt) zeichnen sich durch eine verlängerte Wirkungsdauer aus.

Sie werden in mittellang (intermediär) und lang wirksame Insuline unterschieden. Bei Ersteren wird eine verzögerte Aufnahme des Hormons aus dem Unterhautfettgewebe in die Blutbahn erreicht, indem man einem Normalinsulin den Verzögerungswirkstoff NPH (Neutrales Protamin Hagedorn) zugesetzt. Der Wirkungseintritt erfolgt erst nach ein bis zwei Stunden und die Wirkdauer reicht zwischen acht und zwölf Stunden. Durch den Verzögerungszusatz sind die NPH-Insuline trüb und müssen vor der jeder Applikation durch Schwenken (nicht Schütteln) gemischt werden.

NPH-Insuline sind auch in fixen Kombinationen mit kurz wirksamem Normalinsulin sowie einem ultrakurz wirksamen Analoginsulin erhältlich. Diese Mischinsuline sind durch einen relativ raschen Wirkungseintritt und einer mittellangen bis langen Wirkungsdauer charakterisiert.

Die lang wirksamen Analoginsuline Insulin Detemir und Glargin können nicht mit Normalinsulin gemischt werden. Mit diesen Langzeitinsulinen ist aber eine lange und konstante Wirkdauer von circa 16 bis 20 beziehungsweise 20 bis 30 Stunden zu erreichen. Ihr Wirkeintritt erfolgt nach drei bis vier Stunden.

Strategien der Therapie Beim Typ-1-Diabetes gilt die intensivierte Insulintherapie (Intensified Conventional Therapie, ICT), auch Basis-Bolus-Schema genannt, als Behandlungsstandard. Dabei wird der tägliche Insulinbedarf mit einem lang wirksamen Basalinsulin abgedeckt und mit einem kurz wirksamen Normal- oder Analoginsulin zu den Mahlzeiten kombiniert. Mit der ICT kann die Insulinzufuhr bedarfsgerecht erfolgen, sodass der Diabetiker seine Mahlzeiten flexibel gestalten kann.

Die ICT wird zunehmend auch bei Typ-2-Diabetikern präferiert, da sie mit einer Risikoreduktion für mikrovaskuläre Folgeerkrankungen einhergeht. Dafür wird in der Regel ein langwirksames Basalinsulin zur Nacht injiziert, um die Nüchtern-Blutzuckerwerte zu regulieren. Liegen die Blutzuckerwerte am Tage nicht im Zielbereich, kann zusätzlich die Injektion eines schnellwirksamen Insulins zum Essen erfolgen (prandiale Insulintherapie).

Je nach Qualität der Blutzuckerwerte kann dann im weiteren Verlauf die Insulintherapie intensiviert werden. Daneben wird beim Typ-2-Diabetes die konventionelle Therapie (Conventional Therapie, CT) mit einer zwei Mal täglichen Insulingabe in fester Dosierung durchgeführt. Üblicherweise wird dafür ein Mischinsulin verwendet, das etwa 30 Minuten vor dem Frühstück und dem Abendessen gespritzt wird. Die CT erfordert den Verzehr von Haupt- und Zwischenmahlzeiten, um Hypoglykämien zu vermeiden. Dieses klassische Zweispritzenschema kann für den Typ-2-Diabetiker geeignet sein, der noch selber ausreichend Insulin produziert, da dann die eigenen Insulinreserven Blutzu-
ckerschwankungen ausgleichen können.

Achtung: Unterzuckerung Fällt der Blutzucker auf Werte unter 50 mg/dl (2,8 mmol/l) ab, liegt eine Hypoglykämie vor. Diese kann auftreten, wenn die Menge an Insulin oder die Dosierung insulinotroper Medikamente (Sulfonylharnstoff, Glinide) nicht genau auf die zugeführte Kohlenhydratmenge abgestimmt war. Werden zu wenig Kohlenhydrate verzehrt, eine Mahlzeit vergessen, ein zu langer Spritz-Ess-Abstand gewählt oder zu viel Alkohol konsumiert, kommt es zu einem Blutzuckerabfall.

Des Weiteren ist vermehrte körperliche Aktivität häufiger Auslöser für Hypoglykämien, da durch intensive Bewegung mehr Glukose in die Zellen aufgenommen werden kann. Bei einem zu niedrigen Blutzuckerspiegel reagiert der Körper mit Unruhe, Schwitzen, Zittern, Heißhunger, Übelkeit, Herzklopfen, Schwindel und Sehstörungen.

Metabolisches Syndrom
Ein Typ-2-Diabetes ist in der Regel nicht nur mit Übergewicht assoziiert. Kurz vor Ausbruch der Zuckerkrankheit oder nahezu zeitgleich entwickeln sich häufig ein Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen. Da die einzelnen Krankheiten eng miteinander verbunden sind, wird dieser Symptomkomplex unter dem Begriff metabolisches Syndrom zusammengefasst. Er gilt heute als der entscheidende Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit gefährlichen Folgen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Außerdem können sich die einzelnen Krankheiten gegenseitig verstärken und das Risiko für einen Typ-2-Diabetes erhöhen.

Bei den ersten Symptomen sollte der Betroffene sofort reagieren, um einen hypoglykämischen Schock beziehungsweise ein hypoglykämisches Koma zu vermeiden. Da die Zeit bis zur Bewusstlosigkeit oft sehr kurz ist, muss der Betroffene rasch verfügbare Zucker (z. B. Traubenzucker, Fruchtsäfte) zu sich nehmen. Am schnellsten werden flüssige Zubereitungen resorbiert.

Haushaltszucker ist nicht empfehlenswert, da das Disaccharid erst in seine Einzelzucker aufgespalten werden muss. Ebenso werden Kohlenhydrate aus Schokolade durch den hohen Fettanteil verzögert aufgenommen und sind daher zur Behandlung einer Unterzuckerung ungeeignet. Ist bereits Bewusstlosigkeit eingetreten, darf wegen der Erstickungsgefahr Glukose nicht mehr oral zugeführt werden.

Stattdessen sollte sofort, soweit vorhanden, Glukagon gespritzt sowie ein Arzt gerufen werden, der eine intravenöse Glukoseinfusion einleitet. Leichte und mittelschwere Unterzuckerungen bewirken meist keine dauerhafte Schäden. Schwere Hypoglykämien können jedoch mit Gehirnleistungsstörungen einhergehen und im Extremfall zum Tode führen.

Therapie des Typ-2-Diabetes Bevor aber ein Betroffener eine Insulinbehandlung durchführt, kommen nicht-medikamentöse Maßnahmen und orale Antidiabetika zum Einsatz. Basis jeder Behandlung eines Diabetes Typ 2 ist eine Änderung des Lebensstils, die sich vor allem durch vermehrte körperliche Aktivität und Gewichtsreduktion auszeichnet. Ziel dabei ist, durch regelmäßige Bewegung und Abbau von Übergewicht die Insulinempfindlichkeit der Zellen zu verbessern.

Darüber hinaus empfehlen die neuen Leitlinien zur Therapie des Diabetes Typ 2, zeitnah eine Therapie mit oralen Antidiabetika zu beginnen. Vorzugsweise soll Metformin zum Einsatz kommen. Wird dies nicht vertragen oder liegen Kontraindikationen vor, kann die Behandlung mit einem Wirkstoff erfolgen, der für die Monotherapie zugelassen ist, wie Acabose, Pioglitazon, Repaglinid oder Sulfonylharnstoffe. Werden damit keine gewünschten HbA1c-Werte erzielt, sehen die Leitlinien eine Kombinationstherapie mit mehreren oralen Antidiabetika vor. Erst wenn der HbA1c-Wert über 7,5 Prozent liegt, soll die Tabletteneinnahme mit Insulin ergänzt werden.

Orale Antidiabetika Metformin ist Mittel der ersten Wahl, sofern keine Kontraindikationen oder Unverträglichkeiten vorliegen. Das Biguanid verbessert die Glukoseaufnahme im Fettgewebe und der Skelettmuskulatur und hemmt die hepatische Neubildung von Glukose. Da es nicht die Insulinsekretion stimuliert, besteht nur eine geringe Hypoglykämiegefahr. Zudem hat es einen günstigen Effekt auf das Körpergewicht.

Auch Pioglitazon verbessert die Insulinempfindlichkeit der Zellen im Fettgewebe sowie der Skelettmuskulatur und hemmt die Glukoseproduktion in der Leber. Die Substanz ist derzeit das einzig verfügbare Glitazon und darf nur noch in begründeten Ausnahmefällen verordnet werden, da ein erhöhtes Risiko für Blasenkarzinom diskutiert wird.

Acarbose und Miglitol verzögen die Spaltung von Stärke und Disacchariden im Dünndarm in Einzelzucker über eine Hemmung der Alpha-Glucosidasen und bewirken damit einen langsameren Blutzuckeranstieg nach den Mahlzeiten. Allerdings gelangen so die unverdauten Mehrfachzucker in tiefere Abschnitte des Darms, was mit Blähungen, Durchfall und Bauchschmerzen verbunden ist.

Orale Sulfonylharnstoffe wie Glibenclamid und Glimepirid binden an einen spezifischen Rezeptor auf der Betazelle und stimulieren so die Insulinausschüttung eines noch funktionstüchtigen Pankreas. Da die Substanzen zu einer Gewichtszunahme führen, sind sie weniger für adipöse Menschen geeignet und werden vorzugsweise bei schlanken Patienten eingesetzt. Allerdings erhöhen sie das Risiko für Hypoglykämien und sollen die Erschöpfung der Betazellen beschleunigen.

Auch Glinide stimulieren die endogene Insulinsekretion. Dabei setzt die Wirkung der beiden verfügbaren Substanzen Repaglinid und Nateglinid schneller als bei den Sulfonylharnstoffen ein und hält kürzer an, wodurch das Unterzuckerungsrisiko geringer als bei den Sulfonylharnstoffen ausfällt.
Die Gliptine Sitagliptin, Vildagliptin und Saxagliptin verstärken den Effekt der Inkretine.

Gliptine werden auch als DPP4-Hemmer bezeichnet, da sie eine Verlängerung der Inkretinwirkung über Hemmung des inkretinabbauenden Enzyms Dipeptidyl-Pepdidase 4 (DPP4) erzielen. Da die Wirkung nur so lange anhält, wie der Blutzucker erhöht ist, rufen sie keine Unterzuckerungen hervor.

Die Inkretin-Mimetika Exenatid, Liraglutid und Lixisenatid verstärken die Inkretinwirkung, indem sie an den Rezeptor des Inkretin Hormons binden. Sie werden zu festgelegten Zeiten subkutan gespritzt.
Kürzlich wurde der erste Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse zugelassen. Dapagliflozin ist ein SGLT-2-Hemmer, das heißt er hemmt das Transportprotein SGLT-2 (Sodium-Glucose-Cotransporter-2), das insulinunabhängig in den Nieren für die Rückresorption von Glukose ins Blut verantwortlich ist.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 07/13 ab Seite 34.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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