Eine Maske mit Deutschland-Flagge.
Laut der Einschätzung von Professor Dr. Christoph Sarrazin, Chefarzt am St. Josefs-Hospital in Wiesbaden, schlägt sich Deutschland im Kampf gegen die Pandemie ganz gut. © Igor Vershinsky / iStock / Getty Images Plus

Pandemiebekämpfung | Mittelfeld

DEUTSCHLAND UND DIE CORONA-PANDEMIE – EINE ZWISCHENBILANZ

Nach der ersten Welle kam die zweite und mit ihr sank die Zuversicht. Doch die Zwischenbilanz zeigt entgegen der Erwartung anderer: Deutschland hat sich bisher im Kampf gegen die Pandemie ganz gut geschlagen.

Seite 1/1 3 Minuten

Seite 1/1 3 Minuten

Professor Dr. Christoph Sarrazin, Chefarzt am St. Josefs-Hospital in Wiesbaden, zog eine Zwischenbilanz der Bewältigung der Pandemie und betrachtete dabei verschiedene Parameter wie die Sterblichkeit, die Effektivität der Infektionsschutzmaßnahmen, aber auch den wirtschaftlichen Aspekt und kommt zu dem Schluss:

In Bezug auf die Inzidenz hat sich Deutschland bislang gut geschlagen.

Auch wenn ein internationaler Vergleich schwierig sei: Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat es Deutschland mit einer kumulativen Inzidenz von 3444 auf 100 000 Einwohner noch in die Top 12 im internationalen Vergleich geschafft. Auf dem ersten Platz im Ranking steht China mit einer kumulativen Inzidenz von 7 auf 100 000 Einwohner, zumindest nach den bekanntgegebenen Zahlen. Auf den letzten Plätzen mit den weltweit höchsten Inzidenzen liegen Montenegro und Tschechien. Dort infizierten sich inzwischen mehr als 14 500 Menschen auf 100 000 Einwohner.

Die Tests
Bei der Anzahl der durchgeführten Corona-Tests schneidet Deutschland nicht so gut ab: Hier liegen wir mit 8,3 Tests pro nachgewiesene Infektion aktuell knapp unter den Vorgaben der WHO, die 10 bis 30 Tests pro nachgewiesenem Fall empfiehlt. Spitzenreiter ist laut Sarrazin Australien mit 2834 Tests pro nachgewiesenem Fall. Allerdings sind dort die Fallzahlen auch sehr gering. Was die ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, wie Schul- und Geschäftsschließungen, betrifft, so zeigt eine „Science“-Studie aus diesem Jahr, „dass die in Deutschland getroffenen Maßnahmen sowohl die Inzidenz als auch die Mortalität effektiv senken konnten“, so Sarrazin. Den stärksten Effekt hatten, wie die Studienergebnisse zeigen, die Begrenzung der Treffen auf weniger als zehn Personen und die Schulschließungen gehabt.

Interessant für die aktuelle Diskussion: Der Effekt einer zusätzlichen Ausgangssperre fällt laut der Studie im Verhältnis zu den bestehenden anderen Kontaktbeschränkungen nur gering aus.

Die Sterblichkeit
Sie ist in Deutschland mit kumulativ 91,9 Todesfällen auf 100 000 im internationalen Vergleich relativ niedrig. Den höchsten Wert hat Tschechien mit 251 Todesfälle auf 100 000 Einwohner. Die niedrigste Sterblichkeit zeigt sich in China, Singapur und Neuseeland. Dort ist weniger als 1 Person auf 100 000 Einwohner an COVID-19 gestorben.

Die Impfungen
Beim Thema Impfungen ist Deutschland langsamer als andere Länder. Bisher sind zwar fast ein Viertel der Deutschen einmal geimpft, allerdings führt Israel die Liste mit 61 Prozent an. Gefolgt von Großbritannien mit fast 50 Prozent.

Ob das an der Impfpriorisierung liegt? Die „Science“-Studie hat auch den Effekt verschiedener Priorisierungen bestimmter Altersgruppen auf die Sterblichkeit untersucht. Dabei hängt der Effekt auch vom R-Wert ab: Bei einem angenommenen R-Wert von 1,5 lassen sich mehr Todesfälle vermeiden, wenn man zuerst Menschen über 60 impft. Bei einem niedrigeren R-Wert von 1,15 wäre es am effektivsten, die Menschen mit vielen Kontakten zuerst zu impfen. Das wären 20- bis 49-Jährige. „In Deutschland lag der R-Wert seit Anfang 2021 zwischen 1 und 1,2, sagte Sarrazin. Ein hoher Wert von 1,5 wurde nicht erreicht. Daraus schließt er:

Daher könnte man durchaus diskutieren, ob das der richtige Weg war.

Schaut man sich das Impfgeschehen weltweit an, so sind die COVID-19-Impfkampagnen noch nicht weit fortgeschritten. Das Ziel war bis zum 10. April in allen Staaten der Welt mit den Impfungen zu beginnen. Dieses Ziel konnte aufgrund von Impfstoffmangel nicht erreicht werden. Sarrazin sagt:

Wir brauchen eine globale Anstrengung, um die Impfung zum Erfolg zu machen.

Die Folgen der Pandemie
Das Coronavirus hatte nicht nur gesundheitliche Folgen, sondern brachte ganz erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft mit sich. Das italienische Wirtschaftsinstitut Molinari hat untersucht, welche Länder erfolgreich darin waren, den Schaden für das Bruttoinlandsprodukt bei gleichzeitigem Nutzen für die Gesundheit zu minimieren. Besonders erfolgreich seien Australien, Neuseeland und Südkorea gewesen. Auch Deutschland liegt laut Sarrazin gerade noch in diesem günstigen Bereich. Besonders unter der Pandemie gelitten – gesundheitlich und wirtschaftlich – haben Großbritannien, Frankreich und Belgien.

Insgesamt lässt sich sagen, dass Deutschland bei der Pandemiebewältigung „ganz ordentlich im Mittelfeld“ steht, so das Resümee des Internisten und Chefarztes.

Sabrina Peeters,
freie Journalistin

Quelle: Pharmazeutische Zeitung

×