Bonbons © Dulcenombre Maria Rubia Ramirez / 123rf.com
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Diabetes

DER ZUCKERSÜSSE KILLER

Unter der Bezeichnung „Diabetes mellitus“ werden verschiedene Störungen des Glukosestoffwechsels zusammengefasst. Allen gemeinsam ist eine Überzuckerung des Blutes, die lebensgefährliche Folgen nach sich ziehen kann.

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Als „Brennstoff“ zur Energiegewinnung brauchen alle Körperzellen Traubenzucker , den sie aus dem Blut aufnehmen. Hierzu ist jedoch Insulin notwendig, ein in der Bauchspeicheldrüse produziertes Hormon. Diabetiker können das Hormon entweder nicht mehr produzieren (Typ-1-Diabetes), oder ihre Körperzellen reagieren nicht mehr darauf (Typ-2-Diabetes).

Die Folge: Der Blutzuckerspiegel steigt stark an und die überschüssige Glukose wird über den Urin ausgeschieden. Daher kommt auch der griechische Name „Diabetes mellitus“ für die Erkrankung, der übersetzt „honigsüßer Durchfluss“ bedeutet. Unbehandelt kann diese mittlerweile sehr häufige Stoffwechselstörung zu schwerwiegenden Komplikationen und auch zum Tode führen.

Typ-1-Diabetes Dieser ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das fehlgesteuerte körpereigene Immunsystem innerhalb weniger Monate die insulinproduzierenden Betazellen der Langhans-Inseln im Pankreas vollständig zerstört. Da die Krankheit schnell fortschreitet, sind die Symptome meist sehr deutlich, sodass ein Typ-1-Diabetes häufig schnell diagnostiziert wird.

Typ-1-Diabetiker verlieren meist stark an Gewicht, klagen über Übelkeit mit Erbrechen sowie starken Durst und häufiges Wasserlassen. Die Ursachen des Typ-1-Diabetes sind immer noch nicht vollständig erforscht. Man geht davon aus, dass für den Angriff der Körperabwehr auf die Betazellen eine genetische Veranlagung besteht, wobei verschiedene Umweltfaktoren offenbar als Auslöser fungieren.

So diskutiert man etwa, ob das Immunsystem bestimmte Proteine auf der Oberfläche der Betazellen mit strukturell ähnlichen Fremdeiweißen verwechselt und daher fälschlicherweise auch das körpereigene Gewebe angreift. Darüber hinaus scheinen bestimmte Virusinfektionen oder ein Vitamin-D-Mangel die Entstehung der Erkrankung zu begünstigen. Ebenfalls als Risikofaktor diskutiert werden Bafilomycine, natürliche Antibiotika, die als Gemüsegift an faulen Stellen von Kartoffeln und Karotten vorkommen und bereits im Nanogrammbereich die Betazellen schädigen können.

Typ-2-Diabetes Bei dieser Form produziert die Bauchspeicheldrüse zwar weiterhin Insulin, die Körperzellen reagieren jedoch nicht mehr auf das Hormon, was man als Insulinresistenz bezeichnet. In der Folge müssen die Betazellen übermäßig viel Insulin herstellen, damit noch genug Glukose in die Zellen gelangt. Das kann jahrelang funktionieren – bis die Bauchspeicheldrüse irgendwann dazu nicht mehr in der Lage ist und der Typ-2-Diabetes manifest wird.

ERSCHRECKENDE ENTWICKLUNG
Zurzeit leben in Deutschland schätzungsweise über sieben Millionen Diabetiker. Ihre Zahl steigt stetig und könnte sich in zwanzig Jahren verdoppelt haben, so die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG). Ein Grund für die rasante Zunahme der Patienten ist unter anderem das Essverhalten in den Wohlstandsländern, denn der Typ-2-Diabetes, der rund 90 Proznent der Fälle ausmacht, wird in erster Linie durch Übergewicht ausgelöst. Da dies mittlerweile auch immer häufiger bei Kindern und Jugendlichen vorkommt, ist die früher geläufige Bezeichnung Altersdiabetes für diese Form der Erkrankung heute nicht mehr zeitgemäß. Aber auch die Zahl der Patienten mit Typ-1-Diabetes nimmt jährlich um etwa drei Prozent zu, wobei hier die Ursachen noch weitgehend unklar sind.

Aufgrund des langsameren Fortschreitens der Erkrankung entwickeln sich die Symptome nicht so dramatisch wie beim Typ-1-Diabetes, weshalb die Diagnose häufig nur mit Verzögerung gestellt wird. Die Betroffenen fühlen sich meist nur müde und abgeschlagen, auffällig ist allerdings eine erhöhte Infektanfälligkeit, besonders für Blasenentzündungen.

Auch die Ursachen des Typ-2-Diabetes sind multifaktoriell. Neben einer genetischen Veranlagung spielt vor allem Übergewicht eine Rolle, wobei der konkrete Mechanismus der Entstehung der Insulinresistenz noch nicht klar ist. Es besteht jedoch offenbar eine Verbindung zwischen der Menge des Fettgewebes, insbesondere von Bauchfett, und dem dort produzierten Hormon RBP-4 (Retinol Binding Protein 4), dessen Konzentration mit der Insulinresistenz der Zellen assoziiert ist.

Zahlreiche weitere Diabetesformen Neben Typ 1 und 2 kann es auch durch bestimmte Gendefekte zu einem Diabetes kommen, wie etwa beim MODY-Diabetes (Maturity Onset Diabetes of the Young), an dem bereits Neugeborene erkranken können. Diabetes kann aber auch durch Medikamente (z. B. Glukokortikoide, Neuroleptika), Drogen oder infolge anderer Erkrankungen wie Cushing-Syndrom oder Pankreatitis ausgelöst werden. Eine Sonderform stellt der Gestationsdiabetes dar, bei dem sich sowohl ein Typ-1- als auch ein Typ-2-Diabetes erstmalig in der Schwangerschaft manifestieren können.

Besonders gefährdet sind übergewichtige Mütter, die älter als 30 Jahre sind. Die Behandlung ist aufgrund der Schwangerschaft sehr komplex, allerdings schaffen es Neun von Zehn, die Erkrankung durch Diät und Bewegung in den Griff zu bekommen. Der Gestationsdiabetes ist vor allem deshalb gefährlich, weil er unbehandelt zu einer Fehlgeburt führen kann, die werdende Mutter die Symptome jedoch oft kaum bemerkt. Risikopatientinnen wird daher empfohlen, sich vorsorglich testen zu lassen.

Folgen Insulin ist das wesentliche Hormon, das den Zuckerstoffwechsel steuert. So fördert es die Aufnahme der Glukose in die Körperzellen und bewirkt so, dass sich der hohe Blutglukosespiegel nach einer Mahlzeit wieder normalisiert. Gleichzeitig reguliert es die beiden anderen wesentlichen Glukosequellen des Körpers, sodass sie ihm nur während einer Nüchternphase zur Verfügung stehen.

GESUND ESSEN, MEHR BEWEGEN
Da deutliche Symptome bei einem Typ-2-Diabetes erst sehr spät eintreten, geht man davon aus, dass viele Menschen sich bereits im Anfangsstadium befinden, ohne es zu wissen. Dabei kann man zumindest diesem Typ vorbeugen: durch eine gesunde, fettarme Ernährung und ausreichende Bewegung. Bereits drei Mal 30 Minuten pro Woche mäßige körperliche Anstrengung reichen dafür aus. Darüber hinaus zeigte eine Studie, dass Fruchtsäfte das Diabetesrisiko erhöhen, frisches Obst es hingegen senkt.

Hierzu hemmt Insulin einerseits die Neubildung von Glukose in der Leber und steuert andererseits in den Leber- und Muskelzellen die Freisetzung von Glukose aus seiner Speicherform, dem Glykogen. Bei Diabetes ist dieser komplexe Regulationsmechanismus gestört, was eine Reihe von Folgen nach sich zieht. So können die Zellen aufgrund des Insulinmangels oder der Insulinresistenz keine oder kaum noch Glukose aus dem Blut aufnehmen und daher ihren Energiebedarf nicht mehr ausreichend decken.

Als Folge dieser Unterzuckerung (Hypoglykämie) der Organe kann es zu Kreislauf- und Sehstörungen, Konzentrationsschwäche, Mattigkeit und Ohnmachten kommen. In schweren Fällen kann eine Unterzuckerung zum hypoglykämischen Schock und zum Tod führen. Um der Unterzuckerung zu entgehen, weicht der Körper auf andere Energiequellen wie etwa das Fettgewebe aus. Aus diesem werden große Mengen freie Fettsäuren ins Blut abgegeben und zu Ketonen wie Aceton umgebaut.

»Die Nieren können ab einem Blutzuckerspiegel von 180 mg/dl die Glukose nicht mehr völlig aus dem Blut resorbieren.«

Da jedoch sowohl die Fettsäuren als auch die Ketone Säuren sind, kommt es zu einer Übersäuerung des Blutes. Diese Ketoazidose macht sich im typischen acetonhaltigen Atem von Diabetikern bemerkbar und beeinträchtigt sämtliche Stoffwechselvorgänge, was letztlich bis hin zum lebensgefährlichen Ketoazidoseschock führen kann. Durch den Insulinmangel beziehungsweise die -resistenz der Leberzellen werden zudem die Neubildung von Glukose in der Leber sowie die Freisetzung von Glukose aus Glykogen nicht mehr gehemmt, wodurch die ohnehin zu hohen Zuckerwerte im Blut noch weiter steigen.

Im schlimmsten Fall kommt es zu einem solch exorbitant hohen Blutzuckerspiegel, dass ein diabetisches Koma eintreten kann – ebenfalls eine tödliche Gefahr. Die hohen Zuckerwerte haben darüber hinaus Auswirkungen auf die Nieren. So können diese ab einem Blutzuckerspiegel von 180 mg/dl die Glukose nicht mehr völlig aus dem Blut resorbieren, sodass sie in den Urin übergeht. Hierdurch wird der osmotische Druck im Urin erhöht, wodurch die Nieren wiederum weniger Wasser resorbieren können. Die Folge: Der Körper verliert mehr Wasser über den Harn als gewöhnlich, was zu starkem Durst führt. Wird die Flüssigkeit nicht ausreichend ersetzt, kann es zu einer Dehydratation kommen.

Spätschäden Neben diesen akuten Folgen der Erkrankung kann es bei jeder Diabetesform nach meist 10 bis 20 Jahren durch die Schädigung von großen und kleinen Blutgefäßen zu Komplikationen kommen. Am häufigsten sind Bluthochdruck und Augenkrankheiten bis hin zur Erblindung. Doch auch das Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt ist deutlich erhöht. Letztlich sterben etwa drei von vier Diabetikern an einer Erkrankung der Herzkranzgefäße. Nicht selten verschlechtert sich auch die Nierenfunktion immer weiter, bis eine Dialyse notwendig wird.

Darüber hinaus kann sich auch eine diabetische Neuropathie entwickeln, Empfindungsstörungen und Taubheitsgefühle, die häufig dazu führen, dass Diabetiker sich aus Versehen verletzen oder entstandene Verletzungen nicht bemerken. Eine verminderte Durchblutung kann dann zu schweren Komplikationen, wie etwa Geschwüren am Fuß führen. Alleine das Diabetische Fußsyndrom führt in Deutschland zu 40 000 Amputationen pro Jahr.

Unterschiedliche Ursache – unterschiedliche Therapien Um den Glukosestoffwechsel zu normalisieren, muss ein Typ-1-Diabetiker seinem Körper ein Leben lang das fehlende Insulin zuführen. Heilbar ist die Krankheit noch nicht, doch man hofft auf Wirkstoffe, welche die Zerstörung der Betazellen zumindest hinauszögern, wenn nicht gar aufhalten können.

BeimTyp-2-Diabetes kann man die Gabe von Medikamenten im Anfangsstadium der Krankheit häufig noch vermeiden, indem man die Betroffenen auf einen gesunden Lebensstil mit ausgewogener Ernährung und ausreichender Bewegung umstellt. Angestrebt wird hierbei ein HbA1C-Zielwert von 6,5 bis 7,5 Prozent, ein Langzeitblutzuckerwert, der den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der letzten sechs bis zehn Wochen widerspiegelt. Ist er nach drei bis sechs Monaten nicht erreicht, werden zusätzlich orale Antidiabetika eingesetzt, die den Glukosespiegel medikamentös senken.

SPRITZE ODER PUMPE?
Typ-1- und Typ-2- Diabetiker können sich Insulin mittels einer Spritze, eines Insulinpens oder einer -pumpe zuführen. Letztere leitet das Insulin über einen Katheter in den Körper und gibt es dabei in regelmäßigen Abständen ab. Vor allem Typ-1-Diabetikern kann die Pumpe das Leben erleichtern, da sie auf eine komplette, konstante Insulinversorgung angewiesen sind. Typ-2- Diabetiker kommen meist besser mit dem Pen zurecht, der auf die Haut aufgesetzt wird, um das Insulin subkutan über eine Nadel zu injizieren. In beiden Fällen müssen die Patienten den Bedarf jedoch immer noch selbst bestimmen und immer anpassen, was mit zunehmender Erfahrung jedoch immer besser gelingt.

Wirkstoff der ersten Wahl ist dabei Metformin, das unter anderem die Glukoseneubildung in der Leber hemmt. Darüber hinaus soll er für eine verbesserte Aufnahme von Glukose in die Muskelzellen sorgen, wissenschaftlich ist dies jedoch noch nicht belegt. Doch Metformin hat nicht nur Vorteile. Bei Leber- oder Nierenschäden ist der Wirkstoff kontraindiziert. Schwangeren wird er nur verabreicht, wenn man durch ihn eine hohe Insulingabe verhindern kann, denn Metformin gelangt über die Plazenta in den Blutkreislauf des Ungeborenen.

Ist eine Therapie mit Metformin nicht angezeigt, können eine Reihe anderer Wirkstoffe zum Einsatz kommen. So steigern Sulfonylharnstoffe, Glinide und Inkretinmimetika die Insulinproduktion im Pankreas, während Insulinsensitizer wie Pioglitazon die Insulinaufnahme der Zellen fördern. DDP-IV-Hemmer (Gliptine) hingegen hemmen den Abbau von GLP-1, einem Hormon, das die Insulinproduktion anregt. Ebenfalls zugelassen ist ein SGLT-2-Antagonist, der bewirkt, dass überschüssige Glukose frühzeitig über die Nieren ausgeschieden und nicht resorbiert wird.

Neben oralen Antidiabetika kann jedoch auch Insulin eingesetzt werden. Helfen diese Monotherapien nicht, ist eine Kombinationstherapie aus Metformin und einem oralen Antidiabetikum oder Insulin angezeigt, die bei erneutem Versagen weiter intensiviert wird.

Kalorien genau so wichtig wie Kohlenhydrate Diabetiker müssen keine strenge Diät mehr einhalten. Auch spezielle Produkte wurden von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung als unsinnig eingestuft, da sie zwar kohlenhydratreduziert, dafür aber sehr fettreich sind. Seit Anfang 2013 dürfen Lebensmittel nicht mehr explizit als Diabetikerlebensmittel gekennzeichnet sein, Produkte, die bereits in den Regalen stehen, dürfen jedoch noch bis zum Ablauf ihres Haltbarkeitsdatums verkauft werden.

Mittlerweile wird Diabetikern nur noch empfohlen, sich ausgewogen zu ernähren. Die Mahlzeiten sollten zur Hälfte aus Kohlenhydraten bestehen. Maximal 30 Prozent der Gesamtenergie sollte als Fett aufgenommen werden, der Rest als Protein. Pro Tag sollte ein Diabetiker aber nicht mehr als vier Gramm Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen. Die Berechnungseinheit dafür ist die Broteinheit (eine BE = zwölf Gramm Kohlenhydrate). Neben den Kohlenhydraten müssen Diabetiker aber auch die Kalorienmenge im Blick haben, denn verschiedene Produkte können zwar dieselbe Menge Kohlenhydrate enthalten, aber unterschiedlich viele Kalorien.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/14 ab Seite 14.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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